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Indien: Wo kommt das plötzliche US-Interesse bzgl. Menschenrechtsverletzungen her?Lesezeit: 8 Minuten

Delhi-Indien - Bildquelle: Pixabay / Rhiannon; Pixabay License

Delhi-Indien – Bildquelle: Pixabay / Rhiannon; Pixabay License

Wie aus dem Nichts sind die Vereinigten Staaten „plötzlich sehr besorgt“, was Menschenrechtsverletzungen in Indien anbelangt. Just zu dem Zeitpunkt an dem Indien näher an Russland rückt und sich auch auf Öllieferungen außerhalb des US-Dollarsystems geeinigt hat. US-Außenminister Antony Blinken erklärte vor wenigen Tagen vor der Presse, dass „wir einige besorgniserregende Entwicklungen in Indien beobachten, darunter eine Zunahme von Menschenrechtsverletzungen durch einige Regierungs-, Polizei- und Gefängnisbeamte (we are monitoring some recent concerning developments in India including a rise in human rights abuses by some government, police and prison officials)“.

Es ist richtig, dass sich Indiens rechtsgerichtete Regierung der Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hat und dies schon seit Jahren tut, aber es stimmt auch, dass sich bislang das US-Außenministerium nicht wirklich um Menschenrechtsverletzungen in Indien kümmerte.

Ein durchgesickertes Memo des US-Außenministeriums aus den Anfängen der Trump-Administration zeigt, wie der neokonservative Imperiumsmanager Brian Hook dem noch nicht eingeweihten Außenminister Rex Tillerson beibringt, dass „Menschenrechte“ für die US-Regierung nur eine Waffe sind, mit der andere Nationen auf Linie gehalten werden können. In einem bemerkenswerten Einblick in die zynische Natur des imperialen Narrativmanagements erklärte Hook Tillerson, dass es die Politik der USA ist, Menschenrechtsverletzungen zu übersehen, die von Nationen begangen werden, die mit den Interessen der USA übereinstimmen, während sie gegen Nationen, die das nicht tun, ausgenutzt und als Waffe eingesetzt werden.

„Im Falle von US-Verbündeten wie Ägypten, Saudi-Arabien und den Philippinen ist es völlig gerechtfertigt, dass die Regierung aus einer Reihe von wichtigen Gründen, einschließlich der Terrorismusbekämpfung, gute Beziehungen betont und sich ehrlich den schwierigen Kompromissen in Bezug auf die Menschenrechte stellt (In the case of US allies such as Egypt, Saudi Arabia, and the Philippines, the Administration is fully justified in emphasizing good relations for a variety of important reasons, including counter-terrorism, and in honestly facing up to the difficult tradeoffs with regard to human rights,)“, erklärte Hook in dem Memo.

„Eine nützliche Leitlinie für eine realistische und erfolgreiche Außenpolitik ist, dass Verbündete anders – und besser – behandelt werden sollten als Gegner (One useful guideline for a realistic and successful foreign policy is that allies should be treated differently — and better — than adversaries)“, schrieb Hook. „Wir versuchen nicht, Amerikas Gegner in Übersee zu unterstützen, sondern sie unter Druck zu setzen, mit ihnen zu konkurrieren und sie auszumanövrieren. Aus diesem Grund sollten wir die Menschenrechte als wichtiges Thema in den Beziehungen der USA zu China, Russland, Nordkorea und dem Iran betrachten. Und das nicht nur aus moralischer Besorgnis über die Praktiken in diesen Ländern. Es liegt auch daran, dass Druck auf diese Regime in Bezug auf die Menschenrechte eine Möglichkeit ist, ihnen Kosten aufzuerlegen, Gegendruck auszuüben und die Initiative von ihnen strategisch zurückzugewinnen (We do not look to bolster America’s adversaries overseas; we look to pressure, compete with, and outmaneuver them. For this reason, we should consider human rights as an important issue in regard to US relations with China, Russia, North Korea, and Iran. And this is not only because of moral concern for practices inside those countries. It is also because pressing those regimes on human rights is one way to impose costs, apply counter-pressure, and regain the initiative from them strategically).“

Tweet - Maitreya Bhakal - Bildquelle: Screenshot-Ausschnitt Twitter

Tweet – Maitreya Bhakal – Bildquelle: Screenshot-Ausschnitt Twitter

Nein, das US-Außenministerium interessiert sich nicht für Menschenrechtsverletzungen. Blinkens Äußerungen sind nur der jüngste in einer Reihe von Schüssen vor den Bug, die das US-Imperium auf Neu-Delhi abfeuert, um es vor einer Annäherung an Moskau zu warnen.

In einem Artikel von letzter Woche mit dem Titel „India to Face Significant Cost If Aligned With Russia, U.S. Says (Indien muss erhebliche Kosten auf sich nehmen, wenn es sich mit Russland verbündet, sagen die USA)“ berichtete Bloomberg Folgendes:

Der oberste Wirtschaftsberater von Präsident Joe Biden sagte, die Regierung habe Indien davor gewarnt, sich mit Russland zu verbünden, und dass US-Beamte von einigen Reaktionen Neu-Delhis auf die Invasion in der Ukraine „enttäuscht“ gewesen seien.

„Es gibt sicherlich Bereiche, in denen wir von den Entscheidungen sowohl Chinas als auch Indiens im Zusammenhang mit der Invasion enttäuscht sind“, sagte der Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats des Weißen Hauses, Brian Deese, am Mittwoch bei einem Frühstück, zu dem der Christian Science Monitor eingeladen hatte, gegenüber Reportern.

Die USA haben Indien darauf hingewiesen, dass die Folgen einer „expliziteren strategischen Ausrichtung“ mit Moskau „signifikant und langfristig“ sein würden, sagte er.

(President Joe Biden’s top economic adviser said the administration has warned India against aligning itself with Russia, and that U.S. officials have been „disappointed“ with some of New Delhi’s reaction to the Ukraine invasion.

„There are certainly areas where we have been disappointed by both China and India’s decisions, in the context of the invasion,“ the director of the White House National Economic Council, Brian Deese, told reporters at a breakfast Wednesday hosted by the Christian Science Monitor.

The U.S. has told India that the consequences of a „more explicit strategic alignment“ with Moscow would be „significant and long-term,“ he said.)

Tweet - Arnaud Bertrand - Bildquelle: Screenshot-Ausschnitt Twitter

Tweet – Arnaud Bertrand – Bildquelle: Screenshot-Ausschnitt Twitter

Dieser neue Ton ist ein deutlicher Unterschied zu den freundlichen Beziehungen zwischen Indiens Premierminister Narendra Modi und der Trump-Regierung oder sogar zwischen Modi und der Biden-Regierung im letzten Jahr. Erst vor kurzem hatte Biden in einem Telefonat mit Modi deutlich gemacht, dass es gegen Indiens Interessen wäre, seine Ölimporte aus Russland zu erhöhen. Reuters berichtet, dass Biden „Modi sagte, dass Indiens Position in der Welt nicht gestärkt würde, wenn es sich auf russische Energiequellen verlassen würde (told Modi India’s position in the world would not be enhanced by relying on Russian energy sources)“, so US-Beamte.
„Der Präsident hat sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es nicht in ihrem Interesse ist, dies zu tun (The president conveyed very clearly that it is not in their interest to increase that)“, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, auf die Frage nach Indiens Importen von russischem Öl.

Wir können davon ausgehen, dass die US-Regierung immer mehr vorgetäuschte Besorgnis über indische Menschenrechtsverletzungen äußern wird, wenn diese zunehmend unsubtilen Botschaften nicht befolgt werden, und dass bald zerstörerische Akte der Wirtschaftssabotage folgen werden.

Das US-Imperium ist zu Recht besorgt über eine mögliche künftige Abkehr Indiens von der Einflusssphäre Washingtons. Zwar ist es ihm bisher gelungen, Neu-Delhi in seinen großen Schachbrettmanövern gegen China als Waffe einzusetzen, doch wäre es für das Imperium katastrophal, wenn sich die beiden bevölkerungsreichsten Nationen der Welt mit der russischen Nuklearsupermacht in dem entstehenden Block von Nationen zusammenschließen würden, die eine Aufnahme in die zentralisierte Machtstruktur der USA ablehnen.

Aber die Tatsache, dass die USA es als ihre Angelegenheit betrachten, mit welchen ausländischen Nationen sie sich verbünden, offenbart ihre wahre Dynamik auf der Weltbühne und macht die Lippenbekenntnisse, die das Imperium zur Bedeutung der Achtung der nationalen Souveränität in seiner Berichterstattung über die Ukraine abgibt, zum Gespött. Die USA sind das tyrannischste Regime der Welt, das in seinem Bestreben, den gesamten Planeten dauerhaft unter seine Kontrolle zu bringen, jedes Maß an Gewalt, Zwang und Einschüchterung einsetzt, das nötig ist.

Dieses Imperium glaubt wirklich, dass es das Recht hat, die Welt zu beherrschen, und dass keine Nation das Recht hat, sich ihm zu widersetzen. Die Wiederentstehung einer echten multipolaren Welt prallt kopfüber auf eine imperiale Doktrin, die die Sicherung der unipolaren Vorherrschaft um jeden Preis fordert, und es wird sehr schnell sehr hässlich.

Quellen:
US Suddenly Pretends To Care About Rights Abuses In India
U.S. monitoring rise in rights abuses in India, Blinken says
Modi’s India: Fascism, fundamentalism and farce
Blood and Soil in Narendra Modi’s India
Israelizing India: the Hindutva fantasy that is realizing itself
Indian state cracks down on protests against discriminatory citizenship law
Leaked memo schooled Tillerson on human rights
Twitter – Maitreya Bhakal
India to Face Significant Cost If Aligned With Russia, U.S. Says
Twitter – Arnaud Bertrand
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3 Antworten

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  1. 14. April 2022

    […] Wie aus dem Nichts sind die Vereinigten Staaten “plötzlich sehr besorgt”, was Menschenrechtsverletzungen in Indien anbelangt. Just zu dem Zeitpunkt an dem Indien näher an Russland rückt und sich auch auf Öllieferungen außerhalb des US-Dollarsystems geeinigt hat. US-Außenminister Antony Blinken erklärte vor wenigen — Weiterlesen http://www.konjunktion.info/2022/04/indien-wo-kommt-das-ploetzliche-us-interesse-bzgl-menschenrechtsverletz… […]

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