Nach mehreren Tagen Funkstille in der sich die Entscheidung des BVerfG bei mir setzen musste, heute ein erster Artikel zu ESM, Karlsruhe und die daraus abzuleitenden Konsequenzen.
Wie bereits in einigen Artikeln angedeutet und erwartet, hat das Bundesverfassungsgericht – ganz nach Anweisung von oben (Stichwort Benennung der Richter) – sowohl den ESM als auch den Fiskalpakt mit marginalen Anmerkungen durchgewunken. Nun könnte der Eine oder Andere sagen, dass doch die Begrenzung auf die 190 Millarden Euro als Maximalbeitrag Deutschlands zum ESM bzw. die Einbindung des Bundestages bei weiteren Zusagen, einen Gewinn für die Gegner von ESM/Fiskalpakt darstellt. Auf den ersten Blick macht es durchaus den Anschein als hätte Karlsruhe damit den Bundestag und in dessen Folge den Volkeswillen gestärkt. Aber leider wird bereits bei der zweiten Betrachtung die aufgebaute Fassade von Demokratie und Kontrollmöglichkeit durchbrochen.
Begründen kann man dies durch die reine Vertragsregelung des ESM. In Artikel 9 Absatz 3 unterwirft sich das „Mitgliedsland“ des ESM der Verpflichtung innerhalb von 7 Tagen etwaigen neuen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Und da leider EU-Recht deutsches Recht und damit auch das Grundgesetz „schlägt“, hat sich die Begrenzung auf 190 Mrd. € schon erledigt. Zusätzlich findet man unter den Artikeln 9, 10 und 25 Absatz 1c und 2 den Hinweis, dass, falls ein Land nicht (mehr) einzahlen kann, die anderen Länder dessen Anteil übernehmen müssen. Bekanntlicherweise steht Deutschland immer mit 27% in den Büchern, wenn es um die Berechnung des jeweiligen Länderanteils geht. Daraus lassen sich auch die 190 Mrd. € für den ESM ableiten, dessen Stammkapital zu Beginn (!) 700 Mrd. € beträgt (27% von 700Mrd. € = ca. 190 Mrd. €). Da aber sowohl der Kapitalstock mit 700 Mrd. € nicht ausreichen wird, als auch die Anzahl der Einzahler abnehmen wird (man denke nur an Spanien, Italien oder gar Frankreich), kommen auf Deutschland weit mehr als die 190 Mrd. € zu. Eine Bezifferung des Maximalbetrags wäre sicherlich interessant, ist aber derzeit seriös nicht zu beantworten. Und auch hier gilt wieder EU-Recht bricht deutsches Recht und damit hat der Bundestag de facto Null Komma Null Möglichkeiten zu intervenieren. Punkt um!
Man kann es drehen und wenden wie man will: Deutschland hat sich mit dieser Entscheidung am 12. Sptember 2012 um 10 Uhr abgeschafft. War man seit Kriegsende 1945 nicht mehr souverän, so wird Deutschland in den nächsten Jahren innerhalb der EU als politische Institution auf den Rang eines heutigen Bundeslandes zurückfallen. Zwar als größter Beitragszahler, aber mit den geringsten Möglichkeiten ausgestattet seine eigene Politik noch zu verfolgen – schließlich ist Deutschland bzw. sind die Nordstaaten in der Unterzahl bei den in Brüssel zu fällenden Entscheidungen. Rosige Zeiten sehen anders aus…