Jeder Verbraucher hat tagtäglich mit dem Strich-/Barcode auf Lebensmittelverpackungen oder anderen Produkten zu tun. Wenige Konsumenten hinterfragen dabei Sinn und Zweck dieses Codes oder machen sich Gedanken über einen eventuellen Missbrauch dieser Lösung.
Die Nachfolgetechnik Radio Frequency Identification (RFID) dagegen wird von vielen Fachleuten, Verbraucherschützern und staatlichen Stellen kritischer betrachtet.
Anlässlich der EU-Datenschutzempfehlung für RFID-Technologien brachte EU-Kommissarin Vivian Reding diese hinterfragende Anschauung zum Ausdruck:
Wenn es um personenbezogene Daten geht, müssen die europäischen Verbraucher die Gewissheit haben, dass ihre Privatsphäre auch in einem sich veränderten technischen Umfeld geschützt bleibt.
Der Begriff Radio Frequency Identification bezeichnet die kontaktlose Identifikation von Objekten per Funk.
RFID-Systeme nutzen dabei die Möglichkeit der Kommunikation mit Hilfe der beiden Komponenten Transponder und Lesegerät. Dabei werden die auf dem Transponder gespeicherten Daten des Produkts kontaktlos und auf Abruf unter Einsatz einer Empfangsantenne dem Lesegerät übermittelt.
Der Transponder wird in Form eines RFID-Chips, RFID-Tags oder SMART Labels (im Weiteren nur noch als RFID-Chip bezeichnet) aufgebracht und sendet seine Informationen auf unterschiedlichen Frequenzen, je nachdem welche Lesereichweite erzielt werden soll.
Neben dem Lesegerät kann auch ein RFID-Writer als dritte Komponente zum Aufbringen der Daten auf der RFID-Einheit genutzt werden.
Bezogen auf den Einsatz im Einzelhandel besitzen RFID-Transponder mehrere Verwendungsmöglichkeiten. Der RFID-Chip kann beispielsweise auf dem Produkt selbst (Kleidungsstück, Lebensmittelprodukt) oder auf den Transportpaletten innerhalb der Logistikkette im Einzelhandel verwendet werden. Die Leseeinheiten wiederum können an den Kassen und im Lagerbereich aufgebaut sein.
Beim vorgestellten Aufbau ist eine zusätzliche Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Systemen notwendig.
Bei der aktiven Methode sind die RFID-Chip mit einer eigenen Sendeeinheit und einer eigenen Stromversorgung ausgestattet. Ihre Reichweite kann dabei zwischen 20 und 100 Metern liegen. Sie finden ihre Verwendung in der oben genannten Transportkette. Da ihr Anschaffungspreis mit 10-50 US-Dollar je Stück sehr hoch ist, ist ein Aufbringen auf einzelnen Produkten nicht wirtschaftlich und erfolgt eher auf hochpreisigen Gütern.
Im Gegensatz dazu stehen die passiven Systeme. Hier nutzen die RFID-Chips die Energie aus dem elektromagnetischen Frequenzfeld des Lesegeräts und reflektieren ihre Daten zurück. Aufgrund der geringen Reichweite (bis 1 ½ Meter) und der sehr geringen Anschaffungskosten (ca. 6 Cent), finden die passiven Systeme ihren Einsatz im Einzelhandel bei der Produktidentifizierung und –auszeichnung.
RFID-Systeme bestehen aus den drei Komponenten: Transponder, RFID-Leseeinheit und der datensammelnden Softwareanwendung (Middleware).
Der Transponder als eigentlicher Datenträger (z.B. mit Informationen zu Identifikationsnummer, Preis, Artikelart) setzt sich aus einem Koppelelement und einem elektronischen Mikrochip zusammen, der auf dem Produkt (Kleidungsstück, Lebensmittelverpackung usw.) aufgebracht ist. Eine Unterscheidung erfolgt bei der Kopplungseinheit, die zum einen als Spule und zum anderen als Antenne vorliegen kann.
Die RFID-Leseeinheit (teilweise werden auch Kombinationen aus Lese- und Schreibgerät eingesetzt) ist über eine serielle Schnittstelle oder Netzwerkverbindung mit einem Rechner verbunden. Sie versendet die von der Middleware empfangenen Kommandos und versorgt bei passiven Systemen die Transponder über ein elektronisches Wechselfeld mit Energie. Erst durch das Sendesignal und die Energiebereitstellung bei passiven Lösungen durch die Leseeinheit wird der Transponder aktiviert.
Als Schnittstelle zwischen der Lesegerät und dem eigentlichen Warenwirtschaftssystem (ERP-Anwendung) des Einzelhändlers nimmt die datensammelnde Sofwareapplikation, die sog. Middleware, einen besondere Rolle ein. Sie empfängt die Rohdaten des Lesers, filtert die aufgenommenen Daten und leitet sie an die angehängte ERP-Software weiter. Des Weiteren ist sie zuständig für die Verwaltung der Lesemodule und übernimmt einen Teil der Business-Logik wie Lieferbestätigungen oder Empfangsquittungen für den Händler.
Diese vorgestellten Komponenten ermöglichen je nach ihren Leistungsmerkmalen eine Klassifizierung von RFID-Systemen.
Die RFID-Lösungen können in drei unterschiedliche Klassen der Leistungsfähigkeit eingeteilt werden. Ausschlaggebend für die Einordnung sind dabei die verwendeten Hardware-Bauteile und die implementierten Softwareanwendungen.
Man differenziert dabei Low-End-Systeme, Systeme mittlerer Leistungsfähigkeit und High-End-Systeme.
Low-End-Systeme sind aufgrund ihrer geringen Kosten die interessantesten Systeme im Einzelhandelsbereich und können auf Etiketten aufgebracht oder zur Diebstahlsicherung verwendet werden. Die nicht-wiederbeschreibbaren Lösungen zeigen einem Lesegerät nur auf, dass sich ein Transponder innerhalb ihres Feldes bewegt und besitzen keine integrierte Schaltungen.
Im Gegensatz dazu stehen die mit einem wiederbeschreibbaren Datenspeicher (EEPROM- oder SRAM-Speicher) ausgestatteten Systeme mittlerer Leistungsfähigkeit. Sie können mit einem Zustandsautomaten oder einem Mikrocomputer versehen sein und sind mit einem Authentifizierungs- oder einer Kryptofunktion gegen Datenmissbrauch geschützt. Ihr Einsatzgebiet liegt beim Einzelhandel im Bereich der Transportlogistik und Lagerhaltung.
Komplexere Anwendungen wie Bezahlfunktionen oder Zutrittskontrollen für Lager- und Mitarbeiterbereiche können im Einzelhandel mit Hilfe kontaktloser Chipkarten realisiert werden. Sie zählen damit zu den High-End-Systemen, die ebenfalls über einen eigenen Mikroprozessor verfügen und zusätzlich ihr eigenes Betriebssystem mitbringen. Eine Authentifizierung und Verschlüsselung wird über komplizierte Algorithmen abgebildet.
RFID-Systeme können daneben auch nach Reichweite oder über das Auto-ID-Center unterschieden werden.
Den RFID-Systemen stehen unterschiedliche Frequenznutzungsbereiche zur Verfügung. Abhängig von der Art der Anwendung, die die Lösung implementieren soll, müssen unterschiedliche Frequenzen genutzt werden. Die verschiedenen Frequenzen bringen voneinander abweichende Lesereichweiten und – geschwindigkeiten, sowie einen differierenden Energiebedarf (vgl. auch aktive und passive Transponder ) mit sich.
Nachstehende Abbildung zeigt die einzelnen Frequenzbänder:
Das Ultrahoch-Frequenzband von 868 bis 915 MHz wird beispielsweise im Einzelhandel zur Palettenidentifikation, Lagerhaltung und Warenverfolgung/-identifizierung eingesetzt. Daneben wird auch das Hoch-Frequenzband mit 13,56 MHz genutzt. Anwendung findet dieses Band bei den Etikettierung der einzelnen Waren, da es ideal zur Nutzung auf kurzen Distanzen (1 bis 1 ½ Meter) ist.
Alle Produkte des täglichen „Einkauf-“Lebens und somit auch die Nahrungsmittelartikel sind heute mindestens mit dem sogenannten Bar- oder Strichcode ausgestattet. Dieser erleichtert vor allem eine schnellere Erfassung aller Waren an der Kasse und damit eine effizientere Abwicklung des Einkaufs.
RFID-Chips können als zweite Version dieser Barcodes betrachtet werden. Durch die aufgebrachten Daten auf dem Transponder können sie die gleichen Angaben (Artikelnummer, Preis o.ä.) transportieren und zusätzliche Funktionen übernehmen. Im Nachfolgenden möchte der Autor daher auf die Vorteile und Gefahren der RFID-Technik für den Verbraucher eingehen, die diese erweiterten Möglichkeiten mit sich bringen.
Die RFID-Technik im Einzelhandel wird Rationalisierungseffekte wie etwa den Wegfall der Bestandszählung bei Produkteingang oder –ausgang mit sich bringen. Dies bedeutet zum einen eine effizientere Verwaltung des Wareneingangs durch den RFID- und den damit verbundenen IT-Einsatz, sowie eine schnellere Abwicklung des Warenumschlags, aber gleichzeitig einen Stellenabbau im Lagerbereich des Einzelhandels. Gerade die Arbeitsplatzverluste aufgrund der erhöhten Verwendung von Technik und IT, ist im Allgemeinen als ein schwerwiegendes Problem zu nennen.
Neben dem kurz angerissenen Vorteil der Rationalisierung für den Handel bzw. Nachteil des Arbeitsplatzabbaus, ergeben sich für den Kunden weitere positive Aspekte.
Beim Einkauf der Lebensmittelprodukte, die alle mit einem RFID-Chip versehen sind, kann der Kunde seine Ware durch ein an der Kasse aufgebautes Lesegerät schieben. Bei Verwendung von Anti-Kollisionserkennungsmechanismen müssen selbst die Artikel nicht mehr auf das Kassenband gelegt werden. Der schnellere Kassiervorgang kann mit Hilfe von Kartenzahlungen noch effizienter gestaltet werden, so dass Kassen theoretisch ohne Personal geführt werden können. Durch die „mitarbeiterlose Kasse“ könnten auch arbeitsrechtliche Regelungen (Pausen, Schichtbetrieb usw.) entzerrt werden und die Supermärkte durch den verringerten Personalbedarf längere Öffnungszeiten anbieten.
Ein weiterer Vorteil für den Kunden kann daraus entstehen, dass die Anzahl von Ladendiebstählen zurückgeht und dass der sogenannte Erstattungsbetrug aufgrund der RFID-Chips abnimmt. Die RFID-Technik ermöglicht einen Nachweis des Kaufs und der Bezahlung des Artikels. Der Einzelhandel kann dadurch die Opportunitätskosten aufgrund von Diebstahl vom Produkt nehmen und die Ware billiger anbieten. Jedoch darf bezweifelt werden, dass der Handel diese Einsparungen weitergibt – vielmehr wird die Gewinnspanne erhöht werden.
Eine geschlossene Liefer- und Kühlkette kann ebenfalls als Vorteil für den Kunden bei RFID-Etiketten genannt werden. Als Beispiel sei hier die europaweite, undurchsichtige Verkettung von Fleischlieferanten erwähnt, die eine Aufklärung der bekannten Ekelfleischskandale erschwert. Mit Hilfe des RFID-Einsatzes kann diese Lieferantenkette nachweisbar überwacht werden und somit eine bessere Lebensmittelkontrolle erfolgen, die wiederum dem Verbraucher zugute kommt.
Neben diesen drei vorgestellten Vorteilen gibt es noch weitere Vorzüge für den Verbraucher bei Verwendung der RFID-Technologie. Ein Einkaufswagen, der alle Produkte bereits vorab zusammenrechnet und dadurch den Kunden einen Gesamtüberblick über seinen Einkauf ermöglicht oder Artikelregale, die immer den eigenen Warenbestand ans Lager senden und somit eine automatisches Befüllen anstossen, sind weitere positive Nutzungsarten.
Jedoch dürfen in diesem Zusammenhang die Risiken nicht außer Acht gelassen werden, die beim Einsatz von RFID-Chips auftreten können.
Die größte Gefahr für den Verbraucher ist zweifellos, dass durch die RFID-Technik der gläserne Kunde entstehen kann.
Nimmt man die drei aufgeführten Vorteile für den Kunden heran und betrachtet sie aus diesem Blickwinkel, ergeben sich nicht zu vernachlässigende Problemfelder.
Automatisierte Kassen, verbunden mit Kartenzahlungen, ermöglichen die Erstellung von Kundenprofilen. Der Einzelhändler weiß beispielsweise genau, welcher Kunde welche Produkte bevorzugt und kann diese Informationen gezielt zur Eigenwerbung verwenden oder an interessierte Dritte weitergeben/verkaufen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Missbrauch dieser Daten erfolgt, ist als sehr hoch zu beziffern. Als Beispiel ist hier nur der Verkauf von Adressdaten aus dem Internet zu nennen. Es bleibt auch die Frage zu beantworten, ob das Konsum- und Essverhalten des Verbrauchers nicht auch Begehrlichkeiten bei seiner Krankenkasse oder bei seinem Lebensversicherer weckt.
Die Nutzung der RFID-Technologie als Abwehrmittel gegen Ladendiebstähle ist schwer entkräftbar, kann dadurch doch der „Schwund“-Aufpreis entfallen und die Ware billiger werden. Jedoch können sich beim Versuch Waren umzutauschen neue Probleme ergeben. Durch die RFID-Chips soll der Betrugsumtausch eingedämmt werden, da nachweisbar wird wo der Kunde wann das Produkt gekauft hat. Die derzeit genutzte Technik gegen Diebstahl mit elektronischen Tags an Kleidungsstücken zeigt wie fehlerhaft dieser Diebstahlschutz funktioniert. Viele der Tags werden nicht richtig entwertet oder sind schadhaft angebracht und genauso kann es sich bei den RFID-Chips darstellen. Artikel, die vom Kunden weder gestohlen noch durch das Verkaufspersonal/RFID-Lesegerät richtig entwertet wurden, stellen plötzlich ein Problem dar. Der Kunde, der die Produkte rechtmäßig erworben hat, muss nachweisen, dass er genau dieses getan hat. Was für den einzelnen Verbraucher schwierig zu bewerkstelligen sein dürfte. Ein an sich positiver Aspekt kann sich im Einzelfall zum genauen Gegenteil entwickeln.
Bei der Lieferanten- und Kühlkette, die durch RFID-Chips nachweisbar sein soll, kann es zu Manipulationen kommen. Die RFID-Transponder werden in der Regel an den Transportpaletten angebracht und können ausgetauscht oder überschrieben werden. Da in diesem Bereich vornehmlich die höherwertigen RFID-Systeme mittlerer Leistungsfähigkeit – aufgrund Reichweite und der eigenen Energieversorgung – eingesetzt werden, kann auch der Datensatz auf den Transpondern verändert werden. Die Gefahr für den Kunden ergibt sich daraus, dass er sich auf diese geschlossenen Ketten verlässt, jedoch selbst nicht überprüfen kann, ob ein Manipulationsversuch unternommen wurde. Der positive Aspekt der Nachweisbarkeit, der für den Endverbraucher entsteht, kann das genaue Gegenteil bewirken. Er verlässt sich hundertprozentig darauf und ist trotzdem einer Täuschung erlegen.
Wie auch bei den Vorteilen kann diese Hausarbeit nur wenige Gefahren für den Kunden aufzeigen. Der nachfolgende Abschnitt Daten-/Verbraucherschutz und Privatsphäre geht jedoch auf weitere Punkte ein, die als grundlegend zu betrachten sind.
Der eingetragene Verein FoeBuD beschäftigt sich kritisch mit der RFID-Technik.
Unter anderem werden mögliche Risiken bei einer breiten Einführung von RFID für den Verbraucher und Kunden beleuchtet:
Die kurz vorgestellten Problemfelder sind nur ein kleiner Ausschnitt an Gefahren, die durch die Nutzung der RFID-Technologie für Daten-/Verbraucherschutz, Sicherheit und Privatsphäre entstehen.
Für viele dürfte der Gedanke an einen gläsernen Kunden beängstigend sein. Viele andere sind sich aber des Risikos nicht bewusst und geben bereitwillig über Kundenkarten ihr Einkaufsverhalten preis.
Besonders die Möglichkeiten der weltweit eindeutigen Identifikation von Objekten, die massenhafte Zusammenführung von Daten, das versteckte Anbringen von Lesegeräten oder die Personenverfolgung und Erstellung von Profilen ist eine ernst zu nehmende Bedrohung für den einzelnen Kunden und damit Bürger. Natürlich ergeben sich auch akzeptable Gebrauchsmöglichkeiten für RFID-Chips. Diese liegen jedoch vermehrt im Bereich der Logistik der Waren und nicht beim Konsumenten an sich.
Das Thema RFID bringt einige Vorteile für den Endverbraucher mit sich. Jedoch ist das Missbrauchspotential meiner Meinung nach schwerer zu gewichten, als die positiven Aspekte der RFID-Technologie.
Der Schutz vor Datenmissbrauch, ein verbesserter Verbraucher- und Datenschutz und die Sorge um die eigene Privatsphäre verlangen eine bessere Gesetzesgrundlage zum Thema RFID. Hier muss der Gesetzgeber aktiv auf diese Neuerungen einwirken und schon im Vorfeld bestimmte Möglichkeiten verbieten. Leider ist zu befürchten, dass die Lobbyarbeit des Handels in diesem Bereich besser funktionieren wird als die Arbeit einiger weniger, die die Gefahren offen aussprechen.
Die vorgestellten RFID-Lösungen existieren bereits und deren verstärkte Nutzung im Handel ist nur noch eine Frage der Zeit. Deswegen ist es umso wichtiger, dass man sich kritisch und hinterfragend mit diesem Thema beschäftigt. Die Gefahr des Missbrauchs ist in meinen Augen als sehr hoch zu bewerten. Zu signifikant für die dafür erkauften positiven Effekte und Verbesserungen. In Zeiten der Datenbevorratung, Überwachungskameras usw. muss sich der einzelne immer mehr bewusst werden, dass er ein Stück seiner individuellen Freiheit durch die Nutzung neuester Technologien verliert.
Quellen: