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Bundestagswahl: Indien ist in seinem Wahlrecht schon weiterLesezeit: 4 Minuten

17,6 Millionen Wähler haben bei der letzten Showveranstaltung namens Bundestagswahl ihre Stimme nicht abgegeben. Ein Großteil davon sicherlich deswegen, weil sie sich in den etablierten Parteien nicht ausreichend vertreten und repräsentiert fühlen bzw. mit der Politik der Parteien nicht einverstanden ist. Wohl der geringere Teil dürfte darauf zurück zu führen sein, dass keinerlei Interesse an der Wahl bestand.

Emblem von Indien

Emblem von Indien – Bildquelle: Wikipedia / Indian Government

Während in Deutschland die Nichtwähler nur als Randnotiz in versteckter Form durch die Bekanntgabe der Wahlbeteiligung erwähnt werden, hat sich Indien als weltweit größte Demokratie dazu entschlossen, zukünftig bei Wahlen dem Wähler die Möglichkeit zu geben alle aufgeführten Kandidaten auf der Wahlliste abzulehnen.

Das höchste indische Gericht hat dazu am gestrigen Freitag ein Urteil erlassen, dass das Wahlrecht so zu ändern ist, dass zukünftig eine Wahloption „None of the Above (NOTA)“ auf dem Wahlzettel zu finden ist. Damit ist Indien Deutschland in Sachen demokratischeres Wahlrecht nicht nur um Längen, sondern eher um Kilometer voraus.

Als Begründung dafür gab das indische Gericht an, dass in einer parlamentarischen Demokratie das Recht auf eine „Nichtwahl“ – also die Ablehnung aller Parteien/Personen auf der Wahlliste – als eine Ausdrucksform der Redefreiheit zu werten ist und dass dieses „Nichtwahl“-Recht genauso anerkannt werden muss wie das Recht zu Wählen. Damit wies das indische Gericht die bisherige Praxis und Ansicht der Regierung zurück, dass die Ablehnung aller Kandidaten genauso zu werten ist als wäre der Wähler nicht zur Wahl erschienen.

Welche Auswirkungen eine solche Änderung des Wahlrechts – das sehr viele Kritiker auch für Deutschland einfordern – haben würde, lässt sich leicht anhand der letzten Bundestagswahl aufzeigen:

Bundestagswahl 2013

Bundestagswahl 2013 – Bildquelle: www.konjunktion.info

Wir sehen, dass mit 28,5% (17,6 Mio. Stimmen) die Nichtwähler die zweitgrößte Fraktion nach der CDUCSU bilden. Nun mag der Eine oder Andere sagen, dass das doch letztendlich egal sei, weil die Nichtwähler eh parlamentarisch nicht vertreten sind. Aber dabei werden zwei entscheidende Punkte nicht berücksichtigt:

  1. Die Anzahl der VolksverTRETER würde sich um 54 Stück reduzieren (Überhangsmandate bleiben in dieser Rechnung unberücksichtigt). Damit würden dem Steuerzahler jedes Jahr Kosten in Millionenhöhe erspart werden, da neben den direkten Diäten (zur Zeit 8.252€ p.M.) auch Kosten für Büroausstattung, Reisekosten, Kostenpauschale (4.123€ p.M.), Sachleistungskosten (12.000€ p.a.), Mitarbeiterpauschale (15.800€ p.M.), Übergangsgeld (gesamt bis zu 148.500€ möglich) und Versorgungskosten (5.570€ p.M.) vom Steuerzahler berappt werden.
  2. Wichtiger ist jedoch, dass bei einer Berücksichtigung der Nichtwähler keinerlei Grundgesetzänderungen mehr möglich sind. Denn für Änderungen wird eine qualifizierte Zweidrittelmehrheit benötigt. Selbst wenn sich alle im Bundestag befindlichen Parteien zusammen tun würden, hätten sie nur 60,2% der Stimmen hinter sich vereint – was ja auch der Realität der abgegebenen Stimmen entspricht. Die restlichen 39,8% stellen die Nichtwähler und die Wähler, der an der – ebenfalls zwingend zu überdenkenden – 5%-Hürde gescheiterten Parteien.

Und genau an diesen beiden Punkten würde eine Umsetzung – analog zu Indien – in der Bananenrepublik Deutschland immer scheitern:

  • Es würden die eigenen Pfründe der Politdarsteller beschnitten.
  • Man müsste wieder eine Politik machen, die eine Mehrheit der Menschen gut heißt.
  • Man müsste sich wieder mit Themen auseinandersetzen, die den Großteil der Menschen bewegt.
  • Man könnte nicht mehr schalten und walten, wie man wollte. ESMs und Fiskalpakte wären nicht mehr realisierbar.
  • Es würde klar zum Ausdruck gebracht werden, dass die Menschen mit der Politik der Berliner Räterepublik nicht zufrieden sind.
  • Der eigene Stellenwert würde auf ein realistisches Maß zurecht gestutzt werden.
  • Und man würde den Wähler wieder respektieren und auf den eigentlichen Souverän „hören“ müssen.

Deswegen wird es in und für Deutschland ein Wunschtraum bleiben, dass auch hier einmal auf dem Stimmzettel irgendwann „Keiner der oben erwähnten“ steht. Demokratie in Deutschland? Nur wenn es den Machteliten nutzt. Indien als Vorbild demokratischer Wahlen? Nicht, wenn es den Machteliten nicht nutzt.

Quellen:
Supreme Court bats for right to cast reject vote
Vorläufiges amtliches Ergebnis der Bundestagswahl 2013
Die Finanzierung der Bundestagsabgeordneten
Wikipedia – Qualifizierte Zweidrittelmehrheit

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