Große Koalition: Die Medien und die fabrizierte ZustimmungLesezeit: 7 Minuten
Aus allen Rohren werden seit Bekanntgabe der Einigung zu einer großen Koalition die SPD-Mitglieder auf das abzugebende Votum eingestimmt. So auch das immer noch in Deutschland wichtige Kontrollorgan der Tagesschau, die in ihrem Bericht aus Berlin per Umfrage festgestellt hat:
Die SPD-Wähler wollen ein „Ja“
Eine Mehrheit der Deutschen will, dass die SPD-Basis dem von Union und Sozialdemokraten ausgehandelten Koalitionsvertrag zustimmt. In einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap für den Bericht aus Berlin sprachen sich 66 Prozent der Befragten dafür aus, nur 22 Prozent sind der Meinung, die SPD sollte den Vertrag nicht unterschreiben.
Unter den SPD-Anhängern ist die Zustimmung noch deutlicher: Hier sprechen sich 75 Prozent für ein „Ja“ zu dem Vertrag aus, 18 Prozent für ein „Nein“. Tatsächlich darüber entscheiden können aber nur die SPD-Anhänger, die Mitglied der Partei sind – und das sind 474.820.
Damit geben die ARD und die anderen Lei(d)tmedien – wie auch bei der Bundestagswahl im Falle der AfD – die Linie vor. Konnte man durch zu niedrige Zustimmungsraten zur AfD diese unter 5% halten (Stichwort: Verschenkte Stimmen), werden der SPD-Basis mit den „repräsentativen Ergebnissen“ der Umfrage zwei Dinge eingetrichtert:
1. Die Mehrheit der Bevölkerung will eine GroKo – also beuge ich mich als guter Demokrat und SPD-Mitglied diesem Wunsch und stelle meine Bedenken hinten an:
2. Innerhalb der SPD-Basis ist die Zustimmung bei 3/4 aller Mitglieder zu finden. Da muss und kann ich als Zweifler und Gegner einer GroKo wohl nur falsch liegen. Schließlich irrt die Masse nie:
Wie man anhand der Kommentare auf der Umfrageseite der ARD feststellen kann, zweifeln sehr viele Leser die Ergebnisse an. Meiner Meinung nach berechtigterweise, da man den Eindruck gewinnen muss, dass sich hier die ARD politisch vor den Karren spannen lässt, um dem gewünschten Ziel einer GroKo näher zu kommen.
Walter Lippmann hatte bereits 1922 in seinem Buch Public Opinion dieses Phänomen des Vorgebens einer politischen, gesellschaftlichen Meinung oder Richtung als „The Manufacture of Consent (Das Herstellen von Zustimmung)„ betitelt:
That the manufacture of consent is capable of great refinements no one, I think, denies. The process by which public opinions arise is certainly no less intricate than it has appeared in these pages, and the opportunities for manipulation open to anyone who understands the process are plain enough…
[a]s a result of psychological research, coupled with the modern means of communication, the practice of democracy has turned a corner. A revolution is taking place, infinitely more significant than any shifting of economic power…Under the impact of propaganda, not necessarily in the sinister meaning of the word alone, the old constants of our thinking have become variables. It is no longer possible, for example, to believe in the original dogma of democracy; that the knowledge needed for the management of human affairs comes up spontaneously from the human heart. Where we act on that theory we expose ourselves to self-deception, and to forms of persuasion that we cannot verify. It has been demonstrated that we cannot rely upon intuition, conscience, or the accidents of casual opinion if we are to deal with the world beyond our reach.
(Dass das Herstellen von Zustimmung in der Lage ist große Veränderungen zu bewirken, wird niemand, denke ich, verneinen. Der Prozess bei dem öffentliche Meinungen entstehen, ist sicherlich nicht weniger schwierig als es auf diesen Seiten aufgezeigt wurde, und die Möglichkeiten zur Manipulation sind für diejenigen, die diesen Prozess verstehen, offensichtlich…
als Resultat der psychologischen Forschung, verbunden mit der heutigen Bedeutung der Kommunikation, hat die Umsetzung der Demokratie einen neue Richtung eingeschlagen. Eine Revolution findet statt, unendlich wichtiger als jede Verschiebung wirtschaftlicher Macht…
Unter dem Einfluss der Propaganda, nicht zwingend in der unheimlichen Bedeutung des Wortes allein, sind die alten Konstanten unseres Denkens zu Variablen geworden. Es ist nicht mehr länger möglich zum Beispiel an die ursprüngliche Lehre der Demokratie zu glauben; dass das benötigte Wissen zur Steuerung der menschlichen Angelegenheiten spontan durch unser Herz erfolgt. Wo wir dieser Theorie folgen, geben wir uns dem Selbstbetrug Preis, und Überzeugungsformen, die wir nicht überprüfen können. Es hat sich gezeigt, dass wir uns nicht auf Intuition, Gewissen oder den Fehler gewöhnlicher Meinungen verlassen können, wenn wir mit der Welt außerhalb unseres Bereichs kommunizieren.)
Zusammenfassend geht es für Lippmann darum, dass den Leuten die Welt vereinfacht, komprimiert und leicht verständlich durch „gut informierte Eliten“ erklärt wird. Was natürlich auch die Steuerung in bestimmte Richtungen ermöglicht, wenn man vorhandene Gegebenheiten als determiniert (SPD-Basis wird überwältigend zustimmen) betrachtet.
Edward Herman und Noam Chomsky haben 1988 die von Lippmann entwickelten Gedanken, um fünf sogenannte Filter erweitert, die die heutigen Massenmedien einsetzen, um Nachrichten erst zu Nachrichten werden zu lassen. D.h. Filter die die Informationen positiv durchlaufen müssen, bevor sie dem Endkonsumenten als Nachricht vorgestellt werden – alles was im Filter hängen bleibt wird quasi dem Konsumenten vorenthalten, da die Medien ansonsten Gefahr laufen nicht mehr von den ReGIERungen usw. mit relevanten Informationen beliefert zu werden und somit ihre Existenz in Gefahr geraten kann:
- Filter: Größe, Eigentümer und Profitorientierung – Inwieweit stoßen Interessen zwischen den Eigentümern, der eigenen Profitorientierung und dem Inhalt der Nachrichten aufeinander? Nur eine bestimmte Größe des Unternehmens ermöglicht ein „Überleben“, so dass externe Investoren nötig sind, deren Interessen wiederum bei der Berichterstattung zu berücksichtigen sind.
- Filter: Die „Lizenz der Werbetreibenden“ Nachrichten zu machen – Der Großteil der heutigen Einnahmen generieren die Massenmedien durch Werbeeinnahmen. Damit werden die Werbetreibenden zu indirekten Kontrollinstanzen. Die Meinungen, Wünsche und das dahinterliegende Werbebudget der Werbetreibenden geben die Berichterstattung in den Massenmedien vor. Die Hand, die mich füttert, beiße ich nicht.
- Filter: Finanzierung der Nachrichten der Massenmedien – Jede Information, ihre Aufbereitung und Vermittlung hat ihren Preis. Kosten, die durch gewachsene Strukturen zwischen Massenmedien und z.B. ReGIERungen als untereinander verlässliche Partner gering gehalten werden können. Damit schafft man neben günstigen Preisen für die Nachrichten auch priviligierten Zugang zu den Informationshütern, den andere alternative Medien hart erkämpfen müssen. Auch hier gilt: Die Hand…
- Filter: „Scharfe Kritik“ und Vollstrecker – „Scharfe Kritik (im englischen Original Flak)“ bezieht sich auf negative Reaktionen (Leserbriefe, Klagen usw.) auf Berichte oder Programme. Die Folgen daraus können für das Medienunternehmen erheblich und teuer sein. Sei es der Verlust von Werbetreibenden oder die Kosten für Anwälte. Deswegen vermeiden die Massenmedien jedwede Konfrontation mit Gruppierungen, die mit „scharfer Kritik“ und als Art Vollstrecker agieren könnten. Bestimmte Themen bleiben daher unbehandelt oder werden konform zu den Gruppierungen aufbereitet.
- Filter: Anti-Kommunismus / später „Kampf gegen den Terror“ – Ursprünglich 1988 in der ersten Fassung des Buches aufgenommen (also vor dem Fall des Ostblocks), wurde es inzwischen von dem Block „Kampf gegen den Terror“ abgelöst, um einen großtmöglichen sozialen Kontrollmechanismus zu schaffen. Stichwort: Lebet in Angst und fürchtet euch. Und akzeptiert alle Einschränkungen und Beschneidungen der persönlichen Freiheiten, um dem (selbst inszenierten) Kampf gegen den Terror begegnen zu können.
Sowohl Lippmann als auch Herman/Chomsky zeigen auf, dass unsere Medienlandschaft nicht von Wahrheitsfindung, ehrlicher Berichterstattung und Unabhängigkeit getrieben ist, sondern einer Selbtzensur unterliegt. Besonders solche Umfragen wie die der ARD sind ein probates Mittel den Eliten in die Karten zu spielen. Niemand kennt den Befragtenkreis, niemand kann deren Antworten nachvollziehen und doch werden die Ergebnisse daraus als 1:1 übertragbar auf das gewünschte Endergebnis bewertet. Es wird sich zeigen, ob diese Masche bei den SPD-Mitgliedern erneut ziehen wird oder ob sie sich der offensichtlichen Manipulation bewusst sind. Ich wage es zu bezweifeln.
Quellen:
Umfrage zur SPD-Abstimmung über Koalitionsvertrag – Die SPD-Wähler wollen ein „Ja“
Wikipedia – Public Opinion (book)
Wikipedia – Manufacturing Consent: The Political Economy of the Mass Media
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