Systemzusammenbruch: Wie die Ukraine das Machtsystem des Westens zu Fall bringen kann

Es gibt viele verschiedene Theorien darüber, was genau den Zusammenbruch der Sowjetunion verursachte. Manche sagen, dass Ronald Reagans Star Wars-Programm, aufgrund der Überdehnung der finanziellen sowjetischen Gelder, der auslösende Grund war. Andere wiederum sehen Afghanistan oder die polnische Gewerkschaft Solidarnosc als Momentum an. Weitere populäre Theorien, die den Kollaps der UdSSR beleuchten, nennen den Einbruch des Ölpreises, die Unfähigkeit Gegenstände des täglichen Lebens zu produzieren, der Wunsch vieler Sowjets nach westlichen Gütern und Einkommmen, nationale und ethnische Probleme, Mikhail Gorbatschow und andere Gründe als Ursache. Während all diese Faktoren das Sowjetsystem schwächten, brachten sie es doch nicht zum Zusammenbruch – auch eine Kombination daraus nicht. Die Ursache liegt ganz woanders: In der kompletten Scheinheiligkeit des Systems, der Kader und der Politik der UdSSR.

Betrachtet man die Geschichte der Sowjetunion hat dieses Staatengebilde viel schwerere Zeiten durch- und überlebt als in den 1980ern. Die Phase zwischen 1917 und 1946 war wirtschaftlich, politisch oder gesellschaftlich viel schwieriger als die Zeit während Breschnevs „Stagnation“ oder die danach folgende Zeit. Die Sowjetunion ging daran nicht zu Grunde, sondern konnte sogar militärische (Sieg über Deutschland), politische (Abwenden eines Angriffs durch die USA) oder Forschungserfolge (erster Mensch im All, erster Satellit) feiern. Die Sowjetarmee wuchs in dieser „Schwächeperiode“ gar zur größten konventionellen Streitkraft der Welt heran und generierte damit einen ökonomischen Aufschwung. Egal wie man es bewerten mag, die UdSSR war während einer langen Periode eine ernst zu nehmende Supermacht.

Aber dann ging irgend etwas schief.

Mit Nikita Chruschtschow, der im übrigen die Krim an die Ukraine verschenkte, fand so etwas wie eine Wende statt. Chruschtschow hasste seinen Vorgänger Stalin und dessen Politik und versuchte alles was an Stalin in der UdSSR erinnerte auszumerzen. Unter anderem arbeitete er mit den Trotzkisten zusammen, was den Beginn der oben erwähnten Scheinheiligkeit des Systems und der Politik einläutete. Ab diesem Zeitpunkt galt es nur noch die eigene Macht zu bewahren – koste es was es wolle.

Die stetige Aushöhlung der Glaubwürdigkeit des Sowjetsystems bei den eigenen Bürgern hatte in der Amtszeit Breschnevs ein Maximum erreicht. In den 1980ern war es quasi omnipräsent in allen gesellschaftlichen Schichten, von der niedrigsten bis zur höchsten Stufe, bis hin zu den Top-Parteigängern. Dies ist wohl auch der Grund dafür, dass 1991 und 1993 niemand in der Bevölkerung das bestehende System verteidigte. Auch weil die Menschen wussten, dass das Sowjetsystem auf einer großen Lüge beruhte, gepaart mit enormer Scheinheiligkeit.

Jelzin als Nutznießer des Umschwungs in der UdSSR/Russland konnte und wollte diese Entwicklung nicht aufhalten. Ganz im Gegenteil. Er zog millionenfachen Nutzen aus dem Verkauf russischer Firmen, Ressoursen usw.. Erst Putin gelang es das geschwächte Russland wieder mit für die Bevölkerung wichtigen Idealen und Werten neu aufzubauen.

USA - RusslandUSA - Russland

USA – Russland – Bildquelle: www.konjunktion.info

Doch was hat diese lange Einleitung nun mit dem Westen und der Ukraine zu tun?

Eigentlich ganz einfach. Der Westen, angeführt von inkompetenten und schlecht ausgebildeten Politdarstellern, glaubte, dass Russland wegschauen und eine rechte Regierung in Kiew akzeptieren würde. Und als Moskau das ablehnte und seine eigene Politik dazu betrieb, verschärfte der Westen seine Fehleinschätzung dadurch, dass er seine Rhethorik dramatisch zuspitzte und Tatsachen ins Gegenteil verklärte.

Für den Westen ist eine rechte Gruppierung, die die Staatsgewalt an sich reisst, trotz einer anderslautenden Vereinbarung mit Yanukowitsch 24 Stunden zuvor, eine „legitime Regierung der Ukraine“. Die „Übergangsregierung“ besteht aus Demokraten und Freiheitskämpfern, während die Menschen in der Ostukraine entweder Extremisten oder russische Spione sind. Wenn die Westukraine durch rechte Gruppierungen in einer Kampagne aus Terror, Mord und Raub versinkt, dann ist das ein Ausdruck von Demokratie. Wenn die Menschen in der Ostukraine ein Gebäude des ukrainischen Geheimdienstes besetzen, ist es Terrorismus. Als Janukowitsch sich den Demonstranten gegenüber sah, wurde er von den USA aufgefordert keinerlei Gewalt anzuwenden, nicht einmal bewaffnete Polizisten sollten eingesetzt werden. Als das neue Regime in Kiew mit Protesten im Osten zu tun hatte, wurden Panzer, Artillerie und Kampfflugzeuge eingesetzt – ohne dass der Westen etwas dagegen hatte. Man könnte die Beispiele problemlos weiterführen, die zeigen, dass der Westen heute weiß als schwarz bezeichnet, 2+2=3 ist oder die Erde heute rund, aber morgen flach ist. Je nachdem wie man es eben gerade braucht. Letztendlich macht der Westen genau das, was Chruschtschow in der UdSSR gemacht hat: Er zeigt den eigenen Bevölkerungen, dass sie an nichts mehr glauben und für nichts stehen außer für die Bewahrung ihrer eigenen Macht.

Wohl gemerkt sind damit nicht die Menschen im Westen gemeint, sondern deren „Führungseliten“!

Der Widerwille vieler Menschen im Westen am bestehenden politischen System – oder besser Schauspiel – nimmt rasant zu. Auch wenn sich viele hilflos fühlen und glauben nichts daran ändern zu können. Auch wenn sie den Frieden wählen und Krieg bekommmen. Auch wenn sie für weniger Steuern ihr Kreuz setzen und danach doch mehr Abgaben zu leisten haben. Auch wenn sie sich für mehr Bürgerrechte aussprechen und immer weniger davon behalten dürfen. Es gibt da draussen eine ganze Generation an Amerikanern und Europäern, die desillusioniert ist und den gleichen Ekel vor der eigenen „Führung“ verspürt wie es die Sowjets in den 1970 und 1980ern mit ihren Kadern taten.

Interessanterweise gibt es in den USA eine starke Anti-Regime-Bewegung amerikanischer Patrioten. Eine Bewegung, die genau unterscheidet zwischen einerseits ihrem Land, seiner Bevölkerung, seinen Idealen auf denen die US-Gesellschaft gegründet ist/war und anderereits dem Regime in Washington und den 1% für die die ReGIERung in Wahrheit arbeitet. Eigentlich nicht wirklich überraschend, oder? Die UdSSR hatte ihre formelle Nomenklatur, so wie auch der Westen seine eigene informelle besitzt. Jeweils 1% der Bevölkerung, wenn es hoch kommt.

Weitere Gemeinsamkeiten zwischen der Prä-Zusammenbruch UdSSR und dem Westen/USA gewünscht? Wie wäre es mit:

  • einem überdimensionierten Militärbudget bei gleichzeit ineffektivem Militär
  • einem riesigen und ineffektiven Geheimdienstapparat
  • einer zusammenbrechenden Infrastruktur
  • einem Weltrekord an Gefangenen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung
  • einer Propagandamaschine namens Medien, die keiner mehr vertraut
  • einer Bewegung, die das Regime zu unterdrücken versucht
  • einem systematischen Gebrauch von Gewalt gegen die eigenen Bürger
  • einer wachsenden Spannung zwischen lokalen und Bundesbehörden
  • einer Industrie, deren Hauptexportgüter Waffen und Energie sind
  • einer verängstigten Bevölkerung, die durch Geheimdienste ausspioniert wird
  • einer systematischen Angleichung der bislang unterschiedlichen Meinungen bei Spionage und Terrorismus
  • einer übergreifenden Paranoia bzgl. innerer und äußerer Feinde
  • einer finanziellen Überdehnung
  • sich bewusst sein, dass einen fast die ganze Welt hasst
  • einem unterwürfigen Mediensystem aus Presstitutes, die es nie wagen würden die richtigen Fragen zu stellen
  • einer explodierenden Zunahme des Drogenmissbrauchs
  • einer Generation junger Menschen, die an nichts mehr glauben
  • einem Schul- und Bildungssystem, das sich im freien Fall befindet
  • einer Bevölkerung, die sich vor den eigenen Politikern ekelt
  • einer massiven und zunehmenden Korruption auf allen Ebenen der Macht

Dabei sind das nur einige Beispiele, die sowohl auf die UdSSR in den 1980ern als auch auf die USA/den Westen im Jahre 2014 zutreffen. Natürlich gibt es auch eine große Anzahl an Unterschieden, aber diese wiegen nicht das obige auf.

Der Punkt um den es geht, ist nicht, dass die Sowjetunion und der Westen/USA genau gleich sind, sondern dass die Gemeinsamkeiten immer frappierender und zahlreicher werden.

Zusammengefasst und auf den Punkt gebracht: Das was der Westen ganz öffentlich in der Ukraine vorgibt zu verteidigen, ist das genaue Gegenteil dessen für was sie sich selbst halten und für was sie in ihren Augen selbst stehen. Doch es ist  extrem gefährlich, wenn ein System so vorgeht. Und der Westen nimmt hier keine Sonderrolle ein. Großmächte scheitern oft dann, wenn die eigene Bevölkerung desillusioniert ist und eine große Diskrepanz zwischen dem was die „Führungseliten“ sagen und dem was sie dann tun verspüren. Und als Folge dessen wird sich auch kein Bürger mehr finden, der für das bestehende System bereit ist zu kämpfen und es zu bewahren.

Natürlich werden wir das oben geschriebene so nicht in den offiziellen Massenmedien wiederfinden oder in einer öffentlichen Debatte besprechen. Aber das gab es damals auch nicht in der UdSSR. Natürlich werden wir auch keine Massendemonstrationen zum Beispiel in den Straßen von Washington sehen, weil die eigene (politische) Meinung maximal im Bekanntenkreis geäußert wird. Aber es gab auch – um beim Vergleich UdSSR damals und Westen heute zu bleiben – in den 1980ern keine „Occupy the Kreml“-Bewegung in der Sowjetunion, während wir im Westen eine (Bl)Occupy-Bewegung sahen. Es gab auch kein vergleichbares Ereignis in der UdSSR wie der große Anti-WTO-Protest in Seattle 1990.

Die Ukraine ist zwar weit weg von den USA, aber nicht von Europa. Die Konsequenzen, die aus den offensichtlichen Einmischungen des Westens entstehen, werden dramatisch sein – vielleicht auch zeitverzögert. Kaum jemand würde Obama den Friedensnobelpreis erneut verleihen. Zumindestens wenn er oder sie bei gesundem Menschenverstand ist. Denn obwohl die heutige Propagandamaschine wesentlich effizienter und ausgefeilter ist als das was Göbbels oder Suslov zur Vefügung stand, kann die Wahrheit nicht für immer unterdrückt werden.

Und genau deswegen sucht der Westen verzweifelt nach einem Erfolgserlebnis in der Ukraine. Denn wenn der Westen nicht mehr respektiert wird, muss er wenigstens gefürchtet werden. Aber sollte die Ukraine „explodieren“ und Russland neben der Krim auch den Osten der Ukraine bekommen, dann wird niemand mehr den Westen fürchten. Und wenn das einmal passiert, ist die Restlebensdauer des westlichen Systems nur noch sehr kurz.

Die Wahrheit zu wissen macht einen frei. Und die Wahrheit ist der größte Feind eines Machtsystems. Es brachte die UdSSR zu Fall und es wird das System des Westens zu Fall bringen. Es ist nur eine Frage der Zeit.

Quellen:
How the Ukrainian crisis will eventually bring down the AngloZionist Empire
CrossTalk: Chicken Kiev?

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