Europawahlen: Die gestrige Euro-Show in ARD und ZDF

Am 25. Mail 2014 dürfen die europäischen Hamsterrad-Inschwunghalter wieder einmal ihr Kreuzchen machen. Dabei fällt mir immer Andreas Popp ein, der Wahlen immer so schön mit zwei Bildern umschreibt: Erstens gibt man bei Wahlen im wahrsten Sinne des Wortes seine Stimme ab und hat demzufolge die nächsten vier oder fünf Jahre gefälligst nichts mehr zu sagen. Zweitens gibt man seine Stimme in eine Wahlurne und eine Urne ist nach Definition auch ein

krugartiges, bauchiges, meist künstlerisch verziertes Gefäß aus Ton, Bronze o.Ä., in dem die Asche eines Verstorbenen aufbewahrt und beigesetzt wird und die früher auch zur Aufnahme von Grabbeigaben diente.

Also, ein „Aufbewahrungsmittel“ für sterbliche Überreste – ergo, eine Stimme, deren Vitalität, Bedeutung und Wichtigkeit bereits mit dem Einwerfen obsolet wird.

WISO - Bildquelle: www.konjunktion.infoWISO - Bildquelle: www.konjunktion.info

WISO – Bildquelle: www.konjunktion.info

Doch zurück zum eigentlich Titel des Artikels.

Gestern durfte der geneigte Rundfunkbeitragssteuerzahler sich in geballter Form mit den „Errungenschaften des Euros“ durch die gleichgeschalteten Medienanstalten ARD und ZDF beglücken lassen. Los ging es mit der ZDF-Sendung WISO. Untertitel: WISO-Fiktion: Deutschland ohne EU (Link zum Video)

Dazu eine kurze Zusammenfassung – gedacht zuerst ohne jegliche Kommentierung, da die Inhalte sich selbst entlarven, doch leider konnte ich es nicht ganz ohne Kommentare durchhalten:

Szenario der WISO-Sendung:
Welche Folgen hat ein Austritt Deutschlands aus der EU und damit aus dem Euro? Der Beitrag spielt dabei in der nahen Zukunft (2015). Ausgelöst durch Unruhen der Bevölkerung wird im Bundestag über den Verbleib in der EU und im Euro-System entschieden, sowie Merkel die Vertrauensfrage gestellt.

Ablauf der Sendung:

1. Los geht’s mit dem klassischen Gelddrucken
De la Rue druckt bereits die neuen DM-Scheine, die den Euro ersetzen sollen. 250 Mrd. DM (neu) sollen ausgeliefert werden.

2. Was passiert, wenn die neue Währung eingeführt ist?
Die neue DM wertet sofort gegenüber dem US-Dollar (30%), dem Euro (50%) und dem Renminbi (30%) auf. In Folge dessen werden Benzin, Elektroartikel und Waren aus China billiger. Aber die Konsumenten, warnt der „Experte“ Marcel Fratzscher (übrigens bis 2008 unter anderem Leiter der Abteilung International Policy Analysis (Internationale wirtschaftspolitische Analysen) bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt und bei der Weltbank), werden unter der Aufwertung stark leiden: Sie verlieren ihre Arbeit. Fallenden Preisen ist eine steigende Arbeitslosigkeit gegenüber zu stellen, die aufgrund des einbrechenden Exports unweigerlich eintritt. 40% des Exports gehen in die Euro-Zone, 60% in die EU.
Ich kann mir eine kurze Kommentierung doch nicht verkneifen – dazu ein Hinweis auf den DIHK, der zu den endgültigen Außenhandelszahlen für 2012 schreibt:

Der Handel mit den EU-Mitgliedstaaten stellt mit 57 Prozent bei den Exporten und 56 Prozent bei den Importen nach wie vor den Hauptteil des Warenverkehrs. Die Dynamik hat hier merklich nachgelassen, insbesondere beim Handel mit der Eurozone.

Doch weiter mit dem Aspekt der Aufwertung in der WISO-Sendung am Beispiel VW.

VW hat ca. 50.000 Beschäftigte und produziert jährlich ca. 800.000 Autos in Deutschland. Aufgrund der neuen DM steigen die Preise um 50% und die Produktion muss daher ins Ausland verlagert werden. Die billigeren Vorprodukte aus dem Ausland bleiben unerwähnt, um die 50% beibehalten zu können. Die „Experten“ Friedrich Heinemann und Gustav Horn bestätigen in groben Zügen das Szenario. Heinemann ist übrigens Leiter des Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und Vorstand des Arbeitskreises Europäische Integration und Mitglied des Wissenschaftlichen Direktoriums des Instituts für Europäische Politik. Horn ist Leiter des Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung und forderte 2012 den Verkauf der deutschen Goldreserven durch die Bundesbank, da es keine rationalen ökonomischen Gründe mehr gibt, derartig hohe Goldreserven zu halten. Also zwei wahrlich unabhängige und neutrale „Experten“, die hier zu Wort kommen.

Nochmals „Experte“ Fratzscher: Viele deutsche Unternehmen würden ihre Produktion in Deutschland aufgeben, da zu teuer. Herbe und dauerhafte Arbeitsplatzverluste wären die Folge. Somit ist Deutschland ohne den Euro nicht denkbar, da exportabhängig. Dass Deutschland durchaus zu DM-Zeiten Aufwertungen ohne größere Probleme durch Innovationen, Optimierungen usw. „verkraftet und aufgefangen hat“, wird geflissentlich „vergessen“. Das ein Exportüberschuss immer den Export von Geld und Arbeitsleistung, die wir derzeit auch noch per Kredit selbst finanzieren, und somit eine Wertschöpfung, die dem „Produktionsland“ nicht zugute kommt, bedeutet, wird dummerweise auch nicht erwähnt.

3. Die neue DM
Es gibt immer noch viele Menschen, die alte DM-Bestände zu Hause haben und die alte Währung schätzen. Jetzt greift WISO einen psychologischen Trick auf und vergleicht das Geld mit der Familie, die viel wichtiger ist (was sie natürlich de facto wirklich ist), und meint das Geld nur Papier sei. Hier unternimmt das ZDF den Versuch die DM über den Vergleich mit der Familie als wertlos und nicht erstrebenswert darzustellen.

4. Die Rentner
Darstellung eines Rentners, der für seine Rente demonstrieren geht, die er wegen der Währungsumstellung zu verlieren droht. Wieder der Griff in die psychologische Trickkiste: Liebe Rentner, der Euro ist gut, eine neue Währung böse – stimmt für den Euro, wählt die Blockparteien.
Dazu der „Experte“ Stefan Sell (Professor an der FH Koblenz): Weil die neue DM aufwertet und die Privatrenten in Euro ausgestellt sind, erfolgt eine Benachteiligung der Rentner. Sell betont, dass nur die Privatrenten betroffen sind und ein Wertverlust von 30% – 50% des angelegten Kapitals denkbar ist. Nur zu dumm, dass Importe wie unter 2. beschrieben billiger werden.
In diesem Zusammenhang kommt auch noch der ehemalige Minister für Arbeit und Soziales Norbert Blüm zu Wort, der die staatliche Rente als die bessere Alternative im Vergleich zu Privatrenten ansieht und deswegen den Euro für unabdingbar hält.

5. Die Folgen für und in Europa
Der „Experte“ Udo van Kampen (Leiter des ZDF-Studios in Brüssel) weist daraufhin, dass Deutschland bei einem Austritt keine Stimme mehr in Europa hätte und die anderen Staaten wieder Angst vor Deutschland und (Achtung! Jetzt kommt’s!) einem wachsenden Nationalismus hätten. Die Nazikeule, die wir tagtäglich in den diversen Spartenkanälen der Öffentlich-Rechtlichen „um die Ohren gehauen bekommen“, darf hier natürlich auch nicht fehlen – Ukraine und Faschisten und deren Anerkennung durch die BundesreGIERung und den Medien hin oder her. Europa würde wieder in Einzelstaaten zerfallen. Die aktuelle „Rezession“ wurde durch Frankreich und Deutschland überwunden und darf nicht preisgegeben werden (Implizierung: Wir sind auf dem richtigen Weg, Euro gut, EU gut, alles in Butter.)

6. Die Schweiz
Wieder der Ex-Studioleiter der USA zu Zeiten von 9/11 v. Kampen: Die Schweiz ist nur ein kleiner Staat und daher nicht vergleichbar mit Deutschland. Begründung von v. Kampen: Fehlanzeige. Die Schweiz sei nur aufgrund des Bankgeheimnisses stark. Deutschland würde alle Vorteile der EU (*Irone an* Nettobeitragszahler, böser Mann in Europa *Irone aus*) gegenüber dem Rest verlieren (kurz zurück zu Punkt 5: Hier sagt der gleiche „Experte“, dass Europa/die EU wieder in Einzelstaaten zerfallen wird – wie passt das zusammen?). Auch wenn Deutschland viel für Europa zahlt, ist es der größte Profiteur (die übliche, nicht argumentativ unterlegte Behauptung).

7. Die Grenzen und der Wegfall des Schengen-Abkommens
Mehrere Millionen Euro müssten für neue Grenzbeamten/Grenzkontrollen aufgebracht werden. Aha, Millionen… allein HRE wurde mit 7,7, Milliarden Direkthilfe und 123,98 Garantien gerettet.
Dazu noch der „Experte“ Jörg Radek von der Polizeigewerkschaft: Mehr Personal ist auch ohne einen Austritt aus dem Euro und der EU notwendig. (Frage: Wurde der im Vorfeld nicht sauber gebrieft?)

8. Reisen und Urlaub
Zwar zerfiel Europa unter Punkt 5 wieder in Einzelstaaten, aber die Logik des ZDFs und der WISO-Redakteure benötigt an dieser Stelle wieder eine Beibehaltung der EU/des Euro (nur ohne Deutschland). Denn bei Reisen müsste man dann wieder Geld wechseln (welch Aufwand!) und müsste auf billige Flüge verzichten, da die Flughafengebühren zu hoch wären. Komisch nur, dass ja die neue DM gegenüber dem Euro aufgewertet hat! Jedenfalls würde der geliebte Urlaub flachfallen und wer will schon „tausende“ Fremdwährungen mit sich führen, wieder Passkontrollen über sich ergehen und sein Gepäck durchsuchen lassen. Ergo – so Moderator Martin Leutke: Urlaub gibt es nur noch in Deutschland.

Soweit die WISO-Propaganda-Pro-EU-Pro-Euro-Show. Noch kurz als Randnotiz: Im gleichzeitig stattfinden Online-Chat des ZDFs zeigte sich eine weit kritischere Zuschauersicht auf das Szenario. Die meisten Zuschauer im Chat folgten den ZDF– und „Experten“-Analysen nicht.

Um 20:15 Uhr übernahm dann das Erste Deutsche Fernsehen mit einem EUdSSR-Spezial und versuchte den letzten Widerstand ab 21:00 Uhr mit der Sendung Hart, aber fair – Europa wählt und keiner geht hin zu brechen. Hier durften sich dann zwei Politdarsteller, ein jornalistischer Erklärbär, ein pöbelnder Broder und ein sachlicher Henkel mit EU und Euro beschäftigen.

Fazit: Der Euro und die EU wurden durch die Propaganda-Sender ARD und ZDF in das derzeit beste Licht gestellt und dem deutschen Michel einmal mehr die „Alternativlosigkeit“ des Euros aufgezeigt. Mit psychologischen Tricks wurden dem Zuschauer Ängste gemacht ohne im Detail die getroffenen Annahmen zu begründen. Eine wahre journalistische Meisterleistung. Ganz im Sinne der EUkraten. Wir werden am 25. Mai sehen, ob die Propaganda noch verfängt.

Quellen:
Duden – die Urne
WISO-Fiktion: Deutschland ohne EU
Wikipedia – Marcel Fratzscher
DIHK – Statistiken zum Außenhandel
ZEW – PD Dr. Friedrich Heinemann
Wikipedia – Gustav Horn
Wikipedia – Stefan Sell
Wikipedia – Udo van Kampen
Wikipedia – Hypo Real Estate
Hart aber fair – Europa wählt und keiner geht hin

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Ein Artikel bildet zwangsweise die Meinung eines Einzelnen ab. In Zeiten der Propaganda und Gegenpropaganda ist es daher umso wichtiger sich mit allen Informationen kritisch auseinander zu setzen. Dies gilt auch für die hier aufbereiteten Artikel, die nach besten Wissen und Gewissen verfasst sind. Um die Nachvollziehbarkeit der Informationen zu gewährleisten, werden alle Quellen, die in den Artikeln verwendet werden, am Ende aufgeführt. Es ist jeder eingeladen diese zu besuchen und sich ein eigenes Bild mit anderen Schlussfolgerungen zu machen.
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