Geheimverhandlungen: TTIP war gestern, heute ist TISA

TISA - Bildquelle: Screenshot-Ausschnitt trade.ec.europa.euTISA - Bildquelle: Screenshot-Ausschnitt trade.ec.europa.eu

TISA – Bildquelle: Screenshot-Ausschnitt trade.ec.europa.eu

Noch laufen die geheimen Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP, dem immer mehr öffentlicher Gegenwind entgegen bläst, da kommt schon der nächste „Hammer“ um’s Eck: TISA.

TISA steht für Trades in Services Agreement (Vertrag zum Handel mit Dienstleistungen) und wird parallel zu TTIP bzw. TPP seit 2012 – wie soll es auch anders sein – ebenfalls hinter verschlossenen Türen und außerhalb der Regelungen der WTO, sowie ohne Beteiligung nationaler Parlamente, zwischen 23 WTO-Mitgliedern „verhandelt“.

Neben den USA und der EU sind unter anderem auch Australien, Chile, Kanada, die Schweiz (!) und Japan bei diesen Gesprächen dabei, die insgesamt 2/3 des globalen Handels mit Dienstleistungen ausmachen. Nach Informationen des ORF scheinen diese TISA-Verhandlungen sogar Priorität im Vergleich zu TTIP zu besitzen. Der ORF leitet diese Einschätzung aus einem Schreiben der EU-Kommission ab.

Um was geht es bei TISA?

Der Terminus „Handel mit Dienstleistungen“ ist weit gefasst und ist mehr als nur die Dienstleistung des Steuerberaters oder Friseurs nebenan. TISA unterscheidet, wie auch der bisherige, äußerst umstrittene Vorläufer GATS, zwischen

  • grenzüberschreitender Erbringung von Dienstleistungen wie Telemedien, eLearning oder Internetspiele
  • Nutzung von Dienstleistungen im Ausland wie Fremdenverkehr oder Medizintourismus
  • ausländische Direktinvestitionen wie die Gründung einer Bankfiliale oder die Erbringung kommunaler Wasser- und Energiedienstleistungen (!!!)
  • Erbringung durch den vorübergehenden Aufenthalt von Personen im Lande des Dienstleistungsempfängers, wie Führungskräfte oder Krankenpflegepersonal, das vorübergehend im Ausland tätig ist.

Galten die GATS-Regelungen vielen Kritikern bereits als zu weitreichend, sollen mit TISA neue und noch weitreichendere Einschränkungen und Verpflichtungen eingeführt werden.

Jetzt mag der eine oder andere sagen: Und? Was soll’s – ist ja das gleiche wie bisher mit GATS?

Dem sei ein kleines Beispiel an die Hand gegeben:

Bei TISA würde – wie bei GATS – das Prinzip der Inländerbehandlung auch für staatliche Beihilfen gelten; das bedeutet, dass jede finanzielle Subventionierung öffentlicher Dienste ausdrücklich ausgeklammert werden muss oder in gleicher Weise privaten gewinnorientierten Dienstleistungserbringern zur Verfügung zu stellen ist.

Quasi ein „Subventionierungsfreifahrtschein“ für Unternehmen und Konzerne, die dann beispielsweise bei der Energie- und Wasserversorgung, die gleichen finanziellen Unterstützungsleistungen bekommen müssen/würden, wie die quersubventionierten Stadtwerke.

Zusätzlich würde TISA eine Rekommunalisierung – hier sei nochmals explizit auf die Privatisierung der Wasserversorgung hingewiesen –

begrenzen und sogar ausschließen, da dieses Abkommen die Regierungen daran hindern würde, öffentliche Monopole oder vergleichbare „wettbewerbsunfähige“ Formen der Dienstleistungserbringung zu etablieren oder wiederherzustellen. Handelsabkommen wir das TISA haben einen extrem breiten Anwendungsbereich. Sie sorgen nicht nur für die diskriminierungsfreie Behandlung ausländischer Dienstleistungen und Dienstleistungserbringer. Sie gehen noch weiter, indem sie bestimmte völlig diskriminierungsfreie Regulierungsmaßnahmen von Regierungen einschränken oder sogar verbieten.

Das heißt eine einmal vorgenommene Privatisierung öffentlicher Dienste kann zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zurück genommen werden (sog. Stillstands- und Ratchet-Klausel). Egal, ob die Dienstleistung des Privatbetreibers überteuert, unzureichend oder schlicht nicht funktionieren würde. Äußerst interessant wenn man sich z.B. die seit Jahren geplante Privatisierung der Deutschen Bahn in Erinnerung ruft.

TISA beschäftigt sich aber auch mit dem grenzüberschreitenden Datenverkehr und der Privatsphäre. Betroffen sind dabei Dienste, die mit persönlichen Nutzerinformationen (Facebook) arbeiten, Finanzinformationen, Cloud-Computing-Dienste (Dropbox) und digitale Waren. Insbesondere der europäische Datenschutz würde dann als Behinderung des Marktzugangs gewertet werden. Da davon auszugehen ist, dass die USA auch hier ihren Willen durchsetzen werden, werden wir auch in Deutschland laxe US-Datenschutzrichtlinien sehen, inklusive des uneingeschränkten Sammelns und Übertragens von persönlichen Daten!

Daneben stehen auch die Gesundheitsversorgung und die Bildung im Fokus der Verhandlungsführer:

Zudem würden nach dem derzeitigen Vertragsentwurf die Regulierungsmöglichkeiten des Staates wie etwa die Lizenzierung von Gesundheitseinrichtungen oder die Zulassung von Schulen und Unis eingeschränkt. Denn verbindliche Regelungen im TISA-Abkommen dazu würde den Konzernen Möglichkeiten geben, gegen neue oder kostspielige Vorschriften vorzugehen.

Mit TISA sehen wir den nächsten Versuch Staat und Unternehmen miteinander zu verknüpfen und staatliche Aufgaben – unwiderbringlich – auf Firmen zu übertragen – auf Kosten der Menschen! Sollten TISA und TTIP in den geplanten und derzeit besprochenen Versionen Realität und zusätzlich die geplante Linzenzwirtschaft zeitnah umgesetzt werden, werden wir in einer Welt leben, in der die Interessen von Konzernen weit über denen der Menschen stehen werden. Wir werden unter einem Diktat von Großunternehmen alles schlucken (im wahrsten Sinne des Wortes) müssen und nichts dagegen tun können. Faschismus im Sinne Mussolinis in Reinkultur!

Quellen:
Gespräche unter „guten Freunden“
European Commission proposes to open plurilateral trade negotiations on services
Das multilaterale Dienstleistungsabkommen TISA
PSI Special Report: TISA versus Public Services
TISA contra öffentliche Dienste

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