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Ukraine: Ein Blick in die Zukunft – wer soll für die Ukraine 2.0 bezahlen?Lesezeit: 9 Minuten

USA - Ukraine - EU

USA – Ukraine – EU – Bildquelle: www.konjunktion.info

Wenn es derzeit um die Ukraine geht, geht es immer um die herrschende Konfliktsituation, nie darum wie eine zukünftige Ukraine aussehen kann und vor allem wie diese finanziert werden soll.

Früher oder später wird es einen Staat geben, der teilweise oder ganz in den Grenzen der heutigen Ukraine existiert – quasi eine Ukraine 2.0. Die Krim wird sicherlich nicht wieder zurück an die Ukraine gehen und eine selbstständige „Republik Donezk“ als ein zweites Lichtenstein, eingezwängt zwischen der Ukraine und Russland, ist eher unwahrscheinlich. Auch weil ein solches Gebilde aus den Regionen Donezk und Lugansk als eigenständiger Staat nicht überlebensfähig sein wird. Deswegen wird der Donbass entweder Russland beitreten, ein Assoziierungsabkommen mit der Eurasischen Union (Russland, Kazachstan, Weißrussland, Armenien usw.) eingehen oder sich in irgendeiner Form an die Ukraine anlehnen. Das Letztere ist jedoch nur möglich, wenn der Westen seine Unterstützung für das Naziregime in Kiew beendet und stattdessen eine souveräne, eigenständige Ukraine akzeptiert. Derzeit scheint es jedoch nicht so zu sein,dass Washington das mittragen würde. Aber was immer der Westen tut oder unterlässt, eines ist sicher: alle Nachfolgekonstrukte der Ukraine werden eine enorme ausländische finanzielle Unterstützung benötigen. Wir sprechen hier nicht nur über ein paar Milliarden an Garantien für eine Clique Oligarchen, sondern davon einen Staat mehr oder weniger aus dem Nichts neu aufzubauen. Das ist ein großes Vorhaben, dass mindestens ein Jahrzehnt und mehr dauern und enorme Ressourcen verbrauchen wird. Dazu muss es in einer instabilen Umgebung mit großer Armut und Korruption, mit Gewalt und wahrscheinlich mit einem Terrorismusproblem umgesetzt werden. Eine politische Instabilität ist damit garantiert. Und wenn man das alles zusammen betrachtet, wer will dann – egal, ob die EU oder Russland – für diese Region verantwortlich sein?

Wer immer auch am Ende den Großteil dieser neuen Ukraine 2.0 „besitzen“ wird, wird auch die meisten seiner Probleme besitzen. Der Plan der EU ist diesbezüglich eindeutig: Die EU will alles haben, aber Russland soll dafür bezahlen. Nicht überraschend stimmt Russland dem nicht zu. Die Amerikaner haben es sogar noch besser: Sie stellen diese Frage einfach nicht, denken nicht über dieses Thema nach und haben keine Pläne um „etwas davon zu besitzen“ – wenn „besitzen“ gleich zu setzen mit „dafür zahlen“ ist. All diese Vorstellungen sind kompletter Irrsinn. Das Problem zu leugnen, lässt es nicht mit Zauberhand verschwinden.

Russland ist mit dem Teil der Ukraine wiedervereinigt, der in ihrem ureigensten Interesse lag: der Krim. Von einem egoistischen und selbstbezogenen Blickwinkel aus könnte Russland eine große Mauer entlang der Grenze zur Ukraine ziehen und all den anderen Akteuren in diesem Spiel (Ukraine, EU, USA) die „Aufräumarbeiten“ überlassen. Das ist natürlich unwahrscheinlich, doch als Gedankenspiel ist es durchaus sinnvoll. Was würde passieren, wenn Russland genau das tun würde? Einmal angenommen die russische Bevölkerung würde eine solche Entscheidung mittragen (was sie in der Realität nicht tut) und nehmen wir zusätzlich an, dass die (fiktive) „Republik Donezk und Lugansk“ überlebensfähig wäre (auch wenn das unrealistisch ist). Nehmen wir auch an, dass die Städte Kharkow, Odessa, Zaporozhie, Nikolaev usw. ihre Proteste beenden. Russland würde ganz einfach die Gasversorgung kappen (außer die Bezahlung erfolgt im Voraus), würde sich mit Chips und Bier zurücklehnen und die Berichte aus der Ukraine verfolgen. Was würde dann wohl passieren?

Genau. Absolutes und totales Chaos. Entweder das oder der Westen müsste es irgendwie schaffen ein halblegitimiertes und sehr effektives Regime einzusetzen und gleichzeitig die Rechnungen in Höhe von 40 bis 100 Milliarden (in Abhängigkeit davon, wieviele dringende Probleme sofort gelöst werden müssen) bezahlen. Betrachten wir das ganze dann einmal aus der Sicht Russlands:

Entweder stimmt der Westen zu hohe, dauerhafte Transferzahlungen zu leisten, was wiederum die eigene Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen wird (und man sich eigentlich nicht leisten kann) oder die EU und die USA beginnen einen schmutzigen Kampf darüber, „wer was und mit welchen Bedingungen bezahlt“. Die EU wird von einer Serie von Schocks als Resultat des ukrainischen Chaos (illegale Immigration, Kriminalität, politische Kämpfe) getroffen werden, als auch die NATO als ineffektiv, nutzlos und inkompetent oder schlimmer als verantwortungslos betrachtet werden.

Der Westen wird unter massiven Konsequenzen zu leiden haben, einen Staat wie die Ukraine im Herzen Europas „explodieren“ zu lassen.

Russland

Russland – Bildquelle: www.konjunktion.info

Man darf sich ziemlich sicher sein, dass Russland ein solches Szenario nicht will. Zum Einen ist die russische öffentliche Meinung eindeutig, was die Angriffe der Faschisten in Kiew gegen Russen betrifft und die Errichtung einer Mauer, die die russischsprechenden Ukrainer ausschließt, würde nie akzeptiert werden. Zum Anderen – wie bereits erwähnt – können Donezk und Lugansk nicht dauerhaft isoliert werden. Außerdem muss bedacht werden, dass bei einer richtigen Wirtschaftskrise nicht nur diese beiden Regionen sich dafür entscheiden werden Referenden für eine Abspaltung zu halten.

Russland möchte eine lockere „Ukrainische Konföderation“. Diese müsste vom Einfluss der Nazis und Faschisten befreit sein und müsste wahrscheinlich eine wirtschaftliche Union mit Russland und seinen Partnern eingehen – wenn auch nur um finanzielle Hilfe von Moskau zu erhalten. Russland würde auch die USA und die EU auffordern „ihren fairen Anteil“ an finanzieller und technischer Unterstützung zu leiste, um eine Ukraine 2.0 zu schaffen. Besonders hinblicklich dessen, dass der Westen für den zusammenbruch der Ukraine 1.0 verantwortlich zeichnet. Dabei darf weder ein faschistisches Regime in Kiew verbleiben, noch die Ukraine 2.0 der NATO beitreten.

Als Randbemerkung: Eine neue Regierung der Ukraine 2.0 würde sehr umsichtig handeln, wenn es das Land neutral und entmilitarisiert schaffen würde. Denn welchen Sinn würde ein Militär machen, wenn man zwischen der NATO und Russland gefangen ist? Als Zielsscheibe dienen?

Die beste ukrainische Strategie gegen ausländische Agressionen wäre

  1. die Größe des Staatsgebiets (geographische Defensive) zu nutzen
  2. komplett entmilitarisiert zu sein (politische Defensive)
  3. offiziell neutral zu sein (rechtliche Defensive) und
  4. zwischen zwei rivalisierenden Blöcken zu vermitteln (militärische Defensive).

Das würde nichts kosten, wäre extrem progressiv, würde von den Nachbarländern positiv angenomen werden und würde den perfekten „Puffer“ bilden und als „Rückversicherung“ bzgl. der NATO und Russland dienen. Abgesehen von den Einsparungen, die die Ukraine 2.0 für wichtigere und sinnvollere Maßnahmen einsetzen könnte.

Doch diese Vision ist ganz weit weg von dem, was die Junta in Kiew will.

Die vollständige Politik der USA bzgl. der Ukraine basiert auf einem Trugschluß von Zbigniew Brzezinski, nachgeplappert von Hillary Clinton: Brzezinski glaubt, dass Russland ohne die Ukraine keine Supermacht sein kann und Clinton glaubt, dass Putin wieder die UdSSR schaffen möchte. Beides ist komplett falsch, denn: Russland ist bereits wieder eine Supermacht (sowohl in Syrien und in der Ukraine wurde die USA/EU/NATO in die Schranken gewiesen) und Putin will in keinster Weise die UdSSR wieder aufleben lassen. Man fragt sich unweigerlich, ob es jemanden in der US-Politik gibt, der versteht, was diese fehlerhaften Annahmen den USA noch kosten werden. Wenn man diese beiden hasserfüllten – was beide de facto sind – Verrückten folgt, hätte die USA jeden Schritt ihrer Beziehungen zur EU und zu Russland in der Vergangenheit falsch ausgeführt.

Im Falle einer „Rest“-Ukraine ist „mehr“ nicht „besser“, „mehr“ ist „schlimmer“, „weniger“ ist „besser“. Umso weniger Russland sich um den Wiederaufbau der Ukraine kümmern und bezahlen muss, umso besser ist Russland dran. Aus EU-Sicht: Je mehr Russland an der Ukraine übernimmt, umso besser für die EU. Dies gilt insbesondere aus einem US-Blickwinkel, denn je mehr der Westen die Ukraine „besitzt“, umso mehr wird man dafür bezahlen müssen und umso mehr würde die transatlantische Allianz unter Druck kommen. Paradoxerweise würde es im Interesse der USA liege, wenn Russland die gesamte Ukraine übernimmt. Klingt verrückt? Vielleicht, aber das sind die Fakten.

Denn die Wahrheit ist: Die Ukraine ist für niemanden ein Gewinn – es ist eine große Last.

Aber das ist etwas, was kein Politiker öffentlich sagen kann.

Aber wir können und sollten es sagen. Denn wenn wir diese Binsenweisheit im Gedächtnis behalten, können wir erkennen, warum Russland in dieser Konfrontation mit der USA/EU/NATO als Gewinner hervorgehen wird.

Denn egal was kommt, Russland wird die Wahl haben, wieviel man von der „ukrainischen Last“ bereit ist zu schultern, während der Westen immer das übernehmen muss, was Russland nicht bereit ist zu tragen. Gehen wir zurück zum eingangs erwähnten Gedankenspiel. Russland kann theoretisch jedwede Übernahme ablehnen und einfach sagen „ist nicht unser Problem, sorry“. Und es gibt nichts, was der Westen daran ändern könnte – solch ein Verhalten Moskaus  würde auch die unsäglichen Gerüchte einer Invasion des Baltikums, Polens und anderer EU-Länder die Luft nehmen.

In einer gesunden Welt, geführt von Menschen ohne wahnhafte Störungen, würde die Priorität der westlichen Politdarsteller darin liegen, Russland durch Betteln, Bitten, Austricksen und nett sein, dazu zu bringen, dass Moskau soviel wie möglich von der „Last Ukraine“ übernimmt – wenn möglich komplett. Überlassen wir Russland die Faschisten, lassen wir Russland für die ukrainschen Löhne und Renten zahlen, lassen wir Russland den Wiederaufbau vornehmen, lassen wir Russland seine Energie und Ressourcen verschwenden, um diese Herkulesaufgabe zu stemmen. Wenn Russland zustimmt die Ukraine in Gänze zu übernehmen, könnte sogar die NATO die Mär von der „russischen Gefahr“ wiederbeleben und seine eigene Existenz rechtfertigen.

Glücklicherweise jedoch wird Putin, solange er an der Macht ist, dem nicht zustimmen. Die Zeit spielt für Russland und je schlimmer die Lage in der Ukraine wird, je schwächer der Block aus EU/USA/NATO wird, umso stärker werden die Verhandlungspositionen Russlands.

Auch wenn Russland dem Ganzen nicht gleichgültig begegnen kann und sich nicht mit Chips und Bier zurücklehnen kann, wird Moskau sein maßvolles Handeln fortsetzen: Russland wird seinen Prinzipien und Positionen treu bleiben, es wird es ablehnen Teil einer abgekarteten Lösung zu sein, und es wird weiterhin die verrückte und faschistische Politik der Junta in Kiew verurteilen.

Russland wird einfach warten, dass die westlichen Regierungschefs aus ihren Halluzinationen aufwachen und ernsthaft versuchen ein Problem zu lösen, dass zuallererst ihr Problem ist, welches sie geschaffen haben und für das sie bezahlen müssen.

(Teil-/Übersetzung des Artikels A look in the long distance: who will have to pay for „Ukraine v2“? von The Vineyard of the Saker)

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Ein Artikel bildet zwangsweise die Meinung eines Einzelnen ab. In Zeiten der Propaganda und Gegenpropaganda ist es daher umso wichtiger sich mit allen Informationen kritisch auseinander zu setzen. Dies gilt auch für die hier aufbereiteten Artikel, die nach besten Wissen und Gewissen verfasst sind. Um die Nachvollziehbarkeit der Informationen zu gewährleisten, werden alle Quellen, die in den Artikeln verwendet werden, am Ende aufgeführt. Es ist jeder eingeladen diese zu besuchen und sich ein eigenes Bild mit anderen Schlussfolgerungen zu machen.
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10 Antworten

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  1. 19. Mai 2014

    […] Eine Ergänzung findet sich hier: Wer soll für die Ukraine 2.0 bezahlen? […]

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