Die folgende Information bezieht sich auf die Art und Weise wie die Gespräche zwischen Brüssel und Washington bzgl. des Freihandelsabkommens TTIP ablaufen. Es geht nicht um den Inhalt des „Konzernfreibriefs TTIP“ – siehe dazu hier oder hier – als Vielmehr darum, wie die USA ihre „Partner“ an den Gesprächen und Inhalten „teilhaben“ lassen. Wir benutzen bewusst den Begriff „Brüssel“, da die Gespräche tatsächlich zwischen der Europäischen Kommission und den Vereinigten Staaten stattfinden, nicht zwischen den Mitgliedsstaaten der EU und den USA. Letzere (die USA, Anm. d. Verf.) versucht derzeit den Vorschlag einer Nichtoffenlegung der Gespräche bei den Mitgliedsstaaten durchzusetzen. Dies unter dem Vorwand, dass die Regierung der USA die europäischen Verhandlungsinhalte auch nicht mit den einzelnen Bundesstaaten der USA abstimmt.
Der einzige Weg, wie die Europäische Kommission seine Verhandlungsinhalte mit seinen Mitgliedsstaaten austauscht, ist schlichtweg inakzeptabel: mit Hilfe von „documents reserve rooms“ (Dokumentenräume), in denen die Abgeordneten oder Mitarbeiter der Mitgliedsstaaten die US-amerikanischen Papiere begutachten können. Dabei müssen diese eine Gebühr bezahlen und eine Reihe strenger Vorschriften einhalten: das Kopieren, Abfotographieren oder Abschreiben der Dokumente ist in diesem Raum strengstens verboten. Nur zwei Abgeordneten oder Mitarbeiter der Mitgliedsstaaten dürfen sich zur gleichen Zeit in diesen „documents reserve rooms“ befinden, und dies auch nur für einen eng limitierte Zeitraum.
Unter diesen Bedingungen können die Abgeordneten oder Mitarbeiter der Mitgliedsstaaten die US-amerikansichen Vorschläge nicht ausreichend analysieren und bewerten: trotz einer Ausweitung der Kapazitäten, um die bereit gestellten Informationen zu prüfen – übrigens ein Mitgliedsstaat schön nach dem anderen -, wird man zwangsweise viele Schwachstellen und Fallstricke übersehen. Niemand ist gefeit davor wichtige Punkte zu überlesen, wenn sie dort platziert sind, wo man sie am wenigsten erwartet oder jemand sie dort sogar vorsätzlich versteckt, welche im Anschluss ernsthafte Risiken für den Export oder Import bedeuten können.
Bis jetzt wurde angenommen, dass – auch wenn einzelne Bürger an den Verhandlungsprozessen nicht teilnehmen können – die Interessen jedes Mitgliedsstaates durch die analytische Arbeit der einzelnen spezialisierten Ministerien gewahrt wären. Die Härte der USA, was die Frage der Geheimhaltung betrifft, führt dazu, dass alle Entscheigungen allein durch die Europäische Kommisson getroffen werden. Und wenn man die Ergebnisse der Freihandelsverhandlungen mit Kanada betrachtet, ist gerade das sehr beunruhigend.
Außerdem zeigt die Argumentation, dass die Bundesstaaten der USA auch nicht in die Verhandlungen eingebunden sind, dass die USA die Struktur der Europäischen Union nicht verstanden haben (oder bewusst verstehen wollen?, Anm. d. Verf.). Wie können wir unter diesen Bedingungen mit den USA verhandeln, wenn diese ihre institutionelle Wirklichkeit auf uns projizieren?
Wir müssen die Öffentlichkeit darüber alarmieren, wie diese Verhandlungen ablaufen. Die Art und Weise ist sogar schwerwiegender als die fehlende Kommunikation der eigentlichen Inhalte von TTIP, die von den Mitgliedsstaaten nach einer Analyse durch die jeweilig zuständigen Ministerien der einzelnen Länder intern verhandelt wurden.
Die Europäer haben keine Ahnung davon, in welchem Umfang sie gerade durch die USA – im wahrsten Sinne des Wortes – kolonialisiert werden. Diese Information muss so schnell und so umfänglich verbreitet werden wie irgend möglich. Auch wenn es vielleicht schon zu spät ist…
Jean-Paul Baquiast – www.europesolidaire.eu
(Teil-/Übersetzung des Artikels TTIP. Négociations Bruxelles-Washington von www.europesolidaire.eu)
Anmerkung dazu:
Nicht nur, dass das undemokratische, arbeitsplatzvernichtende, europäische Standards herabsetzende und von den Menschen ungewollte Freihandelsabkommen ganz eindeutig nur den Interessen der USA dient, zeigen die Ausführungen von Jean-Paul Baquiast, dass es keine Verhandlungen unter Gleichgestellten sind. Die Beziehung USA-EU beruht auf einer Untergebenenposition der EU zu ihrem Anführer USA. Und gerade die Tatsache, dass die USA die EU nicht als Verhandlungspartner auf Augenhöhe betrachten, muss unbedingt thematisiert werden. Da dies durch die Erfüllungsgehilfen der „Konzernmedien“ nicht erfolgt, die nur die offizielle und im Grunde genommen verlogene Propagandalinie dazu verfolgen, müssen wir diese Informationen selber verbreiten und dafür sorgen, dass die betroffenen Bürger endlich das komplette Ausmass von TTIP verstehen.
Quelle:
TTIP. Négociations Bruxelles-Washington