Die Lage in der Ostukraine ist derzeit sehr unübersichtlich, aber trotzdem der Versuch eines kurzen Überblicks zur aktuellen Situation. Dazu zuerst eine Karte:
Die Stadt im oberen rechten Eck ist Lugansk, links der Mitte Donezk und im Süden die Grenze zu Russland (gekennzeichnet durch die Abkürzung РОССИЯ). In blau die Streitkräfte der Ukraine und in rot die der Widerständler.
Derzeit gibt es Berichte, dass die Widerständler die beiden Flughäfen von Donezk und Lugansk eingenommen haben. Jedoch behauptet die Ukraine, dass es den Lugansker Flughafen befreit habe, an dem das ukrainische Militär seit mehreren Wochen durch den Widerstand umlagert war. Offensichtlich sind dies gegensätzliche und sich ausschließende Behauptungen. Die Widerständler gaben zudem an, dass sie ein erbeutetes Su-25-Jagdflugzeug eingesetzt haben, um ukrainische Stellungen anzugreifen und dass diese Su-25 vom Lugansker Flughafen stammen soll (Anmerkung: Die Su-25 benötigt zum starten keine Startbahn, sondern kann auch von einer Graspiste aus starten.)
Desweiteren haben die ukrainischen Streikräfte versucht Donezk durch Einkreisung von Lugansk abzuschneiden. Dieses Manöver ist jedoch gescheitert und die Widerständler versuchen in einer Gegenoffensive – ausgehend von Saur-Mogila (САУР-МОГИЛА auf der Karte) – die ukrainischen Kräfte zu umgehen und sie entlang der russischen Grenze einzukreisen. Die ukrainischen Kräfte, die die Gefahr genau erkennen, versuchen verzweifelt bei Amvrosievka (АМВРОСИЕВКА auf der Karte) durchzubrechen, um das zu verhindern und die ukrainischen Soldaten zu befreien.
Was steht auf dem Spiel?
Berichten zufolge sind derzeit 3.000 Soldaten Kiews im „südlichen Kessel“ – das Gebiet entlang der russischen Grenze – eingekesselt. Nachfolgend Augenzeugenberichte zweier Soldaten, die aus dem Gebiet fliehen konnten:
Die Situation ist so, dass das Battalion sich in einer schwierigen Lage befindet, sowohl bezogen auf Material, wie auch die Position betreffend. Was sie in den Nachrichten zeigen – dass wir die Separatisten einkreisen – ist, wo sich unser Batallion befindet, genau das Gegenteil. Die Jungs sind am Ende ihrer Kräfte. Es gibt Ärger. Es ist eine Katastrophe. Auf der einen Seite sind da die Streitkräfte der russischen Föderation, praktisch vier Kilometer von uns entfernt. Und dann haben wir diese militärische Ausrüstung, glauben sie mir, die uns nichts hilft. Es geht nicht mehr um Tarnjacken oder militärische Ausrüstung. Verstehen Sie? Es ist eine ganz andere [Situation]. Wir müssen unsere Jungs da raus holen. Das Batallion kann eindeutig nicht dort bleiben. Nun, die Jungs, die dort stationiert sind, sind wie Verurteilte, die auf ihre Hinrichtung warten. Ich sage das ganz bewusst – ich war dort stationiert und ich komme von dort. Und selbst dann müssen wir sie dort vorsichtig herausholen. Wir müssen sie dort rausholen. Und ehrlich gesagt, ich weiß nicht, wie diese [Rettung] durchgeführt werden kann, aber es muss gemacht werden. Es muss gemacht werden und es muss sofort gemacht werden. Lassen Sie es mich wiederholen: Die Situation am heutigen Morgen, als ich dort angerufen habe und später noch einmal, ist: Nicht ein einziges Stück militärischer Ausrüstung ist angekommen, sie [die Soldaten] stehen auf offenem Feld. Das Batallion über das wir hier sprechen kann nur Einsätze, wie die die ich zu Beginn schilderte, durchführen – z.B. den Schutz [von wichtigen strategischen] Objekten oder bestimmte Kontrollpunkte bewachen – diese aber auch nur weiter weg von den Epizentren der Kampfhandlungen. Doch mitten in den Kampfhandlungen kann es keine Mission erfolgreich durchführen, da die benötigte Ausrüstung fehlt. Selbst wenn diese Ausrüstung dem Batallion zur Verfügung stehen würde, gibt es niemanden der damit umgehen kann.
Schauen wir auf Lugansk, inbesondere auf den Flughafen.
Ukrainische Spezialkräfte sind seit Wochen von Widerständlern eingekreist. Viele von ihnen, nicht mehr als 300, haben bereits den Flughafen verlassen und haben sich ergeben. Es gibt Interiews von gestern abend die Widerstandskämpfer zeigen, die sich absolut sicher sind, dass sie den Flughafen bald unter ihrer Kontrolle haben werden. Heute morgen haben sowohl die Widerständler als auch Poroschenko erklärt, dass sie den Flughafen unter Kontrolle haben. Nachfolgend was Poroschenko auf seiner Facebook-Seite (!!) geschrieben hat:
Präsident Poroschenko wurden gerade vom Hauptquartier der ATO (Antiterror-Organisation) darüber informiert, dass ukrainische Kräfte erfolgreich ihren Weg zum Lugansker Flughafen zurückgelegt haben. Ruhm der Ukraine!
Wie soll man das Ganze beurteilen? Beide Seiten beanspruchen den Sieg für sich und der Grund dafür ist ziemlich einfach: Die Kräfte, die am Lugansker Flughafen eingekreist waren (oder noch sind), sind einige der Besten, die die Ukraine besitzt. Teile des 80. Luftlanderegiments, der 25. Luftlandedivision und des 8. Special Forces Regiments. Desweiteren ist der Flughafen der entscheidende Knotenpunkt für jede Einkreisung Lugansks.
Es gibt wenig Zweifel darüber, dass die Ukrainer ihre besten Einheiten einsetzen, um eine Katastrophe zu verhindern und dass mindestens drei ukrainische Panzereinheiten geschickt wurden, um den Druck auf die eingekreisten Kräfte zu verringern. Mindestens eine dieser Einheiten (möglicherweise sogar zwei) wurde gesichtet und zerstört. Hier einige Aufnahmen:
Die ukrainischen Streitkräfte haben auch eine An-26-Transportmaschine verloren, ebenfalls in der Nähe von Lugansk, die offenbar von einer Rakete abgeschossen wurde. Der Widerstand beansprucht den Abschuss für sich, aber Kiew behauptet, dass die Rakete von Russland abgeschossen wurde.
Während das alles für die ostukrainischen Widerständler positiv klingt, ist Strelkov (Anführer der Widerständler, Anm. d. Verf), wie gewöhnlich, viel vorsichtiger:
Interessanterweise spekulieren russische Experten, dass die kombinierten Angriffe auf Lugansk und Donezk dazu dienten, die Aufmerksamkeit der Widerständler vom Süden abzulenken, wo 5.000 ukrainische Soldaten versucht haben die Ostukraine von Russland abzuschneiden und Donezk und Lugansk einzukreisen. Nach Angaben der gleichen Quelle ist diese Finte, die Widerständler zu täuschen, jedoch nicht gelungen. Die ukrainischen Kräfte scheiterten dabei Saur-Mogial einzunehmen und am Ende liegen sie jetzt im „südlichen Kessel“ gefangen: einem langen Korridor von vier bis acht Kilometer Breite. Es scheint, dass die Widerständler es geschafft haben den ukrainischen Korridor an mehrern Stellen zu durchbrechen. Der Widerstand greift jetzt diese Kräfte mit Artillerie aus weiterer Entfernung an.
Wir sollten anmerken, dass, zumindestens bis jetzt, Kiew all das oben geschilderte kategorisch abstreitet.
Dennoch würde diese Version die Anzahl der ukrainischen Angriffe auf russische Grenzposten entlang der Grenze erklären. Fügt man hinzu, dass Lawrow eine ernste Warnung über die Konsequenzen, die allein Ukraine zu verantworten hätte, abgegeben hat, ergibt sich folgendes Bild: Es ist möglich, dass Russland einfach die ukrainischen Kräfte im „südlichen Kessel“ angreifen wird. Natürlich werden sie das nicht tun, wenn das den Widerständler auch ohne russische Hilfe gelingen sollte.
(Teil-/Übersetzung des Artikels Crucial combat operation are possibly taking place in several locations (UPDATED) von The Vineyard of the Saker)
Quellen:
Crucial combat operation are possibly taking place in several locations (UPDATED)
Ivano-Frankovsk Soldiers Tell the Truth: “We are not encircling the separatists; they are encircling us!”
Ukrainian plane ‚likely shot down‘ from Russia