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Systemfrage: Unser Schneeball(geld)system steht vor seinem natürlichen Ende oder: Es ist Zeit für einen NeustartLesezeit: 9 Minuten

Janet Yellen - Bildquelle: Wikipedia / United States Federal Reserve

Janet Yellen – Bildquelle: Wikipedia / United States Federal Reserve

Eines muss man den beiden Frauen, die der Fed und dem IWF vorsitzen, im Gegensatz zu ihren Vorgängern, bescheinigen: Sie sind erfrischend ehrlich. So schrieb das Wall Street Journal am 2. Juli:

Two of the world’s most powerful women of finance sat down for a lengthy discussion Wednesday on the future of monetary policy in a post-crisis world: U.S. Federal Reserve Chairwoman Janet Yellen and International Monetary Fund Managing Director Christine Lagarde. Before a veritable who’s-who in international economics packing the IMF’s largest conference hall, the two covered all the hottest topics in debate among the world’s central bankers, financiers and economists.
(Zwei der mächtigsten Frauen der Finanzwelt saßen am Mittwoch zusammen, um in einer langen Diskussion darüber zu sprechen, wie die Zukunft der Geltpolitik in einer Zeit nach der Krise aussehen kann: Die US-Fed-Vorsitzende Janet Yellen und die Direktorin des IWF Christine Lagarde. Bevor das Who’s-who der internationalen Wirtschaft sich im größten Konferenzssal des IWF traf, besprachen beide im Geheimen die heißesten Themen in den Debatten der weltweiten Zentralbanker, Financiers und Ökonomen.)

Unter diesen heißen Themen war auch das sich verselbstständigende Schattenbankensystem, das Investopedia als

The financial intermediaries involved in facilitating the creation of credit across the global financial system, but whose members are not subject to regulatory oversight. The shadow banking system also refers to unregulated activities by regulated institutions.
(Die Finanzintermediäre, die bei der Schaffung von Krediten im globalen Finanzsystem beteiligt sind, aber deren Mitglieder keiner Aufsicht unterliegen. Das Schattenbankensystem bezieht sich auch auf die nicht-regulierten Aktivitäten der regulierten Institutionen.)

bezeichnet.

Konventionellen Banken sind ebenfalls in dieser „Schattenbankenwelt“ unterwegs. Eine Möglichkeit ist dabei, dass sie ihre Cash-Polster als Sicherheit im Repo-Markt einsetzen, wo sie sich Gelder leihen können, um in Aktienmärkte und andere spekulative Gewchäfte zu investieren. Wie Bill Frezza in seinem Januar-Artikel 2013 in der Huffington Post Too-Big-To-Fail Banks Gamble With Bernanke Bucks erklärte:

If you think [the cash cushion from excess deposits] makes the banks less vulnerable to shock, think again. Much of this balance sheet cash has been hypothecated in the repo market, laundered through the off-the-books shadow banking system. This allows the proprietary trading desks at these “banks” to use that cash as collateral to take out loans to gamble with. In a process called hyper-hypothecation this pledged collateral gets pyramided, creating a ticking time bomb ready to go kablooey when the next panic comes around.
(Wenn Sie denken [,dass die Cash-Polster aus überschüssigen Geldeinlagen] die Banken weniger anfällig für Schocks machen, dann überlegen Sie nochmals. Viele dieser bilanzierten Bareinlagen sind auf dem Repo-Markt verpfändet worden, gewaschen durch das außerhalb der Bücher stehende Schattenbankensystem. Das erlaubt den Eigenhandelabteilungen bei diesen „Banken“ dieses Geld als Sicherheit zu verwenden, um damit Kredite zum Zocken zu verleihen. In einem Prozess, der als Hyper-Beleihung bezeichnet wird, bauen sich diese verpfändeten Sicherheiten pyramidenhaft auf, wodurch eine tickende Zeitbombe entsteht, die bereit ist lozugehen, wenn die nächste große Panik ums Eck kommt.)

Christine Lagarde - Bildquelle: Wikipedia / MEDEF

Christine Lagarde – Bildquelle: Wikipedia / MEDEF

Bezugnehmend auf diese tickende Zeitbombe des Schattenbankensystems haben die beiden, die  unter den wohl mächtigsten Frauen der Welt rangieren, gesagt:

MS. LAGARDE: . . . You’ve beautifully demonstrated the efforts that have been undertaken . . . in terms of the universe that you have under your jurisdiction. But this universe . . . has generated the creation of parallel universes. And . . . with the toolbox with all the attributes that you have — what can you do about the shadow banking at large? . . .
MS. YELLEN: So I think you’re pointing to something that is an enormous challenge. And we simply have to expect that when we draw regulatory boundaries and supervise intensely within them, that there is the prospect that activities will move outside those boundaries and we won’t be able to detect them. And if we can, we won’t be — we won’t have adequate regulatory tools. And that is going to be a huge challenge to which I don’t have a great answer.
(Frau Lagarde: Sie haben sehr schön die Anstrengungen aufgezeigt, die unternommen wurden… im Bezug auf Ihr zu verantwortendes Universum. Aber dieses Universum… hat die Schaffung von Parallelwelten ermöglicht. Und… mit dem Werkzeugkoffer mit all den Möglichkeiten, die sie haben – was können Sie bezüglich des Schattenbankensystems auf größerer Ebene tun?
Frau Yellen: Also ich glaube, Sie deuten auf etwas hin, dass eine enorme Herausforderung ist. Und wir müssen einfach damit rechnen, wenn wir die regulatorischen Grenzen ziehen und sie intensiv überwachen, dass die Aussicht besteht, dass diese Aktivitäten nach außerhalb dieser Grenzen wandern und wir dann nicht mehr in der Lage sind diese zu entdecken. Und wenn wir das können, werden wir nicht – werden wir keine adäquaten Regulierungsinstrumente haben. Und das wird eine riesige Herausforderung sein auf die ich keine gute Antwort habe.)

Begrenzt in ihren Werkzeugen, gibt es wahrscheinlich keine gute Antworten. All die „Pferde und Männer des Königs“ können das Wachstum des Schattenbankensystems nicht zügeln, trotz des 828-Seiten Dodd-Frank-Gesetzes. Stattdessen ist die Derivatepyramide unter deren Aufsicht weiter explodiert – auf einen rechnerischen Wert, der jetzt geschätzte 2 Billiarden US-Dollar groß ist.

Einst war die Steuerung der Zinsen, das Werkzeug der Fed, um die Geldmenge zu steuern, aber dieses Werkzeug hat seine Kraft verloren. Die Zinsen sind bei Null, so niedrig wie sie sein können – außer sie werden negativ, was bedeutet dass die Banken den Sparern Strafzinsen statt Guthabenzinsen verrechnen. Diese verzweifelte Idee wird gerade diskutiert. In absehbarer Zeit ist nicht von einer Erhöhung auszugehen. Bloomberg berichtete am 23. Juli, dass die Fed bis 2015 die Zinsen bei Null belassen könnte.

Ein Grund, warum die Zinsen wohl nicht angehoben werden, ist, dass diese Zinsen auf die wachsende Staatsverschuldung oben aufkommen, was wiederum der Steuerzahler nicht mehr schultern könnte. Nach Angaben der Website des Finanzministeriums zahlen die Steuerzahler jährlich 400 Milliarden US-Dollar an Zinsen für die Staatsverschuldung, genauso wie 2006 – obwohl sich die Schulden zwischenzeitlich von 9 auf über 17 Billionen fast verdoppelt haben. Der Gesamtzins wird durch die extrem niedrigen Zinsen unten gehalten.

Schlimmer noch, eine Erhöhung der Zinsen könnte das Derivatemonster zum implodieren bringen. Michael Snyder stellte fest, dass die größten Banken Zinsterminkontrakte von 400 Billionen US-Dollar besitzen, wettend darauf, dass die Zinsen nicht nach oben gehen. Wenn sie es doch tun sollten, ist es genauso als würde ein Lebensversicherer Billionenschwere Lebensversicherungen ausgeben und alle Versicherten würden gleichzeitig sterben. Die Banken würden sehr schnell insolvent sein. Und es werden unsere Sparguthaben sein, die beschlagnahmt werden, um sie zu rekapitalisieren – zugelassen unter der neuen „Bail-in“-Regelung, die von Janet Yellen als eines der aussichtsreicheren Werkzeuge bezeichnet wurde.

Wie Max Keiser feststellte: „Du kannst ein Schneeballsystem nicht auslaufen lassen.“ Du kannst nur den (Geld)Hahn abdrehen und es kollapieren lassen oder dabei zuschauen wie der Parasit seine eigene Nahrungsquelle verbraucht und daraufhin selbst zugrunde geht.

Kollaps oder Metamorphose?

Die Frage, die derzeit in der Blogosphäre heiß diskutiert wird, ist „Und was danach?“ Werden die Volkswirtschaften global zusammenbrechen? Wird das Leben, wie wir es bislang kennen, der Vergangenheit angehören?

Nicht unbedingt argumentiert John Michael Greer in seinem Artikel vom März 2014 American Delusionalism or Why History Matters. Wenn die Geschichte ein Gradmesser ist, werden die Regierungen, wieder einmal, einfach die Regeln verändern.

In der Tat wurden die Regeln des Geldes und der Bankgeschäfte alle 20 bis 30 Jahre in den letzten drei Jahrhunderten verändert. In einem laufenden Versuch-und-Irrtum-Experiment wurde ein Finanzsystem entwickelt und wessen Interessen es dienen soll. Um einen kompletten Überblick darüber geben zu können, wäre ein eigener Artikel nötig, aber stark verkürzt sind wir von Edelmetallmünzen zu ungedecktem, staatlichem Papiergeld zu privat ausgegebenen Banknoten zu Scheckgeld zu goldgedeckten Fed-Noten zu ungedecktem Fed-Geld und zum „Fastgeld“, geschaffen durch das Schattenbankensystem, gekommen. Geld hat sich von seiner „Speicherform“ eines physischen Rohstoffes zu Computerzahlen, die Informationen von Krediten und Guthaben speichern, entwickelt.

Die Regeln wurden zuvor verändert und können wieder verändert werden. Depressionen, Kreditkrisen und Finanzkollapse sind keine höhere Gewalt, sondern werden durch Fehler und Korruption im Finanzsystem ausgelöst. Die Kreditvergabe mag eingestellt werden, aber die Arbeiter, dass Material und die Märkte sind immer noch da. Das System braucht nur einen Neustart.

Hoffentlich wird das nächste Programm, das ausgeführt wird, mehr als 20 oder 30 Jahre Bestand haben. Im Idealfall könnten wir die alten Mesopotamier, die älteste und dauerhafteste Zivilisation in der Geschichte, imitieren und ein Wirtschaftssystem entwicklen, das Jahrtausende überdauert.

Über diese Derivate

Wie soll der Derivatekrebs getötet werden ohne dass der Patient dabei stirbt? Ohne mehr Einblick als die Köpfe von Fed und IWF zu haben, kann man nur eine Liste einiger vielversprechender Vorschläge, die von einer Vielzahl an Experten auf diesem Gebiet erstellt wurden, machen:

  • Eliminierung der eingeräumten Vorrangbehandlung der Derivate, die 2005 im Bankruptcy Reform Act eingeräumt wurden die Derivateblase erst ermöglichte.
  • Wiedereinführung des Glass-Steagall Act, das eine Trennung zwischen Einlagenbanken und Investmentbanken vorsieht.
  • Aufbrechen der gigantischen Derivatebanken.
  • Alternativ, die Verstaatlichung der Too-Big-To-Fail-Banken.
  • Derivate zu illegalen Papieren machen und sie durch Verrechnung abschreiben und somit als null und nichtig erklären.
  • Einführung einer Finanztransaktionssteuer an der Wall Street.
  • Um die Einlagen der Bürger und der lokalen Regierungen zu schützen, werden Sparkassen und Landesbanken nach dem Vorbild der Bank of North Dakota eingeführt, dem einzigen Staat dem die Bankenkrise 2008 nichts anhaben konnte.

Diese Alternativen sind alles machbare Möglichkeiten. Unsere „Finanzanführer“, in Zusammenarbeit mit den politischen Führungen, haben immer wieder das Netz aus Geld und Krediten, das unsere Wirtschaft zusammenhält, neu geschaffen. Aber sie haben dabei meistens nur ihre eigenen Interessen und die der reichsten Bürger berücksichtigt, nicht die der Allgemeinheit. Es liegt nun an uns, uns selbst, was Geld und das Bankensysten anbelangt, zu erziehen. Und ein System einzufordern, dass gut zu den Menschen ist und unseren langfristigen Interessen dient.

(Teil-/Übersetzung des Artikels You Can’t Taper a Ponzi Scheme: Time to Reboot von Ellen Brown)

Quellen:
You Can’t Taper a Ponzi Scheme: Time to Reboot
Transcript of Yellen and Lagarde Comments at IMF Event
Too-Big-To-Fail Banks Gamble With Bernanke Bucks
World Federation of Exchanges – over $2 quadrillion of derivatives in 2013
Interest Expense on the Debt Outstanding
The Most Important Number In The Entire U.S. Economy
American Delusionalism, or Why History Matters

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4 Antworten

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  1. 1. August 2014

    […] Two of the world’s most powerful women of finance sat weiterlesen […]

  2. 4. August 2014

    […] Systemfrage: Unser Schneeball(geld)system steht vor seinem natürlichen Ende oder: Es ist Zeit für … […]

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