Usbekistan ist das Schlüsselland in Zentralasien – auch wenn die Kasachen das ungern hören – und was in diesem Land geschieht, hat nicht nur immense Auswirkungen auf die Sicherheit und Stabilität in dieser Region zwischen dem kaspischen Meer und der Westgrenze Chinas (vielleicht sogar bis Xinjiang hinein). Dennoch sehen die meisten Think Tanks nicht, dass Usbekistan wie ein Vulkan brodelt, der kurz vor seinem Ausbruch steht. Natürlich ist Usbekistan ein geheimnisvolles Land, dass sich nur widerwillig den Außenstehenden öffnet.
Und doch konnte der aufmerksame Beobachter in den vergangenen Monaten etwas unheimliches vernehmen. So wurde vor drei Wochen offiziell von Taschkent bestätigt, dass die Tochter des diktatorischen Präsidenten Islam Karimov, Gulnara (die im Westen als potenzielle Nachfolgerin ihres Vaters gehandelt wurde), unter Hausarrest gestellt wurde.
Doch wenn ein Diktator die eigene Tochter nicht vor Verhaftung und Verfolgung retten kann, dann ist klar, dass er nicht mehr die Hebel der Macht kontrolliert. Tatsächlich hat jetzt ein düsterer Kampf in Taschkent um die Nachfolge Karimovs begonnen. Die alarmierenden Berichte häufen sich, die ein Explodieren des usbekischen Vulkans als unmittelbar bevorstehend bezeichnen.
Es scheint wirklich so zu sein, dass sich die Ära Karimovs dem Ende zuneigt und dass ein Maschtkampf im vollen Gange ist – zwischen den Geheimdiensten und den berühmten „Clans“, die in allen zentralasiatischen Ländern die politische Richtung (mit)bestimmen.
Karimov gehört dem Clan der Samarkand an und konnte in Usbekistan in den letzten Jahren geschickt ein gewisses Gleichgewicht erhalten. Es ist momentan unklar, welcher Clan sich jetzt im Aufstieg befindet, während die Macht des Samarkand-Clans endet. Der Zhisak-Clan, der Taschkent-Clan oder der Ferghana-Clan könnten dabei die wichtigsten sein.
Ein Kampf der Clans kann das Land in eine wahre Schlangengrube verwandeln. Zudem ist der usbekische Geheimdienst (der Nachfolger des KGBs zu Sowjetzeiten) notorisch brutal und scheinbar auf dem Vormarsch die Macht zu ergreifen. Laut eines ehemaligen britischen Botschafters in Taschkent sollen Dissidenten in Kessel mit kochendem Wasser geworfen worden sein und Frauen wurden mit Scheren und anderen Metallobjekten vergewaltigt.
Das Fergana-Tal in Usbekistan war schon immer eine Hochburg des Islamismus. Daher rührt auch die in letzter Zeit entstandene Frage: Wie real ist die Bedrohung für den zentralasiatischen Raum durch dem Machtzuwachs des Islamic State im Nahen Osten? Wenn man sich damit beschäftigt, kann man auch nicht ignorieren, dass die islamistische Bedrohung in Zentralasien oft in keinem Verhältnis zur Beeinflussung durch äußere Mächte steht – wobei diese Mächte meist die Diktatoren in Schach halten (können).
Natürlich haben die Diktatoren der Region ein ureigenes Interesse an der Darstellung, dass sie ein Bollwerk gegen die steigende Flut des islamistischen Extremismus sind und sich damit in dem vom Westen geführten Krieg gegen den Terror einreihen.
Josef Stalin wusste, dass es sehr wichtig war die Kontrolle über Usbekistan zu behalten, damit ganz Zentralasien ruhig bleibt. Seine verheerende Lösung in der zentralasiatischen Nationalitätenfrage in den 1920er Jahren sah vor, dass die usbekischen Gemeinden als Minderheiten in vier benachbarte „Stans“ zu Usbekistan aufgehen. (Es gibt übrigens auch eine usbekische Bevölkerung in der Region Amu-Darja in Afghanistan.)
Und dann haben wir noch das große Spiel mit Russland, China und den USA. Nicht nur die geografische Lage, sondern auch sein großer Reichtum an seltenen Mineralien machen Usbekistan für die Großmächte zu einem wichtigen Asset. Im Moment liegt China im Ansehen Karimovs vor Russland und den USA. Die chinesischen Geschäftsinteressen haben dadurch enorm profitiert. Karimov fühlt sich in seiner derzeitigen Rolle sehr wohl, da Peking nie moralisierend den Zeigefinger hebt und Demokratie, Menschenrechte, etc. einfordert und gleichzeitig nimmt der Handel und die Investitionen zwischen beiden Ländern zu.
Sollte Usbekistan ins Chaos gestürzt werden, dann wird es die gesamte Region mit sich nehmen. Die Einsätze sind für Russland und China so hoch, dass eine Intervention ihrerseits, die entweder gemeinsam unter der Schirmherrschaft der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit oder durch Russland allein erfolgen wird, in Usbekistan zu einem bestimmten Zeitpunkt erforderlich werden könnte. Russland besitzt immer noch enormen Einfluss hinter den Kulissen in Taschkent, insbesondere auf der Ebene der Sicherheitsbehörden.
Aber die Amerikaner halten eine Trumpfkarte in ihren Händen – die „Farbenrevolution“. In der Tat ist Usbekistan reif für eine Farbenrevolution, jetzt da es offensichtlich ist, dass die Tage des Diktators vorbei sind.
Mit der Gründung der US-Militärbasen in Afghanistan entstand eine sehr starke amerikanische Geheimdienstpräsenz in dieser Region. Die USA hat Verhandlungen mit usbekischen Dissidenten geführt und alles zusammen genommen steht die erforderliche „Infrastruktur“ für die Inszenierung einer Farbenrevolution bereit. Um sicher zu gehen, dass ein solches Unterfangen funktioniert, werden die USA alle russischen Versuche, Usbekistan Richtung Moskau zu drängen, verhindern.
Auf der anderen Seite könnte ein freundliches Regime in Taschkent für Russland bedeuten, dass Usbekistan geneigt ist wieder in die Collective Security Treaty Organization (CSTO) zurück zu kehren und vielleicht bewirbt sich Usbekistan sogar auf eine Mitgliedschaft in der noch jungen eurasischen Wirtschaftsunion, die wohl das wichtigste Vehikel für eine regionale Integration im „post-sowjetischen“ Raum ist.
Kasachstan ist bereits Mitglied dieser eurasischen Wirtschaftsunion, Kirgisistan steht kurz vor einem Beitritt und in Tadschikistan wird gerade darüber nachgedacht. Aber sollte Usbekistan seine Karimow-Ära der Unnahbarkeit hinter sich lassen und stattdessen für die Mitgliedschaft in der CSTO und der Wirtschaftsunion eintreten, wäre dies ein Signal für Moskaus eurasische Geopolitik und der Kreml hätte somit die USA und die NATO daran gehindert in Russlands Hinterhof neue Machtstrukturen aufzubauen.
Und genau aus diesem Grund möchte die USA den voraussichtlichen Gang der Ereignisse in Usbekistan vorherbestimmen und beeinflussen. Idealerweise würden die USA die NATO als Garant für Sicherheit in Zentralasien etablieren und daher wäre ein Standbein in Usbekistan sehr wünschenswert.
Quellen:
Uzbek Authorities Acknowledge Karimova Under House Arrest
Does IS Pose A Threat To Central Asia?
Militant Islamist Groups in Central Asia and Their Foreign Contacts
Armenia Joins Eurasian Economic Union
Uzbekistans Bubbling Pot of Destabilization