Der Islamische Staat (IS) hat um Haaresbreite das optimale Timing bei der Bekanntgabe, dass sie ein Mitglied einer amerikanischen Hilfsorganisation geköpft hat, verpasst. Die Ankündigung hätte einen Tag früher erfolgen sollen, genau dann als der G20-Gipfel im Gange und die russische „Aggression“ in der Ukraine im Begriff war in die Mitte der Bühne, ganz nach dem Plan der westlichen Länder, angeführt durch die Vereinigten Staaten, gestellt zu werden.
Der IS hätte den US-Präsidenten Barack Obama leicht in die Zwickmühle bringen können, und sein australischer Kumpel hätte vielleicht auch nicht auf ein so ungehobelten Verhalten zurückgegriffen.
Es besteht dennoch eine gewisse poetische Gerechtigkeit, dass bei diesem Gipfel der US-Triumph Russland als das absolute Böse hinzustellen nur von kurzer Dauer war.
Der IS hat Obama daran erinnert, dass die USA eine Menge Blut an ihren Händen hat und dass Mord Mord erzeugt. Übrigens ist es nicht muslimisches Blut allein; der „Regimewechsel“, den Obama in der Ukraine im Februar einleitete, hat bisher 4.000 Menschen das Leben gekostet. Was ist dazu im Vergleich ein amerikanisches Leben in Mesopotamien wert? Dennoch bezeichnet es Obama als „das pure Böse“, wenn der IS einen einzigen Amerikaner tötet.
Der G20-Gipfel in Brisbane hätte sich zu einem kreativen Forum entwicklen können, bei dem eine Lösung für die Krise in der Ukraine gefunden hätte werden können. Stattdessen erhielt der australische Premierminister Tony Abbott einen mitternächtlichen Anruf aus Washington, den Gipfel in eine – frei nach Orwell – Tierfarm zu verwandeln. Was er dann auch ganz loyal tat.
Doch die Probleme fangen jetzt erst an. Erstens: Die Situation in der Ukraine wird eine weitere Wende hin zum Schlechteren nehmen. Zu erwarten ist ein weiteres Blutvergießen. Russland muss seine nationalen Interessen schützen und nach dem was in Brisbane passierte, wurde es in seinem Denken bestätigt – und das zu Recht -, dass die Ukraine nur das Symptom einer konzertierten Strategie der USA ist, Russlands zunehmende Rolle als unabhängiges Machtzentrum der Weltpolitik einzudämmen.
Offensichtlich will Obama einen „eingefrorenen Konflikt“ in der Ukraine, der kurz- und mittelfristig ein Hindernis in den Beziehungen Russlands zu den westeuropäischen Staaten schafft und wiederum bei der transatlantischen Führung durch die USA hilft, ganz abgesehen von der Stärkung der NATO.
Zweitens: Die Bitterkeit in den Beziehungen Russlands mit dem Westen, die in Brisbane bewusst geschürrt wurde, wird das Klima der Weltpolitik als Ganzes beeinträchtigen. Das böse Blut in den Beziehungen zwischen den USA und Russland wird sein Echo im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen finden, insbesondere dann, wenn die UNO aufgefordert sein wird die „Hotspots“ in der Welt anzugehen. Und dieses böse Blut wird zudem die Obama-Präsidentschaft überdauern.
Obamas Ansatz könnte sein, dass mit dem Iran auf US-Seite die Zusammenarbeit mit Russland im Nahen Osten nicht mehr benötigt wird. Ebenso könnte Obama darauf hinarbeiten, dass die faszinierende Aussicht auf eine „neue Art von Beziehung“ zwischen den USA und China, Peking davon abhalten könnte die Zusammenarbeit mit Moskau zu einer wahren Allianz gegen Washington werden zu lassen.
Allerdings können beide Annahmen auch falsch sein – oder schlimmer noch, irrelevant sein – denn es gibt außer Russland, China oder dem Iran noch andere Machtzentren in der Weltpolitik. In der Tat hat das Auftauchen des IS dies nur unterstrichen.
Nochmals: Was passiert, wenn Russland seine Selbstbeherrschung verliert und den Gang für eine aktive Opposition gegen die Politik der USA einlegt – hin zu einer passiven Nicht-Kooperation? Bislang ist dies aufgrund einer Vielzahl an Gründen nicht geschehen. Ist der G20-Gipfel in Brisbane letztendlich ein entscheidender Moment für die russischen Eliten, die immer noch an den Westen appellieren, etwas an ihrer Politik, ihrem Verhalten und ihrer Zurückhaltung zu ändern?
(Teil-Übersetzung des Artikels US shows pure evil to Russia, IS pays back von M K Bhadrakumar)
Quellen:
US shows pure evil to Russia, IS pays back
From Vlad to worse: He was snubbed at the airport, made to sit alone at dinner, shunted to the edge of the family photo and condemned by world leaders… it’s no wonder President Putin was Russian to leave the G20 summit
Obama calls IS beheadings „pure evil“
Hunt for Red October off Brisbane
Russian ‚Aggression‘ In Ukraine Takes Center Stage At G20