Da kann man schon mal die Sektkorken knallen lassen. Am 11. Dezember landete die Wall Street einmal mehr einen Coup: Versteckt im Anhang zum Haushaltsgesetz, das einen erneuten Shutdown der US-Staatsausgaben verhindern sollte, wird ein Teil des Dodd-Frank-Acts, der nach der Finanzkrise 2008 eingeführt wurde, um die Banken wieder etwas zu regulieren, zurückgenommen. So müssen ab sofort nicht mehr risikobehaftetet Derivate in den Bilanzen von Tochterunternehmen, die nicht der staatlichen Garantie FDIC unterliegen, eingebucht werden. Konkret bedeutet das, dass die hochspekulativen Derivategeschäfte jetzt wieder auf die Schultern der Sparer, Pensionäre und Steuerzahler gelegt wurden – inklusive etwaiger Verluste, exklusiver etwaiger Gewinne. Wie ich bereits im Artikel Ölpreis und Finanzkollaps: Wir werden die mit Rohstoff-Derivaten vollgesaugten Banken wieder einmal retten müssen geschrieben haben, ist diese Aufweichung ein erneutes Geschenk für die Wall Street, die damit die am Horizont immer deutlicher werdenden Verluste aus dem Derivategeschäft mit Erdöl nicht selber tragen müssen.
Wer jetzt denkt, dass hat nur wenig mit Deutschland zu tun, sei daran erinnert,
a) dass die Lehman-Pleite 2007 ihre Schockwellen über die ganze Welt sandte und
b) dass von der Öffentlichkeit unbemerkt beim letzten G20-Gipfel in Brisbane ein weiteres Geschenk für die Banken dieser Welt verabschiedet wurde. Das Adequacy of Loss-Absorbing Capacity of Global Systemically Important Banks in Resolution (Angemessenheit der Verlustausgleichsfähigkeit der globalen systemrelevanten Banken in Auflösung) – eingebracht durch das Financial Stability Board (FSB), wenn man so viel die „Regulierungsbehörde der BIZ“.
Noch nichts davon gehört? Kein Wunder, ist es doch das finanzpolititsche Äquivalent eines Erdbebens, das alles bekannte niederreißen kann und das man keinesfalls an die große Glocke hängen will:
Russell Napier, writing in ZeroHedge, called it “the day money died.” In any case, it may have been the day deposits died as money. Unlike coins and paper bills, which cannot be written down or given a “haircut,” says Napier, deposits are now “just part of commercial banks’ capital structure.” That means they can be “bailed in” or confiscated to save the megabanks from derivative bets gone wrong.
Rather than reining in the massive and risky derivatives casino, the new rules prioritize the payment of banks’ derivatives obligations to each other, ahead of everyone else. That includes not only depositors, public and private, but the pension funds that are the target market for the latest bail-in play, called “bail-inable” bonds.
(Russell Napier, der auf auf Zerohedge schreibt, nannte es „den Tag an dem das Geld starb.“ In jedem Fall könnte es der Tag gewesen sein an dem das Sparguthaben als Geld starb. Im Gegensatz zu Münzen und Geldscheinen, die nicht abgewertet werden können oder bei denen man einen „Haircut“ verpassen kann, sagt Napier, sind Sparguthaben jetzt „nur ein Teil der Kapitalstruktur der Geschäftsbanken“. Das bedeutet, dass der Staat die Guthaben für ein „Bail-In“ verwenden oder beschlagnahmen kann, um die Megabanken vor Verlustren bei derivativen Wetten zu retten, die schief gelaufen sind.
Anstatt im ausufernden und riskanten Derivate-Casino aufzuräumen, priorisieren die neuen Regeln die Zahlung von Derivate-Verpflichtungen der Banken untereinander, vor allen anderen. Dazu gehören nicht nur Sparer, öffentliche und private, sondern insbesondere die Pensionsfonds, die der Zielmarkt für das neueste Rettungsspiel sind. Ein Spiel namens „Bail-inable“-Anleihen.)
Diese „neue FSB-Regelung“ ist nichts anders als die Fortsetzung des „Bail-Outs“ mit anderen Mitteln, nachdem es zu einem Aufschrei der Entrüstung kam als man in Zypern erstmals das „Bail-In“ einsetzte. Um das zu konkretisieren: Nach diesem Aufschrei kam das FSB mit der Idee eines „Sicherheitspuffers“ ums Eck, der eingesetzt werden soll, bevor es an die Einlagen der Sparer geht. In der letzten Fassung dieser Regelung müssen die Banken einen Puffer aufbauen/besitzen, der zwischen 16 und 20% ihres risikobehafteten Geschäfts beträgt. Dabei ist dieser Puffer in Form von Aktien und Wandelschuldverschreibungen zu halten, die zu Eigenkapital umgewandelt werden können, wenn es zu einer Insolvenz kommt.
Die als „bedingte Kapitalanleihen“, „Bail-inable-Anleihen“ oder „Bail-in-Anleihen“ bezeichneten Titel verstecken im Kleingedruckten, dass die Anleihegläubiger vertraglich (anstatt gesetzlich gezwungen) zustimmen, dass, wenn bestimmte Bedingungen eintreten (insbesondere die Insolvenz der Bank), das Geld der Kreditgeber dem Bankkapital zugeschlagen wird.
Doch selbst 20% sind nicht ansatzweise ausreichend, um eine Megabank vor dem Zusammemnbruch zu retten, wenn sie sich am Derivatemarkt verzockt hat. Und genau hier kommt dann die unter Punkt a) aufgeführte „Rückholung der Derivaterisiken unter den staatlichen Sicherheitsschirm“ zum Tragen. Wirklich eine runde Sache, die sich da die Wall Street und die City of London ausgedacht haben…
Kommt da nicht wahre Freude auf?
Quellen:
The Global Bankers’ Coup: Bail-In and the Shadowy Financial Stability Board
Why Citi May Soon Regret Its Big Victory on Capitol Hill
New G20 Rules: Cyprus-style Bail-ins to Hit Depositors AND Pensioners
Russell Napier Declares November 16, 2014 The Day Money Dies
Australian Banks Demand Protection From Derivatives Losses Under Bail-In Plan
G20 proposes buffer to end too big to fail banks