Robert Triffin, ein belgischer Ökonom, der unter anderem von 1942-46 verschiedene Positionen bei der Fed, zwischen 1946-48 beim IWF und danach eine Professur an der Yale University inne hatte, zeigte bereits in den 1960er auf, warum eine Weltleitwährung letztlich immer im Spannungsverhältnis zwischen kurzfristigen inländischen und langfristigen internationalen Zielen scheitern muss.
Seine Theorie, die in der Volkwirtschaftslehre so gut wie gar nicht diskutiert wird und auch fast nie in den Lehrplänen zu finden ist, versucht dieses Spannungsverhältnis, besser Dilemma – daher auch die Bezeichnung Triffin Dilemma oder Triffin Paradox für seine Theorie -, zu erklären.
Interessanterweise wird Triffin auf der Webseite des IWF (!) in einer Artikelserie mit dem Titel System in Crisis mit den Worten zitiert:
A fundamental reform of the international monetary system has long been overdue. Its necessity and urgency are further highlighted today by the imminent threat to the once mighty U.S. dollar.
(Eine grundlegende Reform des internationalen Währungssystems ist seit langem überfällig. Seine Notwendigkeit und Dringlichkeit sind heute durch die unmittelbare Bedrohung für den einst mächtigen US-Dollar noch offensichtlicher.)
Dieser 1960 von Triffin geäußerte Satz zeigt, dass bereits vor 55 Jahren den Ökonomen bewusst war, dass der US-Dollar (oder auch jede andere nationale Währung, die zur Weltleitwährung ernannt wird) auf Dauer weder durch eine Verknappung noch durch eine Volumensexpansion am Leben erhalten werden kann.
Im internationalen Geldsystem kann die USA ihr eigenes Zahlungsbilanzdefizit (ja, genau jene 2 Milliarden US-Dollar, die die USA jeden Tag braucht um zu überleben) nicht einfach reduzieren. Triffin begründet es damit, dass dadurch die internationale Gemeinschaft ihre „größte Quelle an Reserveerhöhungen (im englischen Original largest source of additions to reserves)„ verlieren würde. Die daraus resultierende Liquiditätsverknappung könnte dann die Weltwirtschaft in eine kontraktive – also auf dieser Verknappung beruhende – Abwärtsspirale ziehen, was wiederum zu Instabilitäten führen würde.
Aber auch der andere Weg der Ausweitung des US-Defizits, also ein permanenter Strom an frischen neuen US-Dollar für die Weltwirtschaft, kann keine Lösung sein. Denn eine übermäßige Dollarschwemme würde das Vertrauen in den Wert des US-Dollars an sich erodieren lassen. Und ohne Vertrauen wird jedwede Währung nicht als Weltleitwährung auf Dauer akzeptiert werden. Triffin sprach in diesem Kontext noch davon, dass bei Wegfall des Vertrauens das damals bestehende fixe Wechselkurssystem zusammen brechen könnte, was wiederum – analog zu oben – zu Instabilitäten führen würde.
(Anmerkung von mir: Um das Problem des Vertrauens in den Griff zu bekommen, dürften die USA damals auch auf die „Idee“ gekommen sein, ihre Währung an etwas werthaltigem wie Erdöl zu koppeln [Petrodollar] und das „Vertrauen in den US-Dollar per militärischer Macht in die Welt zu tragen“.)
Man kann nach Triffin also eine nationale Währung nicht für einen längeren Zeitraum zu einer internationalen Weltleitwährung machen – ohne dass es zu massiven Problemen und Verwerfungen (inkl. einer immer größer werdenden zwingend notwendigen Aufschuldung) kommt -, was er auch empirisch am Vorgänger des US-Dollars als Reservewährung, dem Britischen Pfund, nachwies.
Triffin wusste, dass sowohl eine Reduzierung als auch eine Ausweitung des US-Defizits – sprich der US-Dollar-Menge im Ausland – keine Lösungen waren. Er schlug deshalb vor, dass eine neue Weltleitwährung kreiert werden müsste. Dabei sollte diese nicht auf Gold oder Währungen basieren, sondern zusätzlich zur vorhandenen Weltleitwährung die Gesamtliquidität in der Welt erhöhen. So könnte die USA ihr Zahlungsbilanzdefizit reduzieren und trotzdem eine weitere Expansion der Weltwirtschaft erfolgen, da quasi die „wieder eingesammelten US-Dollar“ durch die neue Reservewährung eingetauscht werden. Über die Zeit würde dann eine solche neue Währung alle Funktionen des US-Dollars übernehmen.
Interessanterweise verfügt Triffins ehemaliger Arbeitgeber IWF genau über jenes Instrument, das die Rolle einer zukünftigen Weltleit- oder Reservewährung übernehmen könnte: Die sogenannten Special Drawing Rights (SDR) oder Sonderziehungsrechte.
Diese SDRs wurden erstaunlicherweise 2009 vom damaligen Gouverneur der Nationalbank Chinas, der People’s Bank of China, im Zuge seines Vortrags Reform the International Monetary System, der sich auch mit dem Triffin Dilemma befasste, als mögliche internationale (Ersatz-)Währung (bzw. eine Abwandlung davon) genannt. Wenn man zudem weiß, dass die turnusmäßigen Gespräche über die Gewichtung bzw. die Ausgestaltung der SDR eigentlich Ende letzten Jahres/Anfang dieses Jahres hätten stattfinden müssen und dort insbesondere der Renminbi aufgenommen werden sollte, wird das Ganze noch interessanter.
Auch die Repatriierungversuche der eigenen Goldbestände diverser Länder (Holland, Deutschland, Venezuela usw.) aus den USA dürften meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang stehen, da ein bewusster „Bedeutungsverlust“ des US-Dollars gleichzeitig die Stärkung anderer Währungen von Nöten macht. Ob ebenfalls die Abkopplung des Schweizer Frankens vom Euro in diesem Kontext eine Rolle spielt, glaube ich eher nicht, da der CHF nicht im Währungskorb der SDR vertreten ist.
Bei diesem Szenario stellt sich natürlich unweigerlich die Frage, wie die USA zu einer neuen Weltleitwährung steht. Und hier wird es meines Erachtens nach sehr interessant. Denn es gilt hier zu unterscheiden zwischen der US-Administration, die sicherlich keine solche „Abstufung des US-Dollars“ will und den eigentlichen Strippenziehern im Hintergrund, die weder nationale Interessen kennen oder als wichtig erachten, noch irgendwelche Probleme damit haben Währungen „sterben“ zu lassen, solange es in ihrem Sinne verläuft, ihre Macht nicht schmälert und sie als klassische Gewinner daraus hervorgehen. Von dem her scheint mir eine Argumentation, dass dies „die USA nie zulassen werden“ müßig zu sein. Vielmehr macht es genau jene „Internationalisierung der Interessen“ dieser Kaste sogar wahrscheinlicher.
Ich kann mir vorstellen, dass viele Leser mit dem hier aufgezeichneten Versuch nicht allzu viel anfangen werden können. Aber wie bei vielen Dingen bringt erst der Versuch einer Erklärung, Menschen auf andere Gedanken und dazu andere Lösungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Mich würde es freuen, wenn es aufgrund dieses Artikels zu einer lebhaften Diskussion kommt.
Quellen:
Wikipedia – Triffin dilemma
Wikipedia – Robert Triffin
The Dollar Glut
Wikipedia – Special drawing rights
China calls for new reserve currency
Zhou Xiaochuan: Reform the international monetary system
False East/West Paradigm Hides The Rise Of Global Currency
An dieser Stelle sei nochmals auf die neue Rubrik Adjunktion – Gemeinsam hinterfragen hingewiesen.
Mein Hintergedanke zu dieser Rubrik ist der, dass ich gerne euch als Leser mehr in die Themen, die auf www.konjunktion.info behandelt werden, einbinden möchte. Dazu könnt ihr auf verschiedenen Wegen (Text, Bild, Audio, Video) Anregungen, Anmerkungen und Fragen zu bereits behandelten Themen oder komplett neuen Sachverhalten stellen. Diese werde ich dann entweder als Einzelartikel versuchen zu beantworten oder in Form einer Gemeinsamschaftsarbeit über die Kommentarfunktion des Artikels durch die Leser “erarbeiten” lassen – ganz nach dem klassischen Gedanken der Schwarmintelligenz.