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Ukraine: Merkel zu Besuch in Washington – Entscheidet sich das Schicksal Europas in den nächsten Tagen?

Obama und Merkel - Bildquelle: Wikipedia / Pete Souza tweetObama und Merkel - Bildquelle: Wikipedia / Pete Souza tweet

Obama und Merkel – Bildquelle: Wikipedia / Pete Souza tweet

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel befindet sich derzeit in Washington zu Gesprächen über einen Friedensplan für die Ukraine. Zur gleichen Zeit ist der russische Präsident Wladimir Putin in Richtung Kairo zu einem zweitägigen Besuch aufgebrochen, was Moskaus Bestrebungen unterstreicht wieder mehr Gewicht im Nahen Osten einzunehmen. Zwei Besuche, die eigentlich auf dem ersten Blick nicht miteinander in Verbindung stehen und sich doch in einer merkwürdigen Art und Weise überschneiden.

Vor der Abreise nach Washington sprach Merkel auf der Münchener Sicherheitskonferenz. Dort bekräftigte sie, dass Waffenlieferungen an das ukrainische Militär, das gegen die pro-russischen Separatisten in der Ostukraine kämpft, nicht zur Lösung der Krise beitragen. Sie unterstrich, dass Deutschland weiterhin auf der Suche nach einer diplomatischen Lösung ist.

Am Vorabend seiner Abreise nach Kairo äußerte sich Putin zur globalen Hegemonie der Vereinigten Staaten und dessen kategorische Ablehnung durch Russland. In einem Interview mit der Zeitung Al-Ahram warnte er auch davor, dass Kiew sich in einer „Sackgasse voller Katastrophen“ befindet, wenn es weiterhin militärische Operationen verfolgt. Diese Aussage muss man als indirekten Seitenhieb auf Washington verstehen. Putin gab zudem bekannt, dass am kommenden Mittwoch ein Gipfeltreffen (Ukraine, Russland, Deutschland, Frankreich) stattfinden wird, „wenn man es bis dorthin geschafft hat unsere Positionen zu vereinbaren.“

Putin könnte damit indirekt Bezug auf die scheinbar entscheidenden zwei Knackpunkte im Französisch-Deutschen-Friedensplan genommen haben:

  1. Ob der vorgeschlagene Waffenstillstand zwischen der ukrainischen Armee und den Separatisten die aktuellen Realitäten am Boden widerspiegeln wird oder ob auf dem Status quo ante basierend auf dem Minsker Abkommen vom September letzten Jahres Verhandlungen geführt werden sollen.
  2. Die Parameter der vorgeschlagenen „Föderalisierung“ der Ukraine, die die Autonomie für die pro-russischen Regionen im Osten gewähren würde.

Diese Eckpunkte sind in ihrer scheinbaren Einfachheit etwas irreführend. In der Tat sind sie ziemlich schwierig zu lösen. Um es auf den Punkt zu bringen: Merkel hat die Aufgabe Präsident Barack Obama soweit wie möglich davon abzubringen schwere Waffen in die Ukraine zu schicken, wie auch ihm zu verdeutlichen, dass er die bittere Pille schlucken muss, dass Russland derzeit am längeren Hebel sitzt, was die Situation in der Oktukraine betrifft.

Der Kern des Ganzen ist, dass hinter der schrillen unerbittlichen westlichen Rhetorik der vergangenen Monate, dass Russland aufgrund der „intelligenten Sanktionen“ des Westens zusammenbrechen wird (oder kurz davor steht), die Erkenntnis entsteht, dass Moskau an den eigenen Interessen bzgl. der Ukraine festgehalten hat – und auch beabsichtigt das weiterhin zu tun – und darüber hinaus aus den vorherrschenden Gegebenheiten einen strategischen Vorteil gezogen hat. Die einfache Realität ist, dass jeden Tag an dem die Kämpfe im Osten der Ukraine anhalten, die separatistischen Kräfte weiter an Stärke zu legen, so dass eine Waffenruhe (oder auch ein „eingefrorener Konflikt“) für den Westen mit noch mehr Eingeständnissen versehen wäre als in der jetzigen Situation.

Zudem kann die westliche Propaganda nicht mehr vertuschen, dass das ukrainische Militär immer mehr – im wahrsten Sinne des Wortes – auseinander fällt. Losgelöst vom amerikanischen Wunsch Waffen nach Kiew zu schicken, wüsste auch Washington, dass ein solcher Schritt in der nahen Zukunft kaum einen Unterschied im Kräftegleichgewicht in der Region mit sich bringen würde und die Lage wahrscheinlich sogar verschlimmern kann, insofern eine direkte Konfrontation mit Moskau daraus folgen könnte.

Auch wenn Washington und Kiew Unterstützung für die Idee einer Verfassungsreform in der Ukraine und die Umwandlung des Landes in ein föderales Systems geäußert haben, wird niemand von ihnen wirklich eine tatsächliche Autonomie der östlichen Regionen wollen. Gerade weil eine solche Autonomie ein Mitspracherecht der Ostukraine in der Außen- und Sicherheitspolitik mit sich bringen würde. Oder anders gesagt: Keine Verfassungsreform, die es den östlichen Regionen ermöglich würde eine Eingliederung des Landes in die NATO zu blockieren (was letztendlich die ursprüngliche Absicht hinter dem von der USA unterstützten Staatsstreich im vergangenen Februar war), würde im Sinne Kiews und der USA sein.

Wladimir Putin – Bildquelle: Wikipedia / www.kremlin.ru

Eigentlich reicht es zu sagen, dass Merkel eine hoffnungslose Mission in Washington unternimmt. Auf der einen Seite kann sie sich der europäischen (vor allem deutschen) öffentlichen Meinung nicht entziehen, die von der drohenden Aussicht auf einen Krieg entsetzt ist und sich immer mehr Sorgen macht bzgl. der typischen nihilistischen Politik der USA, die von dem Gedanken der Isolierung und Schwächung Russlands besessen ist (wobei die Folgen für die USA selbst vernachlässigbar sind).

Auf der anderen Seite ist es noch nicht allzu lange her (Mitte des vergangenen Jahres), dass Merkel selbst auf der gleichen Seite wie Obama stand, als sie nach einem Besuch in Washington gemeinsam beschlossen den Einsatz zu erhöhen, indem sie „intelligente Sanktionen“ gegen Russland einführten – auf Kosten vor allem der Europäer.

Während Merkel inzwischen ein wachsendes Gefühl der Niederlage verspüren muss, da die Sanktionen gegen Russland nicht funktioniert haben, zerfällt die ukrainische Wirtschaft und das ukrainische Militär steht am Rande des Zusammenbruchs. Zudem droht Merkels Umgang mit der Krise in der Ukraine ihren veröffentlichten Status als wichtigsten europäischen Regierungschef zu beschädigen. Dennoch, in wie weit Merkel in der Lage ist die Hardliner der neokonservativen Lobby um Obama in Washington Parolie zu bieten, bleibt abzuwarten. Leider muss man davon ausgehen, dass Merkel eher erneut von ihrem Standpunkt der Nichtlieferung von schweren Waffen in die Ukraine abrücken wird.

Die derzeitige Stimmung in Washington ist aufgebracht. Sinnbildich dafür die harte Rhetorik des kriegshetzenden Senators John McCain auf der Münchener Sicherheitskonferenz, wo er Merkel persönlich angriff, während er gleichzeitig die Animositäten des Kalten Krieges bediente und praktisch Deutschland beschuldigte ein undankbarer Verbündeter zu sein. Es ist eine heikle Mission für Merkel. Insbesondere da ihr ein Gesichtsverlust droht: Heute Moderatorin und gestern noch die vollumfängliche Unterstützung für Obamas Hardliner-Politik gegenüber Moskau. Tatsächlich stand Merkel bis vor kurzem Obama in nichts nach, was die Rhetorik gegen Moskau (und gegen Putin) betrifft.

Putin tut letzlich das Intelligenteste, was er tun kann, in dem er auf Distanz geht und es den Europäern überlässt einen Sinn im amerikanische Denken zu finden. Zudem bemüht sich Putin selbst die Diplomatie wieder mehr in den Vordergrund zu rücken, wenn er für ein paar Tage nach Kairo reist und Präsident Abdel Fattah al-Sisi eine neue Partnerschaft anbietet. Zu einer Zeit in der Saudi-Arabien versucht Russland entscheidend via der Ausweitung der Ölförderung zu schwächen und Kairos Ausgleich mit Washington auch nicht mehr die Qualität früherer Zeiten besitzt.
Man kann fast die fühlbare Stille in der Luft in Kairo greifen, da das Ergebnis von Merkels Treffen im Weißen Haus zur entscheidenden Frage über Krieg und Frieden in Europa werden kann.

Quellen:
Merkel says ‚weapons won’t help‘ resolve eastern Ukraine crisis
Unipolar world unacceptable to Russia: Putin
Russia’s Putin says Kiev on „dead-end track“ in east Ukraine
Crisis in Ukraine underscores Opposing Lessons of Cold War

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