Boris Nemzow: Muss der Mord als Teil des „Putschhandbuches der Geheimdienste“ gesehen werden?

2003 produzierten das ZDF und der ORF eine Dokumentation mit dem Titel Schachmatt – Strategie einer Revolution oder Fallstudie amerikanischer Politik. Inhaltlich ging es in der Dokumentation um den typischen Ablauf eines von außen gesteuerten Putsches durch die West-Geheimdienste, der eine unliebsame Regierung stürzen und eine Marionettenregierung nach Gnaden des Westen installieren sollte.

Ich habe bereits einmal für den Artikel Ukraine: Wie das “Putschhandbuch” der Geheimdienste umgesetzt wurde die fünf Teilschritte eines solchen Putsches am Beispiel der Ukraine aufgeführt und möchte im Folgenden versuchen diese einzelne Schritte auf die derzeitige Situation in Russland umzulegen.

1. Eröffnung
Die Eröffnung beinhaltet immer das Ausmachen eines Gegners. Im Fall Russlands dürfte angesichts der stattfindenden Propaganda klar sein, wer der Gegner des Westens ist: Putin.
So ist die allseits in den Mainstreammedien anzutreffende Berichterstattung zur Ukraine bzw. Russland immer mit dem (unterschwelligen) Tenor „Putin = Böse“ versehen. Das sehen wir auch bei dem Mord an dem Oppositionspolitiker Boris Nemzow, der in den Medien als Putin- oder Regime-Kritiker bezeichnet wurde. Meist geflissentlich unterschlagend, dass genau jener Nemzow als Jelzin-Günstling ganz auf US-Linie lag und den Ausverkauf Russlands in den 1990ern zu Gunsten US-amerikanischer Interessen beförderte. Natürlich könnte man diese Tatsache als Motiv Putins werten, aber die Art und Weise des Mordes spricht für mich dagegen.
Zur Eröffnung gehören zusätzlich auch verschiedene nachrichtendienstliche Operationen, um politische Gegner der momentanen Regierung zu rekrutieren. Diese sollen im späteren Verlauf zur Destabilisierung des Landes genutzt werden. Der in den USA lebende, ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow könnte genau jene Rolle spielen, wie man auch anhand seiner Äußerungen feststellen kann:

Ich sehe keine Chance, das sich Russland von der brutalen Diktatur Putins auch nur zu etwas entwickeln könnte, das so mild war wie die Lage vor 10 Jahren.

2. Maskierter Angriff
Bei diesem Teilschritt entwickelt der Geheimdienst wirksame, von außen gesteuerte Propagandastrategien, die belegen sollen, dass der derzeitige Machthaber vom Großteil der Bevölkerung abgelehnt wird. Erste Demonstrationen – durchgeführt von ausgewählten Gruppen – begleiten diesen Schritt. Bezüglich Russland dürften wir mit dem Trauerzug erste Ansätze einer solchen „Demonstrationskultur“ sehen. Und auch das Interview des Kriegsnobelpreisträgers Obama zum Mord an Newzow dürfte Teil des maskierten Angriffs sein:

Die Menschenrechtslage in Russland wird schlechter.

3. Kombination
Garri Kasparow - Bildquelle: Wikipedia / Copyright 2007, S.M.S.I., Inc. - Owen Williams, The Kasparov Agency.Garri Kasparow - Bildquelle: Wikipedia / Copyright 2007, S.M.S.I., Inc. - Owen Williams, The Kasparov Agency.

Garri Kasparow – Bildquelle: Wikipedia / Copyright 2007, S.M.S.I., Inc. – Owen Williams, The Kasparov Agency.

Dieser Schritt beinhaltet die Auswahl eines zukünftigen Regierungschefs bzw. den Aufbau einer westlich orientierten Person. Hier kommt einem unweigerlich der bereits oben genannte Garri Kasparow in den Sinn, der quasi die Anweisungen direkt vor Ort abholen kann. Wichtig ist dabei, dass der „Auserwähle“ Akzeptanz bei der Opposition erfährt, was im Falle Kasparows durch die gemeinsame Gründung der Oppositionsbewegung Solidarnost mit Boris Nemzow wohl gegeben sein dürfte. Problematisch ist dabei aber, dass Kasparow im Ausland wohnt, was nach dem Drehbuch der Geheimdienste tunlichst vermieden werden sollte, damit die Glaubwürdigkeit des Kandidaten nicht leidet.

4. Königsangriff
Der Königsangriff ist nichts anderes, wie der eigentliche Putsch selbst. Dabei versuchen die westlichen Geheimdienste dem Normalbürger ein Bild zu vermitteln, dass alle und jeder die derzeitige Regierung ablehnt. Demonstrationen in vielen größeren, wichtigen Städten werden organisiert und westliche Regierungsvertreter befeuern von außen den vermeindlichen Widerstand. Von diesem Schritt dürften wir meines Erachtens noch einiges weg sein und Putin bzw. der Kreml werden wohl alles daran setzen, dass es zu solchen gesteuerten Massendemonstrationen nicht kommen wird. Massendemonstratinen, die oftmals von den westlichen Nichtregierungsorganisationen, wie Open Society oder National Endowment for Democracy (NED), finanziell, logistisch und organisatorisch unterstützt werden. Hier dürfte auch der Grund liegen, warum Putin bereits vor Jahren US-amerikanische NGOs die Arbeit erschwerte bzw. sie aus dem Land warf.

5. Schachmatt
Im letzten Schritt wird der noch amtierenden Regierung dann größtmöglichste Brutalität gegen die eigene Bevölkerung vorgeworfen bzw. Moskau soll gezwungen werden auf vom Westen angestachelte Gewalt mit Gegengewalt zu reagieren. Stichwort: Scharfschützen auf dem Euro-Maidan in Kiew. Konsequenz der Gewaltspirale ist nach Drehbuch dann die Machtübernahme durch die vom Westen aufgebaute Opposition.

Fazit:
Im Unterschied zur Ukraine, wo wir meiner Meinung nach das komplette Putschhandbuch im Einsatz gesehen haben, dürfte es sich im Falle Putins weitaus schwieriger gestalten alle Teilschritte „abzuarbeiten“. Zum einen wird der Kreml die Strategien des Westens en detail kennen und zum anderen dementsprechende Gegenmaßnahmen ausgearbeitet haben. Aber trotzdem sollte man keinesfalls den Wunsch der westlichen Regierungen Putin los zu werden unterschätzen und denken, dass ein Sturz der russischen Regierung durch von außen gesteuerte Kräfte vollständig unwahrscheinlich ist. Es findet sich immer jemand, der gegen entsprechende Bezahlung, Versprechungen oder aufgrund von Erpressungspotenzialen dazu bereit ist sich instrumentalisieren zu lassen. Und die westlichen Geheimdienste dürften zudem durchaus Plan B und C in der Schublade haben, wenn das eigentliche Putschhandbuch nicht 1:1 umsetzbar ist.

Quellen:
Schachmatt – Strategie einer Revolution oder Fallstudie amerikanischer Politik
Ukraine: Wie das “Putschhandbuch” der Geheimdienste umgesetzt wurde
Reaktionen auf das Attentat in Moskau – „Ein brutaler Mord“
Ermordung von Boris Nemzow – Vom Vize-Premier zum Regimekritiker
Gegen Putin: Kasparow erwartet gewaltsamen Aufstand in Russland
Marsch der russischen Opposition – Vereint in der Trauer um Boris Nemzow
Obama nach Nemzow-Mord
Wikipedia – Garri Kimowitsch Kasparow
National Endowment for Democracy (NED)

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