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Jemen und die Ukraine: Die US-Heuchelei, wenn es um „Aggressionen“ geht

Die militärische Intervention in Jemen durch eine von den USA unterstützte Koalition aus arabischen Staaten wird zweifellos den Konflikt, sowohl im Jemen als auch in der gesamten Region, befeuern. Es wird wahrscheinlich ein langwieriger Krieg mit vielen Akteuren werden, die alle ihre eigenen Interessen und ihre eigene politische und geopolitische Agenda verfolgen.

Es ist insbesondere die internationale Reaktion auf diesen neuen regionalen Krieg, die von besonderem Interesse ist; vor allem die Art und Weise wie die Vereinigten Staaten auf diese unbestreitbare Aggression durch seine Verbündeten am Golf reagieren. Während Washington große Anstrengungen unternommen hat, um Russlands Wiedervereinigung mit der Krim und die begrenzte russische Unterstützung für die Anti-Kiew-Rebellen im Osten der Ukraine als „Aggression“ darzustellen, hat Washington kein Problem damit, dass dieselben belastenden Anschuldigungen bei der Beurteilung des Kriegs im Jemen vollständig außen vor bleiben.

So scheint es, dass laut Washington, Aggression nicht durch objektive Indikatoren, wie dem Einsatz von militärischer Hardware, Initiierung der Kampfhandlungen usw., definiert wird. Vielmehr definiert die USA Aggression durch die Beziehung eines gegebenen Konflikts mit den eigenen strategischen Interessen. Bei der Krim und in der Ukraine ist Russland der Aggressor, weil es bei der Verteidigung der eigenen Interessen und denen des russischen Volkes gegen die geopolitischen Interessen der USA gehandelt hat. Während im Jemen der Beginn eines von Saudi-Arabien und anderen US-Vasallen provozierten Kriegs mit dem ausdrücklichen Ziel des Regimewechsels keine Aggression ist, da dieser im Interesse Washingtons liegt.

Sprache versus Realität

Sanaa (Hauptstadt Jemen) - Bildquelle: Wikipedia / Ferdinand Reus from Arnhem, HollandSanaa (Hauptstadt Jemen) - Bildquelle: Wikipedia / Ferdinand Reus from Arnhem, Holland

Sanaa (Hauptstadt Jemen) – Bildquelle: Wikipedia / Ferdinand Reus from Arnhem, Holland

Am 25. März 2015 initiierte eine Koalition arabischer Staaten einen Luftangriff auf den Jemen (zum Zeitpunkt dieser Zeilen gab es noch keine Bodenoffensive, obwohl diese erwartet wird), um die Houthi-Rebellen zurück zu drängen, die die US- und Saudi-Marionettenregierung von Abed Rabbo Mansour Hadi vor ein paar Wochen gestürzt hatten. Der von Saudi-Arabien begonnene Krieg, zusammen mit den Golfmonarchien und Ägypten, ist allein durch Saudi-Arabiens Interessen und zusätzlich durch die der Vereinigten Staaten motiviert.

Innerhalb weniger Stunden nach dem Beginn der Bombardierung wurden Berichte aus dem Jemen bekannt, dass Dutzende, wenn nicht sogar weit mehr, Jemeniten bei den Luftangriffen getötet worden. Trotz des unmittelbaren Verlusts von Menschenleben, ganz zu schweigen von der Zerstörung der Infrastruktur, Gebäuden, Häusern und Gemeinschaften, lobten die Vereinigten Staaten die Operation als Notwendigkeit für die regionale Sicherheit. In der Tat wurde bestätigt, dass zwar keine direkte militärische Unterstützung in Form von Truppen oder aus der Luft stattfand, aber dass die Vereinigten Staaten massiv bei der Durchführung eingebunden gewesen sind.

So gab im Namen des Weißen Hauses und der Obama-Regierung der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates bekannt:

Saudi Arabia, Gulf Cooperation Council (GCC) members, and others will undertake military action to defend Saudi Arabia’s border and to protect Yemen’s legitimate government… In support of GCC actions…President Obama has authorized the provision of logistical and intelligence support to GCC-led military operations.  While U.S. forces are not taking direct military action in Yemen in support of this effort, we are establishing a Joint Planning Cell with Saudi Arabia to coordinate U.S. military and intelligence support…the violent takeover of Yemen by an armed faction is unacceptable and that a legitimate political transition…can be accomplished only through political negotiations and a consensus agreement among all of the parties.
(Saudi-Arabien, Mitglieder des Golf-Kooperationsrates (GCC) und andere werden militärische Aktionen durchführen, um die Grenze Saudi-Arabiens zu verteidigen und Jemens legitime Regierung zu schützen… Zur Unterstützung der GCC-Aktionen… hat Präsident Obama die logistische und nachrichtendienstliche Unterstützung der GCC-geführten Militäroperationen autorisiert. Während US-Streitkräfte nicht direkt an den militärischen Aktionen im Jemen zur Unterstützung dieser Bemühungen teilnehmen, errichten wir eine gemeinsame Planungseinheit mit Saudi-Arabien, um die US-militärische und geheimdienstliche Unterstützung zu koordinieren… Die gewaltsame Übernahme des Jemens durch eine bewaffnete Gruppierung ist nicht akzeptabel und dass ein legitimer politischer Übergang… nur durch politische Verhandlungen und einer Konsensvereinbarung zwischen allen Beteiligten durchgeführt werden kann.)

Mit Washingtons eigenen Worten ist die aggressive militärische Intervention in Jemen sowohl legitim als auch von den USA unterstützt. Darüber hinaus hat die USA offen ihre direkte Beteiligung an der Kampagne in Form von nachrichtendienstlicher und logistischer Unterstützung bestätigt. Was genau mit „nachrichtendienstlicher und logistischer Unterstützung“ gemeint ist, lässt sicherlich Raum für Interpretationen. Zweifellos haben sich die USA mit verdeckten Kräften an der Operation beteiligt, wahrscheinlich sogar auf jemenitischen Boden, ganz zu schweigen von der großen Präsenz in der gesamten Region.

In der Tat ist es allgemein bekannt, dass die CIA im Jemen seit den letzten Jahren stark beteiligt ist, auch mit einem CIA-Chef Brennan als integralem Förderer der Beziehungen. Wie die New York Times im Jahr 2012 berichtete, war das Vorgehen der Obama-Regierung im Jemen darauf gerichtet „eine kleine Anzahl von Spezialoperationstruppen, paramilitärischen CIA-Teams und Drohnen einzusetzen“. Es sei ferner daran erinnert, dass Hadi selbst von Washington im Zuge des Sturzes der ehemaligen Saleh-Regierung handverlesen wurde, und dass Hadi, von den USA als „legitimer“ Präsident beschrieben, in einem als Farce zu beschreibenden „demokratischen Übergang“ durch die USA einstimmig unterstützt wurde.

Insgesamt betrachtet ist es objektiv richtig, dass die Vereinigten Staaten im Jemen mindestens seit dem Jahr 2012 militärisch beteiligt sind, ihren Mann in Sanaa aufgebaut haben, um ihre geopolitische und strategische Position in der Region zu stärken -, natürlich unter dem Vorwand des „Kampfs gegen den Terrorismus“. So liegt es nahe, dass das Weiße Haus die saudische Aggression als legitim betrachtet und sie auch als solches loben. Es ist ebenso wahr, dass die so genannte „Legitimität“ der Militäroperation und die Hadi-Regierung selbst, abhängig von den Interessen der USA sind – nicht mehr und nicht weniger.

Vergleichen Sie nun die von den USA bzgl. des Kriegs gegen den Jemen verwendete Sprache mit der Art und Weise der schier endlos geführten Tiraden der US-Beamten und fast aller Medienexperten zum russischen Vorgehen auf der Krim und in der Ukraine. Alle – von den republikanischen Kriegstreibern eines John McCain bis zum Sprecher des Außenministeriums (und nichtswissenden Comedians) Jen Psaki – haben jede Entscheidungen Moskaus als „russische Aggression“ bezeichnet. In der Tat scheint es, dass allein dieser Satz so etwas wie ein Mantra in Washington ist, auch bei den unterwürfigen und konformen Unternehmensmedien, womit die Geschehnisse als „klare und unmissverständliche Aggression gegen die Ukraine und deren territoriale Integrität“ in die Köpfe der Menschen gepflanzt werden.

Aber bedenken Sie für einen Moment die objektiven Tatsachen. Russlands militärische Interessen auf der Krim, nicht die Sicherheit und Freiheit der russischsprachigen Menschen zu vergessen, wurden direkt bedroht, nachdem der US-gesponserte Putsch in Kiew die korrupte, aber demokratisch gewählte Regierung Janukowitsch im Februar 2014 gestürzt hat. Als Reaktion darauf startete Russland eine begrenzte Militäroperation auf der Krim, um seine Interessen zu sichern. Dies ist wichtig, weil diese Operation ohne Blutvergießen, ohne Luftangriffe, und ohne einen einzigen Schuss durchgeführt wurde. Während dieser Aspekt inmitten des Lärms des Kriegsgebrülls und der Ungläubigkeit aus Washington vergessen wird, darf es nicht seitens der scharfsichtigen, politischen Beobachter in Vergessenheit geraten. In der Tat verlief die russische „Aggression“ auf der Krim ganz ruhig und daher selbstverständlich auch ganz defensiv.

Auf der anderen Seite stellen die „legitimen“ Aktionen der USA, Saudi-Arabiens und ihrer Verbündeten keine Aggression dar. Nun, es ist klar, dass die Dutzenden (mittlerweile wahrscheinlich weit mehr) von Familien, die Väter und Söhne, Ehefrauen und Töchter in den Luftangriffen verloren haben, das Ganze sicherlich Aggression nennen würden.

Es sollte auch beachtet werden, dass, anders als auf der Krim, wo die Menschen die Möglichkeit hatten über ihr eigenes Schicksal demokratisch zu entscheiden, die Menschen in Jemen keine solche Möglichkeit erhalten haben. Es gibt seit Jahren im Zuge der Bürgerkriege und der Wiedervereinigung von Nord- und Südjemen Aufstände, und auch eine mögliche Stabilität Jemens durch die neue Houthi-geführte Regierung ist nun auf der Strecke geblieben. Darüber hinaus ist die Vorstellung, dass der Jemen ein funktionierendes Land unter Hadi war, in etwa so richtig, wie dass Frankreich ein funktionierendes Land unter dem Vichy-Regime gewesen ist. Der Sturz Hadis eröffnete die Möglichkeit, dass eine wirklich unabhängige Nation entsteht. Das konnten jedoch Saudi-Arabien und seine Verbündeten einfach nicht zulassen, da es einen gefährlichen Präzedenzfall für ihre eigene innenpolitische Opposition darstellt, die richtigerweise das Haus Saud als Proxy der USA und Israel sieht.

Beachten Sie auch die Rhetorik der „Aggression“ in Bezug auf Russlands sehr begrenzte Unterstützung für die Separatisten von Donezk und Lugansk. Hört man auf die westlichen Medien, würde man denken, dass das russische Militär en masse in diesen Regionen eingefallen ist und einen Krieg gegen das Kiewer Militär kämpft. Die Realität ist, dass, trotz Dutzender an Anschuldigungen und Hunderten von Nachrichten, es noch keine Hinweise auf eine direkte russische Militärpräsenz im Osten der Ukraine gibt. Es ist wahr, dass es russische Freiwillige und einiges an russischem Militärgerät gibt, aber diese sind kaum ein Hinweis auf eine Invasion, geschweige denn auch für eine militärische Unterstützung auf der Ebene, die die USA jetzt für Kiew autorisierte. Selbst aus einer russophoben Perspektive heraus müsste man zugeben, wenn auch widerwillig, dass die Präsenz Russlands im Osten der Ukraine minimal und indirekt ist.

Flagge Saudi-Arabien – Bildquelle: Wikipedia

Vergleichen Sie das nun mit dem massiven Beschuss und den massiven militärischen Aktionen, die von den Saudis und ihren Verbündeten im Jemen durchgeführt werden. In wenigen Stunden hat diese von den USA unterstützte Allianz mehr militärische Ausrüstung eingesetzt und mehr Verwüstung angerichtet, als Russland in mehr als 12 Monaten. Die Frage des Umfangs ist schwierig. Russland nimmt richtigerweise eine Bedrohung der eigenen Grenzen und der eigenen Interessen durch das von den USA gesponserte Kiewer Regime wahr, und hat bislang mit einem hohen Maß an Zurückhaltung gehandelt. Auf der anderen Seite hat Saudi-Arabien, das auch ein von Houthis gesteuertes Jemen als Bedrohung für seine Grenzen und Interessen wahrnimmt, eine massive militärische Kampagne losgetreten, um die Bewegung in Jemen zu zerstören und um einen eigenen Regimewechsel (zurück zu Hadi) zu erreichen.

Das Niveau der Heuchelei aus den USA, der Verbündeten und der angepasssten Medien könnte nicht deutlicher sein. Russland ist ein „Angreifer“, während Saudi-Arabien ein „Verteidiger“ ist. Der Iran ist der Sponsor eines Regimewechsels im Jemen, während die USA in der Ukraine nur die „demokratischen Kräfte“ unterstützt. Assad muss gehen, aber Hadi muss bleiben. Der bereits auf den ersten Blick offensichtliche Punkt ist die wieder einmal geheuchelte Legitimität und Illegitimität seitens der USA bzgl. ihrer Interessen, nicht bzgl. des Völkerrechts oder objektiver Fakten.

Das ist auch in der nicht-westlichen Welt bekannt und zweifellos wahr. Aber hier in den USA und im Westen wird die Geschichte von den Mächtigen geformt, die ihre eigene Agenda zu fördern versuchen. Sie wählen die Worte, und sie diktieren, was und was nicht akzeptabel ist. Sie sind das Ministerium für Wahrheit und die Gedankenverbrecher, die diese Geschichte in Frage stellen sind gefährliche Umstürzler und Propagandisten. In Wahrheit sind aber diejenigen, die diese Geschichten in Frage stellen, diejenigen, die konsequent auf der richtigen Seite der Geschichte standen, von Vietnam über den Irak, von Libyen, Syrien bis jetzt zu Jemen. Und ich für meinen Teil bin stolz, mich dazu zählen zu können.

(Teil-/Übersetzung des Artikels Yemen, Ukraine, and the Hypocrisy of ‘Aggression’ von Eric Draitser/NEO – New Eastern Outlook)

Quellen:
Yemen, Ukraine, and the Hypocrisy of ‘Aggression’
Dozens Killed in Saudi Airstrikes on Yemen
Statement by NSC Spokesperson Bernadette Meehan on the Situation in Yemen
U.S. Teaming With New Yemen Government on Strategy to Combat Al Qaeda
US House Votes 348-48 To Arm Ukraine, Russia Warns Lethal Aid Will „Explode The Whole Situation“

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