USA-Russland: Die sich aufschaukelnde Konfrontation wird auf europäischen Boden ausgetragenLesezeit: 6 Minuten
Der militärisch-industrielle Komplex der USA hat mit der Planung der permanenten Stationierung von Kampfpanzern und anderer schwerer militärischer Ausrüstung in Osteuropa und den baltischen Staaten die Eskalationsschraube einmal mehr angezogen.
Der Plan des Pentagons sieht eine Stationierung von schweren Waffen in Polen, Rumänien, Bulgarien, Litauen, Lettland, Estland, etc. vor. Also in genau jenen Staaten, die der Kriegsverbrecher und ehemalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld kurz nach 9/11 mit der berühmten Bemerkung des „Neuen Europas“ zusammengefasst hat.
Genauso hirngewaschen wie das „Alte Europa“ will das „Neue Europa“ mit aller „Leiden“schaft Teil des Westens und „Verbündeter“ der vermeintlich letzten Supermacht sein. Daher ist es nicht gerade überraschend, dass diese Länder den Plan des Pentagons begrüßen.
Dabei spielt es auch keine Rolle, dass ein solches Vorgehen die letzten Reste einer Vereinbarung unter sich begräbt, die die Regierung Bill Clintons – als Verhandlungsführer der NATO – mit dem vom Westen gesteuerten Wodkacontainer Boris Jelzin – als Repräsentant des „postsowjetischen“ Russlands – im Mai 1997 traf: Der Gründungsakt (im englischen Original Founding Act) über gegenseitige Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicherheit zwischen der NATO und der Russischen Föderation. Unterzeichnet in Paris.
Bereits vier Jahre nach dem Zusammenbruch der UdSSR – also Mitte der Neunziger – begann die USA damit erste Ideen zur Erweiterung der NATO zu entwicklen. Dies geschah trotz der – leider nur – mündlichen Zusicherung gegenüber Michail Gorbatschow, dass das westliche Bündnis sich keinen Zentimeter in Richtung Osten ausdehnen würde, damit Russland seine eigene Sicherheit nicht bedroht sieht.
Um Jelzins Unterstützung für die NATO-Expansionspläne zu gewinnen, kam Bill Clinton, der damals von Strobe Talbott unterstützt wurde, auf die Idee neue Verhandlungen zum oben erwähnten Gründungsakt aufzunehmen. Die Folge war, dass der von den USA übers Ohr gehauene Jelzin die Expansion der NATO akzeptierte, indem Russland als Gegenleistung eine übergreifende Beziehung zwischen dem Bündnis und Russland – angeblich zu gleichen Bedingungen – versprochen wurde.
Wie und warum Russland es zuließ, dass es so von den USA hintergangen wurde, bleibt wohl für immer ein Rätsel. Vielleicht war es die Folge einer korrumpierten russischen Machtelite, vielleicht war es schlichtweg Blauäugigkeit oder auch Gleichgültigkeit.
In direkter Folge der Nachverhandlungen zum Gründungsakt wurden die Tschechische Republik, Ungarn und Polen 1999 Mitglied der NATO, die baltischen Staaten, Bulgarien, die Slowakei, Slowenien und Rumänien im Jahr 2004, sowie Albanien und Kroatien 2009. Zwar legte Russland immer Protest bei den jeweiligen Aufnahmen ein, aber es war zu jener Zeit zu schwach, um die US-Regierungen von George W. Bush und später Barack Obama daran zu hindern.
Eine der feierlichen Versicherungen der Bill Clinton-Administration, um Jelzin die Idee der NATO-Osterweiterung um die Gebiete der ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten schmackhaft zu machen, war die Zusage, dass es keinen
potentially threatening build-up of conventional forces in agreed regions of Europe, to include Central and Eastern Europe (potentiell bedrohlichen Aufbau von konventionellen Streitkräften in den vereinbarten Regionen Europas, inklusive Mittel- und Osteuropa,)
geben wird. Dieser Passus ist genau in diesem (englischen) Wortlaut im Dokument zum Gründungsakt zu finden.
Es ist diese feierliche Versicherung, die die Obama-Regierung nun mit Füßen tritt, wenn sie den Pentagon-Plan zur „Bereitstellung“ von schwerem Kriegsgerät in Osteuropa und den baltischen Staaten umsetzt. Einmal mehr erkannt man die zynische Denkweise der US-Regierung einen feierlich unterzeichneten Vertrag nur so lange als legitim zu erachten, solange er für die USA von Nutzen ist.
Wenig überraschend war die schnelle und eindeutige Reaktion Russlands. Ein Mitarbeiter des russischen Verteidigungsministeriums General Yuri Yakubov ließ kurz darauf verlauten, dass ein solcher Schritt der USA „der aggressivste Schritt seitens des Pentagons und der NATO seit dem Ende des Kalten Krieg wäre… Russland bleibt damit keine andere Wahl, als seine Kräfte und Ressourcen an der westlichen strategischen Front auszubauen“.
Er warnte vor „Schritten, um unsere westlichen Grenzen zu stärken“ und sprach von der Situation in Europa als ein „Abgleiten in eine neue militärische Konfrontation, die gefährliche Folgen haben kann“.
Präsident Wladimir Putin warnte zudem, dass Russland damit gezwungen wird, seine Streitkräfte gegen jedes Land, das in einem militärischen Angriff gegen Russland involviert ist, auszurichten.
Später kündigte Putin an, dass Russland plane sein nukleares Arsenal zu erweitern. „Dieses Jahr werden wir mehr als 40 neue Interkontinentalraketen in unser Atomwaffenarsenal aufnehmen.“ Er unterstrich, dass die neuen Interkontinentalraketen in der Lage wären „selbst die technisch fortschrittlichsten Raketenabwehrsysteme zu umgehen“.
Moskau hat nicht erst seit gestern erkannt, dass die USA und seine NATO-Verbündeten Russland wieder als neuen alten Feind auserkoren haben, um von den eigenen finanziellen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen abzulenken. Und da Russlands konventionelle Streitkräfte denen der USA und der NATO unterlegen sind, bleibt in den Augen Moskaus gar keine andere Wahl als auf die nukleare Abschreckung zu setzen.
Seit Jahren dürften die USA auf diesen Punkt „hingearbeitet“ haben, wenn man sich die zahlreichen Farbenrevolutionen im Gebiet der ehemaligen UdSSR ins Gedächtnis zurückholt. Auch die selbst geschaffene Situation in der Ukraine haben die USA brilliant genutzt, um die Bedingungen von Krieg und Frieden in Europa zu diktieren. Eine abgestimmte Politik am Rande des Abgrunds.
Die USA zwingt gerade seine westlichen Alliierten zu einer Konfrontation mit Russland, die sie bislang versuchten zu vermeiden (vgl. Minsk II). Washington baut auf Moskaus „militärischen Ausbau“ der eigenen Westgrenzen mit Blick auf Europa. Ein Ausbau der eine Kettenreaktion in Europa auslösen kann. Russland und Europa werden gerade wieder einmal von den USA als Gegner in Position gebracht – zum Vorteil Washingtons, der Wall Street und des militärisch-industriellen Komplexes (vgl. hierzu Stratfor/Friedman).
Dabei ist so offensichtlich, dass die Obama-Regierung und die NATO-Bürokratie in Brüssel gemeinsame Sache machen, wenn man sich die schwachsinnigen Äußerungen des Frontkaspers der NATO, des Generalsekretärs Jens Stoltenberg zu Putins Äußerungen anschaut. Die wären laut Stoltenberg „destabilisierend und gefährlich“, obwohl sie nur die logische Folge auf die Stationierungspläne der USA/NATO sind.
Die Position der USA wird derzeit weltweit angezählt (vgl. AIIB, BRICS usw.) und Russlands fortgesetzte strategische Missachtung der amerikanischen Hegemonie kann und wird in dieser Situation von Washington nicht mehr geduldet. Die extrem unabhängige Rolle Russlands auf der Weltbühne frustriert nicht nur die US-Strategen, sondern ist gleichzeitig ein schlechtes Beispiel für andere unabhängig denkende Länder, die in eine ähnliche Richtung gehen. So lange ein trotziges Russland ein unabhängiger Spieler in der großen Politik bleibt, kann die Strategie der USA China in naher Zukunft anzugehen ebenfalls keine Fortschritte machen.
Zudem behindert eine globale strategische Balance (Russlands nukleare Parität) die Versuche der USA ein neues amerikanisches Jahrhundert zu schaffen.
Oder einfach ausgedrückt: Eine Entspannungspolitik zwischen den USA und Russland (im Stil, der nach dem Kalten Krieg gepflegt wurde) liegt nicht im Interesse Washingtons.
Quellen:
Why US is poking the Russian bear
U.S. Is Poised to Put Heavy Weaponry in Eastern Europe
Founding Act on Mutual Relations, Cooperation and Security between NATO and the Russian Federation signed in Paris, France
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