In der letzten Sendung Positionen #3: Demokratie oder Markt – Was kostet uns der Casino-Kapitalismus? von KenFM sprach Dirk C. Fleck davon, dass das Internet in der jetzigen Form mit einem sich schließenden Fenster zu vergleichen ist. Soll heißen, dass sich die Zeit des freien Internets seinem Ende zuneigt. In zahlreichen Artikeln habe auch ich diese Thematik aufgeworfen und mehrmals darauf hingewiesen, dass das Internet, wie wir es heute kennen, ein „Auslaufmodell“ ist, da es den Interessen der Eliten ab einem bestimmten Zeitpunkt zuwiderläuft. Noch dient es denselben, noch sind „Parallelinformationsgesellschaften“ nicht so stark wie die Hochleistungspresse und das äußerst nützliche Überwachungssystem aus Google, Facebook, Amazon und Co.
Aber ab einen bestimmten Punkt wird es für die Strippenzieher notwendig sein, dass freie Internet zu „kappen“. Zahlreiche Gesetze (z.B. in England oder Frankreich) wurden bereits erlassen, die neben dem Ende der Netzneutralität auch die Verbreitung bestimmter Inhalte erschwert oder gar verbietet. Passend dazu hat am vergangenen Montag der US-Supreme Court eine Anfrage des Electronic Privacy Centers ( EPIC) abgelehnt, das das Department of Homeland Security dazu zwingen sollte, Details zu dessen geheimen „Killswitch“-Protokoll freizugeben. In diesem „Killswitch“-Protokoll ist aufgeführt, wie im Falle eines Notstands die mobile und Internetkommunikation abgeschaltet werden kann.
Seit 2011 kämpft das EPIC darum, dass Details dieses Programms namens Standard Operating Procedure 303 (SOP 303) veröffentlicht werden:
On March 9, 2006, the National Communications System (NCS) approved SOP 303, however it was never released to the public. This secret document codifies a „shutdown and restoration process for use by commercial and private wireless networks during national crisis.“
(Am 9. März 2006 hat das National Communications System (NCS) SOP 303 genehmigt, aber es wurde nie für die Öffentlichkeit freigegeben. Dieses geheime Dokument kodifiziert einen „Abschalt- und Wiederherstellungsprozess für die Nutzung von gewerblichen und privaten drahtlosen Netzwerken bei einer nationalen Krise.“)In a 2006-2007 Report, the President’s National Security Telecommunications Advisory Committee (NSTAC) indicated that SOP 303 would be implemented under the coordination of the National Coordinating Center (NCC) of the NSTAC, while the decision to shut down service would be made by state Homeland Security Advisors or individuals at DHS. The report indicates that NCC will determine if a shutdown is necessary based on a „series of questions.“
(In einem Bericht für die Jahre 2006-2007 gab das National Security Telecommunications Advisory Committee des Präsidenten (NSTAC) an, dass SOP 303 unter der Koordination des Nationalen Koordinierungszentrums (NCC) des NSTAC realisiert werden würde, während die Entscheidung zur Abschaltung der Systeme durch staatliche Homeland Security Advisors oder Einzelpersonen beim DHS gefällt wird. Der Bericht zeigt, dass das NCC anhand einer „Reihe von Fragen“ entscheiden wird, ob eine Abschaltung notwendig ist.)
Die Forderung nach Veröffentlichung von SOP 303 geht zurück auf einen Vorfall am 3. Juli 2011 als ein Sicherheitsbeamter des Bay Area Rapid Transit (BART, das Nahverkehrsnetz) in San Fransisco einen Obdachlosen erschoss und es deswegen zu massiven Protesten gegen BART im Juli und August kam. Bei einem dieser Proteste schalteten die BART-Offiziellen das mobile Funknetz bei vier Haltestationen für drei Stunden aus, so dass niemand mehr von dort anrufen, Nachrichten verschicken oder surfen konnte.
Daraufhin wollte EPIC im Juli 2012 die Umsetzungspläne und die Protokolle mit Hilfe des Freedom of Information Act (FOIA) von der Homeland Security bekommen, um nachvollziehen zu können, wie die oben erwähnte „Reihe von Fragen“ aussieht, die letztlich zur Abschaltung führen. Zwar gab ein Distriktgericht in Washington EPIC recht, aber diese Entscheidung wurde in einem späteren Verfahren widerrufen und durch die jetzt aktuelle höchstrichterliche Entscheidung des US-Supreme Courts endgültig bestätigt.
Wir sehen an diesem konkreten Beispiel in den USA ganz klar, dass die Bevölkerung „dumm gehalten“ werden soll, was die innere Funktionsweise eines gefährlichen Regierungsprogramms betrifft. Selbst die Existenz eines solchen „Killswitch“-Protokolls wäre der Öffentlichkeit unbekannt, wenn nicht EPIC versucht hätte via des FOIA mehr Informationen darüber zu bekommen. Aber zu wissen, dass es ein solches Protokoll/Programm gibt, ist nicht genug. Der Inhalt ist das Entscheidende. Und dieser wird der US-Bevölkerung vorenthalten. Logische Folge daraus ist, dass sich niemand gegen eine Abschaltung im Vorfeld vorbereiten oder Alternativen entwickeln kann
Wer nun denkt, dass dies ein spezifisches „Problem“ der USA wäre, der täuscht sich. Zum einen sitzen die wichtigsten Service-Provider für das Internet in den USA, und zum anderen werden auch in Deutschland Stimmen laut, die einen „Notausschalter fürs Internet“ fordern. Bleibt die Frage, wie lange wir noch das freie Internet „geniessen dürfen“?
Quellen:
Positionen #3: Demokratie oder Markt – Was kostet uns der Casino-Kapitalismus?
The US Government Has an Internet Killswitch — and It’s None of Your Business
US-Supreme Court-Entscheidung
EPIC v. DHS – SOP 303
National Security Telecommunications Advisory Committee
NCC STANDARD OPERATING PROCEDURE (SOP) 303
BART San Francisco cut cell services to avert protest
EPIC vs. DHS 1
EPIC vs. DHS 2
BDK beklagt „hysterisch geführte Diskussion“ und fordert Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung