Die iranische Nachrichtenagentur FARS hat vor wenigen Tagen einen Artikel veröffentlicht, der die dramatischen Entwicklungen im nordsyrischen Grenzgebiet zur Türkei beleuchtet. Dieser Bericht ist einer der ersten, der versucht die Truppenstärken und -bewegungen bzw. Entwicklungen in dieser Region detailliert darzustellen, nachdem die Türkei zusammen mit ihren extremistischen Terrorgruppen immer mehr an Boden verliert, da die syrische Armee bzw. die kurdischen Kräfte in konzertierter Aktion mit Russland die Provinz Aleppo befreien.
Aus dem Artikel geht klar hervor, dass die russichen Luftangriffe auf die Terroristen des IS von entscheidender Bedeutung sind. Hierin dürfte auch ein Grund liegen, warum der Westen nun verzweifelt versucht eine Flugverbotszone zu errichten, um die „letzten Reste ihrer Proxy-Armee“ zu schützen. Moskaus Luftbombardement hat in den letzten Wochen die Terroristen schwer getroffen und den Weg für die Erfolge der Bodentruppen der syrischen Regierung bzw. kurdischen Kämpfer bereitet. Doch die Türkei und der Westen versuchen derzeit alles, um ein vollständiges Scheitern „ihrer Mission“ zu verhindern. So strömen neue Kräfte und Material über die türkische Grenze nach Syrien – unter dem Schutz des türkischen Artilleriefeuers, das die kurdischen Kräfte „binden“ soll.
Laut FARS gibt es wachsende Anzeichen dafür, dass eine türkische Militärinvasion kurz bevorsteht. Jedoch ist diese Meldung durchaus mit Vorsicht zu geniessen, da sich die interne Sicherheitslage in der Türkei zusehends verschlechert.
Es scheint so zu sein, dass der entscheidende Moment derzeit eine möglich Einnahme der Stadt Azaz – direkt an der Grenze zur Türkei – durch kurdische Kräfte sein könnte, die laut russischen Medien einen „Schlüsseltransitort“ in der Versorgungsroute der Terroristen aus der Türkei darstellt. So verkündete auch der türkische Premierminister Ahmed Davutoglu öffentlich, dass „We will not let Azaz fall. (Wir es nicht zulassen, dass Azaz fällt.)“.
Zeitgleich dazu verschärft sich in der Türkei die Sicherheitslage. Der Bombenanschlag in Ankara (in der Nähe des Parlaments) mit 28 toten Militärangehörigen scheint nach offizieller Lesart eine Tat von kurdischen Militanten gewesen zu sein. Jedoch sollte man sich auch mit einem anderen Täterkreis beschäftigen, da insbesondere in einem solchen Fall die Frage nach dem „Cui bono?“ zu stellen ist. Wichtig scheint hierbei zu sein, dass bei früheren Anschlägen das Militär die türkische Regierung für ein solches Attentat auf Militärangehörige verantwortlich gemacht hat (interne Sicherheitslücken, fehlender Schutz usw.). Während in diesem konkreten Fall der türkische Präsident Recep Erdogan sofort auf kurdische Extremisten verwies, die für ihn nur die „Bauern“ ausländischer Kräfte seien. Natürlich wurde etwas später noch der routinemäßige Vorwurf geäußert, dass die Kurden mit der syrischen Regierung unter einer Decke stecken würden.
Interessanterweise hat das russische Außenministerium eine außergewöhnlich scharfe Stellungnahme nach dem Terroranschlag in Ankara abgegeben. Die harte Formulierung „barbarisches Verbrechen“ und der Passus der „Notwendigkeit, dass sich alle Länder im Kampf gegen den internationalen Terrorismus vereinen“ würde bedeuten, dass Moskau davon ausgeht, dass dieser Anschlag von extremistischen Gruppen aus Syrien oder dem Irak durchgeführt wurde.
Auch der zweite Anschlag auf einen türkischen Militärkonvoi am vergangenen Donnerstag in Diyarbakir (genau jenes Diyarbakir, das Willy Wimmer immer nennt, wenn er die „Aufteilung“ [Alles, was westlich der Linie Riga – Diyarbakir ist, ist unser Gebiet und wird amerikanisch dominiert – alles östlich davon kann in den Einflussbereich Russlands gelangen.] Europas/Naher Osten erklärt) unterstreicht, dass Erdogan innenpolitisch in Schwierigkeiten gelangen könnte. Die Türkei ist derzeit nicht in der Lage zwei „Kriege“ (einen internen und einen externen) zu kämpfen.
Stellt sich letztlich die Frage, was kann Erdogan in Syrien tun? Das türkische Militär wird eine Invasion Syriens sicherlich nicht ohne eine „Exit-Strategie“ durchführen. Daher ist davon auszugehen, dass Ankara darauf setzt, dass es zu einer Intervention durch die NATO kommen wird, wenn das eigene Militär in „Schwierigkeiten“ geraten wird. Es kann aber auch der perfide Plan der NATO sein, ein Mitgliedsland „vorzuschicken“, um dann mit Hilfe des Artikel 5 (Bündnisfall) des NATO-Vertrags einen „Legitimationsgrund“ für ein Eingreifen zu haben. Wie aber die Haltung der USA dazu passt, die die syrischen Kurden nicht als „Terroristen“ (wie es die Türkei tut) einordnen will, gilt es noch zu eruieren. Gerade weil der US-Vizepräsident in einem Telefonat mit dem türkischen Premierminister Davutoglu die Bezeichnung „syrisch-kurdische Kräfte“ verwendete – sicherlich kein Zufall.
Die Gemengelage in und um Syrien ist der „cassus belli“, ob wir ein offenes – nicht nur wie bisher ein verstecktes – Aufeinandertreffen des Westens mit Russland sehen werden. Leider ist davon auszugehen, dass der Westen jedwede „Konfrontationsmöglichkeit“ sucht, um von den eigenen massiven Schwierigkeiten (ökonomisch, fiskalisch, sozial) abzulenken. Die nächsten Tage und wenigen Wochen dürften entscheidend werden.
Quellen:
Turkish Army Readying to Launch Direct Military Invasion of Syria
Blast Occurs Next to Military Convoy in Southeastern Turkey
Russian Foreign Ministry: Terrorist attacks in Ankara cannot be justified
At least 28 killed in car bomb attack in Turkish capital Ankara
Erdoğan says Turkey to fight forces behind Ankara bombing
„Sanktionen halte ich für falsch“
United States wants NATO to step up fight against Islamic State
‘US Will Regret Its Support of the Syrian Kurds, but It Will Be Too Late’
Readout of Vice President Biden’s Call with Prime Minister Ahmet Davutoglu of Turkey
A stark message to Turkey’s Erdogan