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Syrien: Scheitert das Waffenstillstandsabkommen, dann kommt „Plan B“ von Zbigniew Brzezinski zur Ausführung – das eigentliche US-Ziel?

John Kerry - Bildquelle: Wikipedia / United States Department of StateJohn Kerry - Bildquelle: Wikipedia / United States Department of State

John Kerry – Bildquelle: Wikipedia / United States Department of State

Als der US-Außenminister John Kerry vor einem Ausschuss des US-Senats Rede und Antwort stand, um das Waffenstillstandsabkommen für Syrien, das von den USA und Russland vermittelt wurde, vorzustellen, schwang nicht viel Optimismus in seiner Stimme mit, dass der Plan Erfolg haben wird. Im Grunde genommen nicht weiter verwunderlich, denn informierte Beobachter der Lage in Syrien geben dem Waffenstillstandsabkommen keine reelle Chance, da die Vereinbarung weitgehend in den Händen der vom Westen unterstützten Terroristen liegt. Und diese werden an einem erfolgreichen Waffenstillstand nur bedingtes Interesse (ggf. zur Reorganisation ihrer Kräfte) haben.

Ist dann dieses Waffenstillstandsabkommen nichts anderes als eine Showveranstaltung für die Massenmedienkonsumenten? Gerade weil Kerry immer wieder auf einen „Plan B“ abzielt, falls das Abkommen scheitert?

There is a significant discussion taking place now about a Plan B in the event that we do not succeed at the [negotiating] table. – John Kerry
(Es findet gerade eine bedeutende Diskussion über einen Plan B statt, im Falle dessen, dass wir am [Verhandlungs]Tisch nicht erfolgreich sind. – John Kerry)

Natürlich liess sich Kerry nicht im Detail darüber aus wie dieser „Plan B“ genau aussehen soll. Das heißt mit einer Ausnahme. In einem kurzen Kommentar deutete er an, dass die USA von ihrer Politik des Regime Change (Sturz von Assad) und der Zerstörung Syriens als Ganzes abweichen und stattdessen die Zerstörung Syriens mittels einer Trennung und Teilung des Landes in einzelne getrennte Regionen verfolgen könnten. Am Ende seiner Ausführungen sprach Kerry davon, dass es

[…] too late to keep as a whole Syria if we wait much longer.
([…] zu spät sein könnte, Syrien als Ganzes zu bewahren, wenn wir noch länger warten.)

Genau genommen klingt Kerrys „Plan B“ wie der „Plan A“ anderer Geo-/Strategen, Entscheidungsträger und imperialistischer Lautsprecher. Nehmen wir den Artikel von Michael O’Hanlon, der bei Reuters veröffentlicht wurde und den Titel “Syria’s One Hope May Be As Dim As Bosnia’s Once Was. (Syriens eine Hoffnung mag genauso vage sein wie es die von Bosnien einmal war.)“. In diesem Artikel geht es zuvorderst darum, dass der einzige Weg, den Russland und die USA einschlagen können, um eine friedliche Lösung des Syrienkonflikts zu erreichen, der ist, dass sich beide darauf einigen, dass ein geschwächtes Syrien geteilt und in separate Regionen aufgeteilt wird:

To find common purpose with Russia, Washington should keep in mind the Bosnia model, devised to end the fierce Balkan conflicts in the 1990s. In that 1995 agreement, a weak central government was set up to oversee three largely autonomous zones.
(Um eine gemeinsame Zielsetzung mit Russland zu finden, sollte Washington das bosnische Modell im Auge behalten, das entwickelt wurde, um die schlimmen Balkan-Konflikte in den 1990er Jahren zu beenden. In diesem Abkommen von 1995 wurde eine schwache Zentralregierung errichtet, die drei weitgehend autonome Zonen zu überwachen hatte.)

In similar fashion, a future Syria could be a confederation of several sectors: one largely Alawite (Assad’s own sect), spread along the Mediterranean coast; another Kurdish, along the north and northeast corridors near the Turkish border; a third primarily Druse, in the southwest; a fourth largely made up of Sunni Muslims; and then a central zone of intermixed groups in the country’s main population belt from Damascus to Aleppo. The last zone would likely be difficult to stabilize, but the others might not be so tough.
(In ähnlicher Weise könnte eine Zukunft für Syrien ein Zusammenschluss von mehrerer Regionen sein: eine weitgehend alawitische (Assads eigene Religion), entlang der Mittelmeerküste; eine andere kurdische, Korridore im Norden und Nordosten in der Nähe der türkischen Grenze; eine dritte hauptsächlich für die Drusen, im Südwesten; eine vierte weitgehend für sunnitische Moslems; und dann eine zentrale Region von verschiedenen Gruppen im Hauptbevölkerungsgürtel des Landes von Damaskus bis Aleppo. Die letzte Region würde wahrscheinlich schwierig zu stabilisieren sein, aber die anderen eher wohl nicht.)

Under such an arrangement, Assad would ultimately have to step down from power in Damascus. As a compromise, however, he could perhaps remain leader of the Alawite sector. A weak central government would replace him. But most of the power, as well as most of the armed forces. would reside within the individual autonomous sectors — and belong to the various regional governments. In this way, ISIL could be targeted collectively by all the sectors.
(Bei einer solchen Anordnung würde Assad letztlich von der Macht in Damaskus zurücktreten müssen. Als Kompromiss könnte er aber vielleicht Anführer der Alawiten-Region bleiben. Eine schwache Zentralregierung würde ihn ersetzen. Aber der Großteil der Macht, sowie der Großteil der Streitkräfte, würde innerhalb der einzelnen autonomen Regionen liegen – und zu den verschiedenen regionalen Regierungen gehören. Auf diese Weise könnte der IS von allen Regionen gemeinsam angegangen werden.)

Once this sort of deal is reached, international peacekeepers would likely be needed to hold it together — as in Bosnia. Russian troops could help with this mission, stationed, for example, along the Alawite region’s borders.
(Sobald diese Art von Geschäft erreicht wird, würden wahrscheinlich internationale Friedenstruppen erforderlich sein, um das Ganze zusammenzuhalten – wie in Bosnien. Russische Truppen könnten bei dieser Mission helfen, stationiert zum Beispiel entlang der Grenzen der alawitischen Region.)

This deal is not, of course, ripe for negotiation. To make it plausible, moderate forces must first be strengthened. The West also needs to greatly expand its training and arming of various opposition forces that do not include ISIL or al-Nusra. Vetting standards might also have to be relaxed in various ways. American and other foreign trainers would need to deploy inside Syria, where the would-be recruits actually live — and must stay, if they are to protect their families.
(Dieser Deal ist natürlich noch nicht verhandlungsreif. Um diesen plausibel zu machen, müssen moderate Kräfte zuerst gestärkt werden. Der Westen muss auch stark seine Ausbildung und Bewaffnung der verschiedenen Oppositionskräfte erweitern, die aber den IS oder al-Nusra nicht beinhalten. Vorschriften zur Sicherheitsüberprüfung müssen möglicherweise auch auf verschiedene Weise gelockert werden. Amerikanische und andere ausländische Trainer müssten in Syrien eingesetzt werde, wo die angehenden Rekruten tatsächlich leben – und sie müssen bleiben, wenn sie ihre Familien schützen sollen.)

Meanwhile, regions now accessible to international forces, starting perhaps with the Kurdish and Druse sectors, could begin receiving humanitarian relief on a much expanded scale. Over time, the number of accessible regions would grow, as moderate opposition forces are strengthened.
(Inzwischen könnte man damit beginnen Regionen, die jetzt zugänglich für internationalen Truppen sind, beginnend vielleicht mit den kurdischen und drusischen Regionen, humanitäre Hilfe in einem viel größeren Ausmass zukommen zu lassen. Im Laufe der Zeit würde die Zahl der zugänglichen Regionen wachsen, da moderate Oppositionskräfte gestärkt werden.)

Though it could take many months, or even years, to achieve the outcome Washington wants, setting out the goals and the strategy now is crucial. Doing so could provide a basis for the West’s working together with — or at least not working against — other key outside players in the conflict, including Russia, as well as Turkey, the Gulf states and Iraq.
(Obwohl es viele Monate oder sogar Jahre dauern könnte, um das Ergebnis, das Washington erreichen will, zu erreichen, ist es von entscheidender Bedeutung die Ziele und die Strategie jetzt zu setzen. Dadurch würde eine Grundlage für den Westen geschaffen werden mit – oder zumindest nicht gegen – anderen ausländischen Schlüsselakteuren im Konflikt, einschließlich Russland, sowie der Türkei, den Golfstaaten und dem Irak, zusammenzuarbeiten.)

O’Hanlon ist übrigens kein Unbekannter, was den Plan zur Teilung Syriens anbelangt. Er ist unter anderem der Autor des berüchtigten Berichts des Brooking Instituts aus dem Juli 2015 namens “Deconstructing Syria: A New Strategy For America’s Most Hopeless War (Teilung Syriens: Eine neue Strategie für Amerikas hoffnungslosesten Krieg)“, in dem er im Grunde genau die gleiche Argumentationslinie vertrat.

Das Brooking Institut als unternehmensfinanzierte Denkfabrik, die von Anfang an den Krieg gegen Syrien förderte, gab O’Hanlon eine gewollte Plattform, damit dieser eine „Lockerung“ der Vorschriften zur Sicherheitsüberprüfung bei den „Rebellen“, die vom Westen finanziert und ausgebildet werden, fordern konnte. Genauso wie dieser Artikel eine Plattform für die direkte Invasion Syriens durch NATO-Militärkräfte und damit die vollständige Zerstörung der syrischen Regierung darstellte. Und natürlich plädierte O’Hanlon auch für die Schaffung von „Sicherheitszonen“ – als Auftakt zur Umsetzung der oben genannten Ziele. Ist es immer noch nur ein Zufall, dass genau diese „Sicherheitszonen“ oder gerne auch „Flugverbotszonen“ gerade der US-Vasall Deutschland bei der UN einbringen will?

Doch vor allem erwähnte O’Hanlon auch die Schaffung eines „konföderalen“ Syriens. Oder in anderen Worten: die Zerstörung einer in sich gefestigten Nation, die derzeit noch als Staat existiert:

The end-game for these zones would not have to be determined in advance. The interim goal might be a confederal Syria, with several highly autonomous zones and a modest (eventual) national government. The confederation would likely require support from an international peacekeeping force, if this arrangement could ever be formalized by accord. But in the short term, the ambitions would be lower – to make these zones defensible and governable, to help provide relief for populations within them, and to train and equip more recruits so that the zones could be stabilized and then gradually expanded.
(Das Endspiel für diese Regionen müsste nicht im Voraus bestimmt werden. Das Zwischenziel könnte ein konföderales Syrien sein, mit mehreren hochautonome Regionen und einer bescheidenen (eventuellen) nationalen Regierung. Dieser Bund würde wahrscheinlich Unterstützung von einer internationalen Friedenstruppe benötigen, wenn dieses Arrangement je nach Abkommen umgesetzt werden könnte. Aber auf kurze Sicht gesehen, würden die Ambitionen niedriger ausfallen – diese Regionen verteidigungsfähig und regierbar zu machen, dabei zu helfen Erleichterungen für die Bevölkerung in diesen Gebieten zu schaffen, und mehr Rekruten zu trainieren und auszustatten, so dass die Regionen stabilisiert und dann nach und nach erweitert werden könnten.)

Brzezinski – Bildquelle: Wikipedia / Tobias Kleinschmidt

Kommt Ihnen das vielleicht bekannt vor? Ein solcher „Plan B“ erinnert an den US-Geostrategen Zbigniew Brzezinski und seine Methode der “microstates and ministates (Mikrostaaten und Ministaaten)”: die Schaffung eines schwachen, ohnmächtigen Staatengebildes, bestehend aus vielen kleineren Regionen, basierend auf der Grundlage der ethnischen Zugehörigket, der Religion und anderen Richtlinien. Aber immer ohne die Fähigkeit, dass dieses Staatengebilde gegen den Willen größerer Länder, Koalitionen oder Banken/Unternehmen agieren kann.

Es scheint so zu sein, dass Kerrys „Plan B“ in Wirklichkeit der „Plan A“ einer Reihe von mächtigen politischen Strategen von Brzezinski bis zu irgendwelchen „Arbeitsbienen“ am Brookings Institut ist. Während Syrien jeden Tag Boden im Kampf gegen die vom Westen unterstützten Proxy-Terroristen gut macht, denkt der Westen nicht einmal im Ansatz daran seinen Plan der Beseitigung eines geopolitischen Hindernisses (Syrien) auf seinem Ziel der Schaffung einer Welthegemonie zu beenden. Syrien ist und bleibt (neben der Ukraine) der Schlüssel für das Überleben der Menschheit. Punkt. Und wir sollten alles dafür tun, dass sowohl die Ukraine als auch Syrien nicht vollständig unter die Kontrolle des Westens gelangen.

Quellen:
Kerry’s Plan B For Syria Equals Brookings, Brzezinski Plan A
Russia role vital to Syrian truce, but US has ‘Plan B’ – Kerry
Kerry warns of break up of Syria; but is that Realistic?
Syria’s one hope may be as dim as Bosnia’s once was
Deconstructing Syria: A new strategy for America’s most hopeless war
Die einzige Weltmacht Gebundene Ausgabe – Zbigniew Brzezinski

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