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Schuldenschnitt: Wikileaks veröffentlicht IWF-Transkript über ein „kriseninduziertes Kreditereignis“, um die Zustimmung Athens und Berlins zu erreichenLesezeit: 8 Minuten

Wikileaks - Bildquelle: www.wikileaks.org

Wikileaks – Bildquelle: www.wikileaks.org

Wikileaks hat vor kurzem ein Transkript einer Telefonkonferenz veröffentlicht, die unterstreicht, dass supranationale Organisationen künstliche Krisen schaffen, um damit die geostrategischen Ziele der westlichen Unternehmens- und politischen Eliten voranzutreiben. Die besagte Telefonkonferenz fand am 19. März 2016 zwischen hochrangigen Mitgliedern des Internationalen Währungsfonds statt.

In dieser Konferenz gehen die IWF-Offiziellen darauf ein, dass das „Heraufbeschwören“ einer drohenden finanziellen Katastrophe notwendig war, damit bestimmte Akteure dazu gezwungen werden konnten weitreichendere „Maßnahmen“ zu akzeptieren. Unter anderem die Senkung der griechischen Renten und die Schleifung der dortigen Arbeitsbedingungen. Derzeit besteht aber die Gefahr, dass das am 23. Juni stattfindende „Brexit“-Referendum in Großbritannien die weitere europäische Entscheidungsfindung bzgl. Griechenland zu einem äußerst kritischen Zeitpunkt zu Fall bringen könnte. Was dem IWF wiederum mehr Einfluss ermöglichen könnte, weil es dann zu einer weiteren politischen Destabilisierung in der EU kommen kann.

Das Transkript der Telefonkonferenz zwichen Poul Thomsen, Europa-Leiter des IWF, und Delia Velkouleskou, IWF-Beauftragte für Griechenland, spielt die Möglichkeit eines möglichen Bail-Outs Griechenlands durch, der zum Zeitpunkt des „Brexit“-Referendums in Großbritannien zur EU-Mitgliedschaft stattfindet.

Die Diskussion darüber zeigt, wie der IWF eine Strategie aufbaut, Deutschland mitzuteilen, dass der IWF die Troika (aus IWF, EZB und der EU-Kommission) verlassen wird, wenn die EU-Kommission und der IWF dabei scheitern sollten eine Vereinbarung zu einem griechischen Schuldenerlass zu erzielen, um damit die Troika am „Leben zu erhalten“.

Die Veröffentlichung von Wikileaks zeigt die Verbindung zwischen der „Griechenland-Frage“ und dem britischen Referendum auf und schafft damit eine Verschärfung der Dynamik für eine weitere politische Destabilisierung der EU.

Die Offiziellen des IWF sagen laut dem Transkript, dass die Gefahr einer drohenden finanziellen Katastrophe unabdingbar war,

  • um zu einer Entscheidung zu gelangen,
  • die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bzgl. eines Schuldenschnitts „auf Spur zu bringen“ und
  • damit Griechenland die IWF-„Maßnahmen“ bei den Renten und den Arbeitsbedingungen akzeptiert.

Das britische Referendum würde zur anstehenden „Griechenland-Frage“ ein weiteres Problem schaffen mit dem man sich auseinandersetzen muss. Deswegen sollte man den „Moment der Wahrheit“ erst nach dem 23. Juni, dem Tag des „Brexit“-Referendums, angehen bzw. ihn solange hinauszögern.

Das geleakte Transkript zeigt den IWF-Plan auf, Griechenland als Pfand nu nutzen, um die deutsche Bundeskanzlerin Merkel dazu zu bringen, dass sie die Position des IWF zum kritischen Zeitpunkt des „Brexit“-Referendums akzeptiert:

THOMSEN: Nun, ich weiß es nicht. Aber das ist… Ich denke darüber anders. Was ermöglicht es, das alles zu einem Entscheidungspunkt zu bringen? In der Vergangenheit gab es nur eine Zeit als die Entscheidung getroffen wurde, und das war dann als sie im Begriff waren kein Geld mehr zu haben und pleite zu gehen. Richtig?

(THOMSEN: Well, I don’t know. But this is… I think about it differently. What is going to bring it all to a decision point? In the past there has been only one time when the decision has been made and then that was when they were about to run out of money seriously and to default. Right?)

VELKOULESKOU: Richtig!

(VELKOULESKOU: Right!)

THOMSEN: Und vielleicht ist es das, was wieder passieren wird. In diesem Fall zieht es sich bis Juli hin, und die Europäer werden eindeutig keine Gespräche für ein Monat vor dem Brexit führen und daher werden sie irgendwann eine Pause machen wollen, und dann wollen sie wieder nach dem europäischen Referendum starten.

(THOMSEN: And possibly this is what is going to happen again. In that case, it drags on until July, and clearly the Europeans are not going to have any discussions for a month before the Brexits and so, at some stage they will want to take a break and then they want to start again after the European referendum.)

VELKOULESKOU: Das ist richtig.

(VELKOULESKOU: That’s right.)

THOMSEN: Das ist eine Möglichkeit. Eine andere Möglichkeit ist die, von der ich dachte, dass sie schon geschehen wäre, und ich bin überrascht, dass sie nicht geschehen ist, ist die, dass sie wegen der Flüchtlingssituation eine Entscheidung treffen…, dass sie zu einem Abschluss kommen wollen. OK? Und die Deutschen bringen die Frage der Leitung auf… und im Grunde sagen wir zu dieser Zeit: „Schauen Sie, Frau Merkel, Sie müssen sich eine Frage stellen, Sie müssen darüber nachdenken, was teurer ist: weitermachen ohne den IWF, dann würde der Bundestag sagen ‚Der IWF ist nicht an Bord?‘ oder der Entschuldung zustimmen von der wir denken, dass diese Griechenland braucht, um uns an Bord zu halten?“ Richtig? Das ist wirklich das Problem.

(THOMSEN: That is one possibility. Another possibility is one that I thought would have happened already and I am surprised that it has not happened, is that, because of the refugee situation, they take a decision… that they want to come to a conclusion. Ok? And the Germans raise the issue of the management… and basically we at that time say „Look, you Mrs. Merkel you face a question, you have to think about what is more costly: to go ahead without the IMF, would the Bundestag say ‚The IMF is not on board?‘ or to pick the debt relief that we think that Greece needs in order to keep us on board?“ Right? That is really the issue.

VELKOULESKOU: Ich stimme dem zu, dass wir ein Ereignis benötigen, aber ich weiß nicht, was das sein wird. Aber ich denke, Dijsselbloem versucht kein Ereignis zu erzeugen, aber darauf aus ist diese Diskussion irgendwie auf die Schulden zu bringen, was im Wesentlichen am Ende des Tages ausschlaggebend ist, ob wir an Bord sind oder nicht.

(VELKOULESKOU: I agree that we need an event, but I don’t know what that will be. But I think Dijsselbloem is trying not to generate an event, but to jump start this discussion somehow on debt, that essentially is about us being on board or not at the end of the day.)

THOMSEN: Ja, aber Sie wissen, dass die Diskussion über die Maßnahmen und die Diskussion über die Schulden für immer weitergehen kann, ewig… bis die Juli-Zahlung ansteht oder bis die führenden Köpfe entscheiden, dass wir zu einer Einigung kommen müssen. Aber es gibt nichts, was ansonsten einen Kompromiss erzwingen wird. Richtig? Es wird ewig so weitergehen.

(THOMSEN: Yeah, but you know, that discussion of the measures and the discussion of the debt can go on forever, until some high up.. until they hit the July payment or until the leaders decide that we need to come to an agreement. But there is nothing in there that otherwise is going to force a compromise. Right? It is going to go on forever.)

Athen ist ob der Wikileaks-Veröffentlichung in Rage und verlangt eine Erklärung des IWF zu den „Katastrophen“-Anmerkungen, die sich in der explosiven Veröffentlichung finden. Dabei geht Athen sogar soweit, dass der Premierminister Alexis Tsipras öffentlich die Frage stellt, ob Griechenland seinen supranationalen Kreditgebern vertrauen kann.

Durch das Transkript besteht jetzt die Möglichkeit, dass die Verhandlungen zur griechischen Schuldenfrage stark erschwert werden. So verlangt Tsipras in einem Brief an die IWF-Chefin Christine Lagarde die Beantwortung einiger Fragen bzgl. einer Reihe von vernichtenden Kommentaren, die im Transkript auftauchen.

Brief Tsipras an Lagarde - Bildquelle: www.scribd.com

Brief Tsipras an Lagarde – Bildquelle: www.scribd.com

Tsipras stellt in seinem Brief die Frage, ob die Verhandlungen in „guten Glauben“ stattfinden und ob die impliziten Aussagen von Thomsen und Velkouleskou im Bezug auf ein weiteres „kriseninduziertes Kreditereignis“ zur Zustimmung Griechenlands die „offizielle Sicht des IWF wiederspiegelt“:

Ein Kreditereignis als Mittel zu nutzen, um damit Griechenland und die anderen Mitgliedstaaten unter Druck zu setzen, ist eindeutig jenseits der Grenzen des Verhandlungsprozesses, wie wir ihn verstehen.
[…] Ich hoffe aufrichtig, dass die IWF-Position diejenige ist, einen schnellen, erfolgreichen und nachhaltigen Abschluss der Überprüfung zu erreichen, und ich bin sicher, dass Sie alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass der Verhandlungsprozess auf dem richtigen Weg bleibt.

(Using a credit event as a means to pressurize Greece and the other member states is clearly beyond the bounds of the negotiation process as we understand it.
[…] I sincerely hope that the IMF position is to reach a quick, successful and sustainable conclusion of the review and I am sure you will take all the necessary measures to make sure the negotiation process will remain on track.)

Wieder einmal sehen wir, dass es nicht um die Schicksale der Menschen geht. Um deren Ängste, Nöte oder Sorgen. Sondern dass allein die Interessen des Großkapitals zu bedienen sind. Und die, der dahinterstehenden Spieler. Man darf gespannt sein, wie sich die deutsche Bundesregierung positionieren wird. Ich gehe davon aus, dass Berlin einmal mehr umfallen wird und Merkel ihre „Wendehalspolitik“ der Bevölkerung in Deutschland als alternativlos verkaufen wird.

Quellen:
WikiLeaks Exposes IMF Plan of Financial Terror to Force Government Compliance
IMF Internal Meeting Predicts Greek ‚Disaster‘, Threatens to Leave Troika
Greece Demands IMF Explain ‘Disaster’ Remarks In Explosive Leak
Tsipras-Lagarde Letter 4-2-16

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12 Antworten

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  1. 5. April 2016

    […] Quelle: Schuldenschnitt: Wikileaks veröffentlicht IWF-Transkript über ein “kriseninduziertes Kredite… […]

  2. 6. April 2016

    […] Schuldenschnitt: Wikileaks veröffentlicht IWF-Transkript über ein „kriseninduziertes Kredite… […]

  3. 8. April 2016

    […] dem von Wikileaks veröffentlichten IWF-Transkript über ein „kriseninduziertes Kreditereignis“, um die Zustimmung für einen griechischen Schuldenschnitt von Athen und Berlin zu […]

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