Während die Welt nach Syrien, in die Ukraine und nach Armenien blickt, bahnt sich in einem anderen Land ein weiterer Regime Change an. Auch dort soll ein demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt durch eine andere Gruppe korrupter Politiker ersetzt werden. Und diese Politiker – welch Zufall – geniessen das Wohlwollen Washingtons. Das Land und das Staatsoberhaupt von dem ich spreche ist Brasilien mit Dilma Rousseff als Präsidentin.
Natürlich ist Rousseff eine korrupte Politikerin, jedoch hat sie sich schon mehrfach gegen die USA gestellt und ist zudem eine wichtige treibende Kraft im Staatenverbund der BRICS. Beides dürfte nicht im Sinne der Washingtoner Planer sein und rückt die Geschehnisse, die derzeit in Brasilien rund um die erste weibliche Präsidentin dieses Landes, die zudem vor 18 Monaten von 54 Millionen Brasilianern in ihrem Amt bestätigt wurde, in eine andere Perspektive.
So hat das Außenministerium seine Unterstützung der Sozialdemokratischen Partei PDSB bekundet bzw. dessen Usurpation der Macht. Dabei häufen sich Hinweise auf eine US-Einmischung bei den Protesten gegen Rousseff. Washington hat ein gerütteltes Mass an Interesse, dass Brasiliens erfolgreiche gemeinsame Arbeit mit Russland, China, Indien und Südafrika im Wirtschaftsbündnis der BRICS scheitert. Und was könnte da besser helfen als einen oligarchischen Staatspräsidenten einzusetzen, dessen Partei die US-Interessen gutheißt und sogar verfolgt.
Blicken wir dazu auf die Mechanik des Putsches sowie auf die Kontroverse um die Beteiligten zurück:
Am 17. April stimmte das brasilianische Unterhaus einem Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff zu. Grundlage dafür bildeten Korruptionsvorwürfe gegen die Staatspräsidentin. Aber im Gegensatz zu den Meldungen der brasilianischen Mainstreammedien liegt der wahre Grund für die Absetzung Rousseffs darin, ein anderes Staatsoberhaupot einzusetzen, dass aus den eigenen elitären Kreisen, die eng mit den USA verwoben sind, stammt, zu installieren.
So spielte Bruno Araujo das Zünglein an der Waage als es zur Abstimmung gegen Rousseff kam. Der möglicherweise selbst in einen Korruptionsskandal (er soll Gelder von einem Baukonzern erhalten haben) verwickelte Araujo gehört laut der Website The Intercept zu eben oben genannter Partei PDSB, die sich bei den letzten vier Wahlen der Arbeiterpartei (PT) Rousseffs geschlagen geben musste.
So schreibt der Snowden-Vertraute Glenn Greenwald:
[D]ie wichtigsten Mittel, um den wirklich anti-demokratischen Charakter dessen, was gerade passiert zu verstehen, ist auf die Person zu sehen, die die brasilianischen Oligarchen und ihre Medienorgane versuchen als Präsidenten zu installieren: der der Korruption verdächtige, zutiefst unpopuläre, Oligarcheninteressen unterstützende Vizepräsident Michael Temer.
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([T]he most important means for understanding the truly anti-democratic nature of what’s taking place, is to look at the person whom Brazilian oligarchs and their media organs are trying to install as president: the corruption-tainted, deeply unpopular, oligarch-serving Vice President Michael Temer.)
Temer ist in den Augen der Brasiliener noch korrupter und schlimmer als Rousseff. Aber er ist in der brasilianischen Politik wahrlich nicht allein:
Insgesamt 60 Prozent der 594 Mitglieder des brasilianischen Kongresses sehen sich schweren Vorwürfen wie Bestechung, Wahlbetrug, illegale Abholzung, Entführung und Mord ausgesetzt. – New York Times
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(Altogether, 60 percent of the 594 members of Brazil’s Congress face serious charges like bribery, electoral fraud, illegal deforestation, kidnapping and homicide. – New York Times)
Bislang konnte die Partei PDSB dieses nicht unwichtige Detail bei Rousseffs Amtsenthebungsverfahren (das Temer an die Macht bringen würde, wenn es erfolgreich ist) umschiffen – wohl ganz zur Freude der US-Regierung.
Ein weitere Antreiber der Amtsenthebung Rousseffs ist der Senator Aloysio Nunes, der am Tag nach der Abstimmung nach Washington reiste, um sich mit der „dritten Kraft des US-Außenministeriums“, Thomas Shannon, hinter verschlossenen Türen zu treffen. Wie Mark Weisbrot, Co-Direktor des Center for Economic and Policy Research, in einem Artikel bei der Huffington Post erklärte, hat Shannon keine Verpflichtung sich mit Nunes zu treffen. Aber in dem er es tut, schickt er eine eindeutige Botschaft des Weißen Hauses, einer zumindestens stillschweigenden Zustimmmung zum Amtensenthebungsverfahren gegen Rousseff.
Die jetzige US-Unterstützung für diesen Coup erinnert an das Jahr 1964, als ebenfalls ein US-freundlicher Militärdiktator namens Humberto de Alencar Castelo Branco installiert wurde. Dima Rousseff war in den 1970ern übrigens Opfer körperlicher Gewalt durch Schergen der damaligen Militärdiktatur.
Aber der vielleicht stärkste Hinweis auf eine US-Unterstützung findet man in einem anderen Detail der Reise Nunes nach Washington. Wie Andrew Fishman vom Intercept in einem Interview mit Democracy Now erklärt, war Nunes Gast eines privaten Mittagessens. Ausgerichtet von der Albright Stonebridge Group – ein Unternehmen, das vom ehemaligen Vorsitzenden von Kellogs und von der Ex-Außenministerin unter Bill „Slick Willy“ Clinton Madelaine Albright mitgegründet wurde:
[E]iner der Senior-Berater, der mit der Albright Stonebridge Group in Verbindung steht, ist der Anführer einer Organisation hier unten [Andrew Fishman lebt in Brasilien, Anm. www.konjunktion.info], die sich sehr gegen die Regierung Dilmas engagiert.
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([O]ne of the senior advisers affiliated with the Albright Stonebridge Group is the leader of an organization down here that’s very involved in the push against the Dilma government.)
Brasilien als wichtiger Verbündeter Russlands und als wichtige Säule des BRICS-Wirtschaftsverbunds scheint das nächste Opfer eines US-induzierten Regime Change zu werden. Der Hegemon kämpft an allen Ecken und Enden um sein politisches und wirtschaftliches Überleben. Anscheinend ziehen sich die Stricke um die USA immer enger, wenn man die vielen Brandherde betrachtet, die die USA auslösen und stetig anfachen.
Quellen:
As Obama Preps To Send Troops Into Syria The US Gov’t Is Already Planning Their Next Major Coup
The real reason Dilma Rousseff’s enemies want her impeached
Washington’s Dog-Whistle Diplomacy Supports Attempted Coup in Brazil
Dilma Rousseff Targeted in Brazil by Lawmakers Facing Scandals of Their Own
After Vote to Remove Brazil’s President, Key Opposition Figure Holds Meetings in Washington
To See the Real Story in Brazil, Look at Who Is Being Installed as President — and Finance Chiefs
Leader’s Torture in the ’70s Stirs Ghosts in Brazil
Brasilien 1889 – 1985 – Von der Ersten Republik bis zum Ende der Militärdiktatur
Is the U.S. Backing Rousseff’s Ouster in Brazil? Opposition Holds Talks in D.C. as Obama Stays Quiet