Der gläserne Mensch: Googles Zugriff auf Millionen Patientendaten in Großbritannien

Google. Datenkrake. Suchmaschine. Vermeindlich kostenlose Dienstleistungen, die man mit seinen Daten bezahlt.

Jenes Google hat nun mit der englischen Gesundheitsbehörde NHS einen Vertrag geschlossen, der es Google ermöglicht mit Hilfe von Programmen (Stichwort: künstliche Intelligenz) auf 1,6 Millionen vertrauliche medizinische Aufzeichnungen zurückzugreifen. Seit 2014 arbeitet Google mit zahlreichen Wissenschaftlern und Forschern zusammen, um die „menschliche Gesundheit“ zu verstehen. Aber ein neuer Bericht zeigt, dass die Datenerfassung weit über das hinausgeht, was ursprünglich gedacht war.

DeepMind - Bildquelle: Screenshot-Ausschnitt www.deepmind.comDeepMind - Bildquelle: Screenshot-Ausschnitt www.deepmind.com

DeepMind – Bildquelle: Screenshot-Ausschnitt www.deepmind.com

Laut Dokumenten, die dem New Scientist vorliegen, räumt die Datenaustauschvereinbarung zwischen der Google-Tochter DeepMind und dem Royal Free NHS Trust den Zugriff auf vertrauliche Gesundheitsdaten von Millionen von NHS-Patentien ein. Die weitreichende Vereinbarung erlaubt es DeepMind die medizinischen Daten von 1,6 Millionen Menschen einzusehen, die jährlich in den drei Krankenhäusern des Royal Free NHS Trust behandelt werden.

Im Februar gab DeepMind bekannt, dass es mit dem NHS zusammenarbeitet, um eine App mit dem Namen Streams zu entwicklen. Diese App soll dabei Krankenhäusern helfen, Patienten zu überwachen, die an einem Nierenschaden leiden. Jedoch zeigen die neuen Informationen, dass der Datenaustausch weit über das bekannt gegebene hinausgeht. So werden die vollständigen Tagesaktivitäten der Kliniken, der Zustand und die Unterbringung der Patienten und sogar die Besuche (wer und wann) an DeepMind übertragen.

Pathologische und radiologische Ergebnisse werden ebenfalls ausgetauscht sowie die Daten der Intensivmedizin und der Notfallabteilungen. Darüber hinaus bedeutet der Zugang DeepMinds auf die zentralen Aufzeichnungen aller NHS-Krankenhaus-Behandlungen in Großbritannien, dass das Unternehmen (und damit Google) auf historische Daten der vergangenen fünf Jahre zurückgreifen kann – zusätzlich zu den neu auflaufenden Daten.

DeepMind entwickelt parallel zu diesem Datenabgriff eine Plattform, die Krankenhausdaten benutzt, um Werkzeuge zu programmieren, die bei der Analyse und der Behandlungsmethodik helfen sollen. Der Name der Plattform: Patient Rescue.

New Scientist schreibt dazu:

Durch den Vergleich neuer Patienteninformationen mit Millionen anderer Fälle könnte Patient Rescue in der Lage sein vorherzusagen, dass man sich in den frühen Stadien einer Krankheit befindet, die beispielsweise noch nicht symptomatisch geworden ist. Ärzte könnten dann Tests durchführen, um zu sehen, ob die Vorhersage korrekt ist.

(Comparing a new patient’s information with millions of other cases, Patient Rescue might be able to predict that they are in the early stages of a disease that has not yet become symptomatic, for example. Doctors could then run tests to see if the prediction is correct.)

Anfragen an Royal Free, ob es einen Opt-Out-Mechanismus (Möglichkeit der Verweigerung) für die Patienten gibt, wurden bislang nicht beantwortet. New Scientist glaubt, dass eine Umsetzung eines Opt-Out-Verfahrens nicht so einfach zu realisieren wäre. Zwar besagt die Vereinbarung mit DeepMind/Google, dass die Daten in keinem anderen Bereich des Unternehmens verwertet werden dürfen, aber dies kann weder kontrolliert und damit ausgeschlossen werden. Die Angst, dass das Hightech-Unternehmen Google mit dem Zugriff auf Millionen von Krankendaten zu einer noch größeren Gefahr werden könnte, dürfte nicht unbegründet sein:

Data Mining ist der Name des Spiels im aufstrebenden Gebiet des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz, und es gibt kein Unternehmen auf der Welt, dass darin besser ist als Google.

(Data mining is the name of the game in the burgeoning field of machine learning and artificial intelligence, and there’s no company in the world better at that than Google.)

Wie immer werden uns zuerst positiv erscheinende Argumente (bessere Diagnostik, früheres Eingreifen usw.) präsentiert, während die Gefahren des Missbrauchs heruntergespielt werden. Ähnlich wie bei der deutschen elektronischen Gesundheitskarte eGK dürfte es auch hier nur eine Frage der Zeit sein bis Begehrlichkeiten von anderer Seite entstehen werden: von Versicherungsunternehmen bis hin zum Staat.

Denn alles was technisch realisierbar ist, wird früher oder später umgesetzt werden. Unter welchen faden Ausreden auch immer…

Quellen:
Google Now Has Access To Millions of Patients’ Medical Records
Google buys AI firm DeepMind to boost image search
Revealed: Google AI has access to huge haul of NHS patient data
Royal Free London NHS PDF
DeepMind Health

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