Finanzsystem: Wenn aus „Too Big to Fail“, „Too Big to Jail“ wirdLesezeit: 4 Minuten
Nach der Finanzkrise 2008 wurde der englische Begriff „Too Big To Fail“ auch in Deutschland herumgereicht. Er sollte zum Ausdruck bringen, dass bestimmte Banken ob ihrer Größe gerettet werden müssen, um das marode Finanzsystem an sich zu retten. Doch „Too Big To Fail“ ist auch gleichbedeutend mit „Too Big To Jail“, heißt die Protagonisten im Finanzcasino sind zu mächtig als dass man sie hinter Gitter bringen könnte.
Neuestes Beispiel ist die HSBC, die einer Verurteilung wegen Geldwäsche aufgrund ihrer „Systemrelevanz“ entging.
Im Bericht des US-Kongresses mit dem Titel „Too Big to Jail: Inside the Obama Justice Department’s Decision Not to Hold Wall Street Accountable“ werden britische Offizielle zitiert, die vor einem „Marktzusammenbruch“ warnen, wenn die HSBC strafrechtlich belangt wird. So lesen wir in der Zusammenfassung des Berichts unter anderem:
Leitende Angestellte des Justizministeriums, darunter Generalstaatsanwalt [Eric] Holder, überstimmten einen internen Vorschlag der Abteilung für den Einzug von Vermögen aus kriminellen Handlungen und Geldwäsche, die HSBC strafrechtlich zu belangen, da die leitenden Angestellten des Justizministeriums befürchteten, dass eine strafrechtliche Verfolgung der Bank ernste nachteilige Folgen für das Finanzsystem haben könnte […]
Generalstaatsanwalt Holder belog den Kongress bzgl. der Gründe des Justizministeriums, warum gegen die HSBC keine strafrechtlichen Ermittlungen eingeleitet wurden.
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(Senior DOJ leadership, including Attorney General [Eric] Holder, overruled an internal recommendation by DOJ’s Asset Forfeiture and Money Laundering Section to prosecute HSBC because of DOJ leadership’s concern that prosecuting the bank would have serious adverse consequences on the financial system […]Attorney General Holder misled Congress concerning DOJ’s reasons for not bringing a criminal prosecution against HSBC.)
Unter dem Vorsitz des Republikaners Jeb Hensarling beauftragte das Committee on Financial Services im März 2013 eine Studie, die die Entscheidung des Justizministeriums die HSBC oder einen ihrer Vorstände bzw. Angestellten strafrechtlich nicht zu verfolgen – trotz der massiven Hinweise auf Geldwäsche für Drogenkartelle – untersuchen sollte.
Von Anfang an stieß dabei das Kommittee auf Widerstand seitens des Justiz- und Finanzministeriums, die beide „relevante Dokumente“ nicht aushändigen wollten. Es dauerte drei Jahre bis das Kommittee endlich Zugang zu den gewünschten Unterlagen erhielt. Kein Wunder, denn in den Aufzeichnungen des Finanzministeriums wurde festgehalten, dass das Justizministerium „nicht offen dem Kongress und der US-Bevölkerung gegenüber war, was seine Entscheidung anbelangte“, sprich die Bank nicht strafrechtlich verfolgen zu wollen:
Generalstaatsanwältin [Loretta] Lynch und Finanzminister [Jack] Lew unterließen ihre rechtliche Verpflichtung dem Kommittee strafrechtlich relevante Unterlagen auszuhändigen.
Die langanhaltenden Versuche des Justiz- und Finanzministeriums die Untersuchungen des Kommittees zu erschweren, mögen eine Missachtung und Behinderung des Kongresses darstellen.
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(Attorney General [Loretta] Lynch and Secretary [of the Treasury Jack] Lew remain in default of their legal obligation to produce the subpoenaed records to the Committee.DOJ’s and Treasury’s longstanding efforts to impede the Committee’s investigation may constitute contempt and obstruction of Congress.)
Wieder einmal werden Banken und Verantwortliche durch die Politik geschützt. Obwohl die HSBC im Verdacht steht 1,92 Milliarden US-Dollar gewaschen zu haben, erfolgte keine strafrechtliche Untersuchung. Auch da die englische Finanzaufsichtsbehörde die Untersuchungen der US-Regierung bzw. des US-Justizministeriums „beeinflussten“. So schrieb der damalige Finanzminister Großbritanniens, George Osborne, an den Fed-Chef Bernanke (der damalige Finanzminister Timothy Geithner erhielt eine Kopie) und warnte, dass eine Verfolgung einer „systemisch wichtigen Finanzinstitution“ wie die HSBC zu „einer Ansteckung innerhalb des Finanzsystems“ führen könnte und daher die Gefahr in sich trägt zu einer „sehr ernsthaften Implikation für die Finanz- und Wirtschaftsstabilität besonders in Europa und Asien“ zu werden.
Weiter lesen wir in dem oben erwähnten Bericht:
Statt Beweise für die kriminellen Machenschaften der HSBC bereitzustellen, zeigen interne Dokumente des Finanzministeriums, dass es das Justizministerium ablehnte die Vorschläge des AFMLS – die HSBC anzuklagen – fortzuführen, da leitende Angestellte des Justizministeriums Sorge hatten, dass die Verfolgung der Bank „in einem globalen Finanzdisaster enden könnten“ – wovor die FSA wiederholt warnte.
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(Rather than lacking adequate evidence to prove HSBC’s criminal conduct, internal Treasury documents show that DOJ leadership declined to pursue AFMLS’s recommendation to prosecute HSBC because senior DOJ leaders were concerned that prosecuting the bank ‘could result in a global financial disaster’ — as the FSA repeatedly warned.)
Wir sehen also, dass aus der Phrase „Too Big to Fail“, „Too Big to Jail“ geworden ist, da der Einfluss der Banken auf das globale Finanzsystem so groß ist, dass eine strafrechtliche Verfolgung der kriminellen Machenschaften einer Bank (hier der HSBC) nicht mehr möglich ist ohne das System an sich zum Einsturz zu bringen.
Dass sowohl die HSBC als auch die US-Offiziellen jegliche Stellungnahme zum Kommittee-Report ablehnten, dürfte nicht weiter verwunderlich sein. Was sind auch schon nachweisbare 881 Millionen gewaschene US-Dollar der Drogenkartelle Sinaloa (Mexiko) und Norte del Valle (Kolumbien) oder die Verletzung der US-Sanktionen gegen den Iran, Libyen, Burma, den Sudan und Kuba, wenn man „Too Big to Jail“ ist?
Quellen:
“Too Big to Jail” — US Refuses to Charge HSBC Because it Could Hurt the Financial System
Too Big to Jail: Inside the Obama Justice Department’s Decision Not to Hold Wall Street Accountable
US Refused To Prosecute HSBC Over Fears Of „Global Financial Disaster“
HSBC avoided US money laundering charges because of ‚market risk‘ fears
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