Das britische Parlament (House of Lords) hat jetzt das Investigatory Powers Bill (Ermittlungsbefugnisgesetz) verabschiedet, dass der britischen Regierung massive Überwachungs- und Kontrollmechanismen und -befugnisse an die Hand geben soll. Befugnisse, die in diesem Ausmaß keiner anderen Regierung auf der Welt zur Verfügung stehen.
Der Bürger als Staatsfeind Nummer 1
Die Gesetzesvorlage, die Kritiker als Schnüfflerfreibrief bezeichnen, zwingt britische Internetprovider dazu, dass sie die Verbindungsdaten ihrer Nutzer für ein Jahr speichern. Diese Daten können zudem von zahlreichen staatlichen Behörden und Einrichtungen abgegriffen werden. Die Gesetzesvorlage erlaubt es außerdem, dass die Regierung die Provider dazu zwingen kann, dass diese sich in die Produkte (z.B. Router), die sie den Kunden verkauft haben, einhacken, um somit die Nutzer beobachten und überwachen zu können. Mittels der neuen Gesetzesvorlage kann die britische Regierung die Internetprovider auch dazu auffordern, dass sie die eingesetzten Geräte „weniger sicher machen, damit man die Kommunikation abfangen kann“. Sie kann auch einfordern, dass die Unternehmen ihre Geräte bei Bedarf verschlüsseln, so dass der Nutzer keinen Zugriff mehr beispielsweise auf Router-Einstellmasken hat.
Selbst der Independent schreibt dazu:
Insgesamt enthält die neue Gesetzesvorlage eine Reihe von Gesetzesänderungen, die normale Menschen betreffen werden, und gibt Großbritannien vielleicht die extremsten Spionagemöglichkeiten in der entwickelten Welt.
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(In all, the new bill includes a range of changes to the law that will affect normal people, and gives Britain perhaps the most extreme spying powers in the developed world.)
Obwohl die Anzahl der Kritiker aus Reihen der Internetprovider und -firmen – wie auch einiger Parlamentsangehöriger und selbst der UN – immer gößer wurde, wurde die Gesetzesvorlage ohne große Probleme oder Kritik seitens der Parlamentsmitglieder durch diesselben verabschiedet. Einzig der Zusatz, dass Mitglieder des britischen Parlaments NICHT unter diese Gesetzesvorlage fallen dürfen, wurde als Zusatz an die Gesetzesvorlage angefügt. Ein Armutzeugnis für die parlamentarische Demokratie in Großbritannien und einmal mehr Zeugnis der „Ausnahmestellung, die Abgeordnete für sich selbst in Anspruch nehmen“. Eine Politkaste, die sich immer mehr vom Souverän entfernt.
Dass durch ein solches Gesetz die Menschenrechte (Stichwort Privatsphäre) verletzt werden, scheint niemanden mehr zu interessieren. Wenn dann die Protokolle von Programmen wie WhatsApp abgeschnorchelt werden können und damit eine millionenfache Massenüberwachung stattfindet, auch nicht.
„Wer nichts zu verheimlichen hat, hat auch nichts zu befürchten.“ Diese schwachsinnige Begründung und damit Genehmigung für die eigene Überwachung ist die armseligste und feigste Rechtfertigung vor sich selbst, um nicht gegen diese Massenüberwachung (die alsbald auch in Deutschland Begehrlichkeiten wecken dürfte) vorgehen zu müssen. Der Whistleblower Edward Snowden dazu:
Bei Privatsphäre geht es nicht darum etwas zu verbergen. Bei Privatsphäre geht es darum etwas zu schützen. Es geht darum wer du bist. Die Privatsphäre ist in unsere Sprache eingebrannt, in unsere Kernkonzepte von Regierung und in unser Selbst. Deshalb nennen wir es „Privateigentum“. Ohne Privatsphäre haben Sie nichts für sich.
Argumente, dass Sie sich nicht um die Privatsphäre kümmern, weil Sie nichts zu verbergen haben, ist wie die Argumentation, dass Sie sie sich nicht um die freie Rede kümmern, weil Sie nichts zu sagen haben.
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(Because privacy isn’t about something to hide. Privacy is about something to protect. That’s who you are. Privacy is baked into our language, our core concepts of government and self in every way. It’s why we call it „private property.“ Without privacy you don’t have anything for yourself.Arguing that you don’t care about privacy because you have nothing to hide is like arguing that you don’t care about free speech because you have nothing to say.)
Die Menschen, die damit drohen uns unsere Rechte wegzunehmen – oder es zumindestens planen – sind nie die Opfer solcher Unterdrückung und können sich meist leicht daraus befreien. Glenn Greenwald fasst es in einem Vortrag mit dem Titel Why Privacy Matters (Warum Privatspähre wichtig ist) gut zusammen:
Die selbe Trennlinie sieht man beim CEO von Facebook, Mark Zuckerberg, der in einem berüchtigten Interview 2010 ausgesprochen hat, dass die Privatsphäre keine „soziale Norm“ sei. Im vergangenen Jahr kauften Mark Zuckerberg und seine neue Frau nicht nur ihr eigenes Haus, sondern auch alle vier angrenzenden Häuser in Palo Alto für insgesamt 30 Millionen Dollar, um sicherzustellen, dass sie eine Zone der Privatsphäre haben, die andere Menschen daran hindert zu beobachten, was sie in ihrem persönlichen Leben tun.
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(This same division can be seen with the CEO of Facebook, Mark Zuckerberg, who in an infamous interview in 2010 pronounced that privacy is no longer a „social norm.“ Last year, Mark Zuckerberg and his new wife purchased not only their own house but also all four adjacent houses in Palo Alto for a total of 30 million dollars in order to ensure that they enjoyed a zone of privacy that prevented other people from monitoring what they do in their personal lives.)
Damit die Gesetzesvorlage zum Gesetz werden kann und somit die britische Regierung mit einem Monstrum an Überwachungsmöglichkeiten ausgestattet wird, benötigt nur noch die Unterschrift der Königin. Unwahrscheinlich, dass diese dieselbe verweigern wird.
Quellen:
UK Passes Bill Providing Most Extreme Spying Powers In The Developed World
Investigatory Powers Bill: ‘Snoopers Charter 2’ to pass into law, giving Government sweeping spying powers
Investigatory Powers Bill: How the Government’s new snooping powers will affect normal people
Investigatory Powers Bill: Scathing attack on Snoopers‘ Charter launched by Parliament
Now the UN slams government web surveillance plans as disproportionate and intrusive
Snoopers’ Charter: Only amendment politicians have submitted to controversial bill is to stop MPs being spied on
UK spying laws: Government introduces law requiring WhatsApp and iMessage to break their own security
Number of monthly active WhatsApp users worldwide from April 2013 to February 2016 (in millions)
Three quarters think web privacy should be a right, as snooping bill looms
Edward Snowden just made an impassioned argument for why privacy is the most important right
Glenn Greenwald – Why privacy matters