Völlig überraschend hatten sich in den letzten Tagen Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain zusammen getan und alle Verbindungen (diplomatisch, wirtschaftlich, Verkehr) zum Nachbarn Katar gekappt. Die knappe Begründung: Katar unterstütze den Terrorismus, in dem das Land Gelder an Terrororqanisationen wie die Muslimbrüder und die Hamas gibt. Zwar eine richtige Begründung, die aber an Lächerlichkeit nicht zu überbieten ist, wenn man weiß, in welchem Maße Saudi-Arabien als Terror-Sponsor auftritt.
Für viele kam dieser Schritt der Isolation Katars durch Saudi-Arabien, Ägypten und andere Golfstaaten vollkommen überraschend und man stellte sich die Frage, warum gerade Katar als wichtiger Eckpfeiler der Destabilisierung in der Region des Nahen und Mittleren Osten plötzlich in Ungnade gefallen war. Die Antwort darauf ist für Brandon Turbeville, investigativer Journalist und Kenner der Region, einfach zu beantworten und seiner Meinung nach auch logischer als es auf den erstern Blick den Anschein haben mag.
Turbeville sieht drei „Elemente“ hinter diesem Vorgang:
Das Muslimbrüder-Element
Um die jetzige diplomatische Krise verstehen zu können, ist es nach Meinung von Turbeville wichtig, sich zu vergegenwärtigen, welche Staaten genau die Verbindungen zu Katar gekappt haben und warum: Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain begründen ihren Schritt – wie eingangs bereits geschrieben – damit, dass Katar den internationalen Terrorismus finanziert.
Dass Doha genau dies tut, ist den meisten Lesern dieses Blogs spätestens seit drei Jahren bekannt. Genauso wie die Tatsache, dass auch Saudi-Arabien (KSA) und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) Terrorganisationen unterstützen. Die Begründung Riads und Abu Dhabis ist dabei nur heuchlerisch und ist nur vorgeschoben, um den wahren Grund dieser Maßnahmen zu verdecken. Ägypten ist zwar kein Financier der Terrorgruppen stellt sich aber hinter KSA und VAE, wobei natürlich auch Kairo um die Verstrickungen der beiden weiß.
Warum aber hat nun KSA nach Jahren der eigenen Finanzierung der „syrischen Rebellen“ die „gemeinsame Arbeit“ mit Katar aufgekündigt. Für Turbeville liegt einer der Hauptgründe darin, dass Katar einer der größten Unterstützer der Muslimbrüder ist, die selbst eine fanatische islam-fundamentalistische Gruppierung ist. Obwohl die Muslimbrüder (MB) ein sehr ähnliches „Meinungs- und Weltbild eines radikalen Dschihadismus“ wie die Wahabiten vertreten und der königlichen saudischen Familie damit nahe stehen müssten, sind die MB als Organisation in KSA nicht willkommen. Tatsächlich hat Riad die MB jahrelang als Terrororganisation eingestuft. Hauptsächlich aus dem Grund heraus, da die MB eine Gefahr für die Machtstrukturen der Königsfamilie darstellten und weniger aufgrund der Taten und Handlungen der MB.
Will man die Dynamik zwischen KSA und MB verstehen, neigt man zur „Übervereinfachung“. Aber vielleicht kann man es so ausdrücken, dass die MB weniger fanatisch sind als der Daesh, aber doch weit puritanischer als die Königsfamilie Saud selbst. So beurteilt die MB die Praktiken der königlichen Familie und die Politik der Saudis aus einer religiösen Basis heraus. Und daher ist für die MB, KSA nicht fanatisch genug, wenn es um die nationale Sicht geht, insbesondere auf der Ebene der Regierung.
Bahrain lehnt aus den gleichen Gründen die MB ab und stellte sich schon vor Jahren gegen die MB, als es um Fragen des Pan-Arabismus unter Nasser ging.
Ägypten wiederum hat für Turbeville die „entzweiendsten und zerstörerischsten Erfahrungen“ mit den MB gemacht, wenn man die Geschichte nach dem vom Westen unterstützten Sturz von Mubarak betrachtet. Damals gewann die MB die Wahlen und übernahm die Regierungsverantwortung. Der damalige Präsident Mursi und die MB begannen sofort damit die ägyptische Verfassung zu ändern, Rechte zu beschneiden und Ägypten auf einen Krieg einzustellen. Mursi wurde dann von einem Militärputsch weggefegt, der vom jetzigen Präsidenten Sisi angeführt wurde und der seitdem die MB bekämpft. In wie weit der Westen beim damaligen Sturz die Finger im Spiel hatte, soll an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben. Letztlich versinkt Ägypten seit dem Putsch im Chaos. Terroristische Attentate sind mehr oder weniger an der Tagesordnung.
Dies im Hinterkopf behaltend ist es wichtig einen Blick auf die Länder zu werfen, die nicht Teil dieser Anti-Katar-Koalition sind. Insbesondere gilt es laut Turbeville den Blick gen Türkei zu lenken. Katar und Türkei haben zwei Dinge gemeinsam. Erstens unterstützen beide Länder Terrorgruppen, um mit deren Hilfe die syrische Regierung zu stürzen. Und zum zweiten stehen beide den MB sehr nahe. Erdogan hat sehr lange die MB unterstützt und jahrelang enge Beziehungen zu den MB gepflegt. Zudem wird gerade in Ankara darüber diskutiert, ob man türkische Truppen in Katar stationiert.
Wir sehen also, zumindestens in Teilen, eine Anti-Muslimbrüderschaft-Koalition mit dem Fokus auf Katar. Das Land, das wohl der größte Unterstützer dieser Organisation ist.
Das iranische Element
Neben den MB könnte ein weiterer Grund für die Ausgrenzung Katars der sein, dass Doha sich zu „gut mit dem Iran versteht“. Eine Entwicklung, die bei KSA für Turbeville zu massiven Kopfschmerzen führen dürfte. Wenn Katar wirklich den Schulterschluss mit dem Iran sucht, dann werden KSA und seine Koalition die Unterstützung der USA bekommen, die seit Jahrzehnten versuchen die persische Nation zu brechen. Und auch Israel würde ein wachsender iranischer Einfluss in der Region überhaupt nicht gefallen.
Einige Analysten glauben, dass Katar (das im „Öl-/Gasspiel Syriens“ außen vor gelassen wurde) finanzielle Probleme bekommen wird und aus diesem Grund einen Deal mit Teheran eingegangen ist, um den eigenen wirtschaftlichen Kollaps in naher Zukunft zu verhindern. Für Analysten, wie Ziad Fadel von Syrian Perspective, ist der Deal zwischen Doha und Teheran derart, dass Katar einen Anteil an der iranischen Gaspipeline nach/durch Syrien erhält und im Gegenzug die Finanzierung der dortigen Terroristen einstellt:
Ihr seht, liebe Leute, sobald die Erdgaspipeline aus dem Iran, über den Irak, an die Küste Syriens fertig ist, wird das Katari-Gas so teuer sein, dass das Land in ein paar Jahre seine Barreserven aufbrauchen und dann implodieren wird. Kein Katar mehr.
Hmmmm. Die iranischen Gedanken dazu. Was, wenn wir die Kataris am Geschäft teilhaben lassen? Was ist, wenn wir die Erdgasleitung teilen? Was ist, wenn wir einen Keil zwischen Katar und den Rest des arabischen Mülls am Golf treiben können? Wäre das nicht britisch von uns?
Und so ist es passiert, Iran hat zugestimmt, dass Katar einen Teil seiner Rechte an der Pipeline nach Syrien erhält, und Damaskus hat dem zugestimmt, solange Katar seine Unterstützung für Al-Qaida, ISIS und alle anderen Rattengruppen wie Faylaq Al-Rahmaan beendet. Bald werden die unnützen Offiziere Katars aus dem MOK in Jordanien abgezogen. Und noch besser, Katar ist jetzt von einer weiteren Verpflichtung bzgl. der sogenannten „saudischen Koalition“ im sehr unpopulären Krieg im Jemen entbunden.
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(You see, folks, once the natural gas pipeline is completed from Iran, across Iraq, to Syria’s coast, Qatari gas will be so expensive that the country will float on its cash reserves for a couple of years and then, implode. No more Qatar.Hmmmm. The Iranians thought. What if we let the Qataris in on the deal? What if we share the natural gas pipeline? What if we can drive a wedge between Qatar and the rest of the Arabian trash on the Gulf? Wouldn’t that be British of us?
And so, it has happened. Iran has agreed to give Qatar a share of its rights in the pipeline to Syria and Damascus has agreed as long as Qatar discontinues its support for Al-Qaeda, ISIS and all the other rat groups like Faylaq Al-Rahmaan. Soon, Qatar’s useless military officers will be withdrawn from MOK in Jordan. And, better yet, Qatar is now absolved from any further obligation to the so-called „Saudi coalition“ in the very unpopular war in Yemen.)
Wenn Fadel richtig liegt und weder die USA noch KSA willens sind das schlingende Katar zu unterstützen, dann hat Katar eigentlich gar keine andere Wahl als sich an den großen Nachbarn zu wenden. Nachdem Katar jahrelang gegen Iran und Syrien agierte, in dem es Terroristen unterstütze und am Schlachten im Jemen teilnahm, muss Doha nun vor genau diesen beiden Ländern zu Kreuze kriechen, um das eigene Überleben zu sichern. Ironie oder Geopolitik at it’s best?
Übrigens wirft KSA Katar vor, den Iran zu unterstützen.
Das israelische Element
Vielleicht gibt es aber auch einen anderen Grund, warum Katar von seinen (Ex-)Freunden ausgeschlossen wurde. Eine der Forderungen Riads gegenüber Doha lautet, dass Katar seine Hilfe für die MB einstellen soll. Eine weitere, dass sie auch die Unterstützung für die Hamas beenden muss. Laut Turbeville wissen wir heute sehr genau, dass die Gründung der Hamas mit der Hilfe Israels erfolgte, um die palästinensische Opposition zu zersplittern, zu radikalisieren und zu brechen. Doch die Hamas scheint ihren Schöpfern entglitten zu sein. Zudem ist es für Turbeville möglich, dass Israel eine Art Großoperation plant, um die palästinensische Opposition – sowohl militärisch als auch politisch – endgültig vernichten zu können. Und die USA würden sich in einem solchen Fall nicht gegen Israel stellen. Mit einer stark geschwächten palästinensischen Opposition (wohl so schwach wie noch nie seit ihrer Gründung), mit den im Syrienkrieg gebundenen Kräften der syrischen Armee und der Hisbollah in deren Kampf gegen vom Westen unterstützten Terroristen, scheint das Zeitfenster – so Turbeville – geradezu ideal zu sein, dass Israel den finalen Schlag gegen die Palästinenser führen kann.
Jenseits der Wahrscheinlichkeit und Machbarkeit dieses Plans gilt es zu berücksichtigen, dass die Saudis und die Israelis sich immer offener für eine gemeinsame Zusammenarbeit zeigen – trotz der Tatsache, dass, um der Glaubwürdigkeit halber, KSA weiter seinen Anti-Israel-Kurs öffentlich proklamiert:
Vielleicht gibt es noch einige gewöhnliche Anhänger der Nahost-Politik, die die vielen Berichte über die letzten Jahre oder so verpasst haben, die den wachsenden Beweis für die saudisch-israelische Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen aufgezeigt haben. Dies ist vor allem das Ergebnis des Iran-Atomabkommens, das von der Obama-Regierung angeschoben wurde. Weil dieses Atomgeschäft so vonstatten ging, was sich wie eine Zeitlupe anfühlte, hatten Israel und Saudi Arabien Zeit, ihre Antwort darauf zu planen und mehrere Best- und Worst-Case-Szenarien zu organisieren. Die Times of London berichtete erstmals im Jahr 2013 über die Nachrichten einer ernsthaften israelisch-saudischen Zusammenarbeit, die sogar einen Deal beinhaltete, damit die Israelis den saudischen Luftraum nutzen könnten, um einen Angriff auf iranische Atomkraftwerke zu starten.
[…]Und Präsident Trumps Reise hätte keine stärkere öffentliche Anerkennung der wachsenden Zusammenarbeit zwischen den Saudis und den Israelis sein können. Beachten Sie, dass Saudi-Arabien und Israel seine einzigen zwei Stationen auf seiner Reise imm Mittleren Osten waren, obwohl Ägypten der größte arabische Empfänger von US-Hilfe bleibt und seine Bevölkerung die von Saudi-Arabien klein erscheinen lässt. Präsident Trump glaubt, zusammen mit vielen anderen, dass Saudi-Arabien den Schwenk in der sunnitischen arabischen Welt jetzt aufnimmt und er will seine Arbeit mit Israel fortsetzen.
Und so ist Saudi-Arabiens Entscheidung, Katar wegen seiner Unterstützung für die Hamas zu bedrängen, die so bald nach dem Trump-Besuch ausgesprochen wurde, wohl kein Zufall. Die Hamas hat einen wirklichen Feind, und das ist Israel. Damit haben die saudischen Bemühungen, die Katar-Terror-Finanzierung für die Hamas einzufrieren, nur einen wirklichen Begünstigten – Israel. – Jake Novak, CNBC
[…]
—
(Perhaps there are still some casual followers of Middle East politics who have missed the many reports over the last year or so that have announced the growing evidence of Saudi-Israeli cooperation on security issues. This is mostly the result of the Iran nuclear deal pushed by the Obama administration. Because that nuclear deal happened in what felt like slow motion, Israel and Saudi Arabia had time to plan their response and organize several best- and worst-case scenarios. The Times of London in 2013 first reported the news of serious Israeli-Saudi cooperation that even included a deal to allow the Israelis to use Saudi airspace to launch an attack on Iranian nuclear sites.And President Trump’s trip couldn’t have been more of a public endorsement of the growing cooperation between the Saudis and the Israelis too. Note that Saudi Arabia and Israel were his only two stops on his Middle East trip, even though Egypt remains the largest Arab recipient of U.S. aid and its population positively dwarfs Saudi Arabia’s. President Trump believes, along with many others, that Saudi Arabia is calling the shots in the Sunni Arab world now and he wants its work with Israel to continue.
And thus, Saudi Arabia’s decision to pressure Qatar on its support for Hamas coming so soon after the Trump visit doesn’t seem like a coincidence. Hamas has one real enemy, and that’s Israel. So Saudi efforts to freeze Qatari terror funding for Hamas has only one real beneficiary — Israel. – Jake Novak, CNBC)
Der CNBC-Mann Novak weist hier auf einen ganz wichtigen Punkt hin, aber Turbeville ergänzt, dass Israel – trotz seiner Äußerungen und auch die der Hamas selbst – enormen Einfluss auf die Hamas besitzt und in der Vergangenheit Angriffe der Hamas geschickt für eigene Interessen (aus-)nutzte. Zudem gibt auch Novak in seinem Artikel zu bedenken, dass die Möglichkeit besteht, dass sich Riad aufgrund der Zusammenarbeit zwischen Katar und dem Iran in Gefahr sieht. Eine Angst, die für Novak sowohl die Israelis als auch die USA teilen dürften.
Conclusio
Es gibt für Turbeville also eine Vielzahl an Gründen für die überraschende Isolation Katars. Einige davon dürften bislang in der Öffentlichkeit noch unbekannt sein. Jedoch ist klar, dass Katar realisiert haben wird, dass es in naher Zukunft in einem „unangenehmen Spannungsfeld“ eingebunden sein wird und dass es versuchen muss mittels einer engeren Zusammenarbeit mit dem Iran sein eigenen Überleben zu sichern. Zudem hat die Unterstützung der MB durch Doha die Saudis auf den Plan gerufen, so dass diese bereit sind, enger mit Israel in Fragen des internationalen Terrorismus und der Geopolitik zu kooperieren. Ägypten ist – mehr als die anderen „Koalitions-Staaten“ und auch aus anderen Gründen heraus – in einem Kampf mit den MB gefangen und daher würde Kairo gerne sehen, dass der Finanzierungsquelle der MB der Kopf abgeschlagen wird. Die Saudis, Israelis und US-Amerikaner sind entsetzt über die Aussicht auf einen größeren iranischen Einfluss in der Region und eine Kooperation zwischen Katar und dem Iran wird daher von diesen Ländern als eine der Hauptgefahren für die von ihnen gewünschte Ordnung in der Region angesehen.
Quellen:
Why Has The GCC And Egypt Turned On Qatar?
Saudi Arabia: Qatar must stop supporting Hamas, Muslim Brotherhood
Qatar: UAE and Saudi Arabia step up pressure in diplomatic crisis
How the Muslim Brotherhood betrayed Saudi Arabia
Turkish MPs approve faster troop deployment to Qatar base as Erdogan slams Doha isolation
WHAT’S BEHIND THE QATARI MANEUVER? IT’S GAS, MY BOY–GAS; DERA’A: ALQAEDA DEVASTATED AS SYRIAN ARMY REINFORCEMENTS ARRIVE TO KICK THEM OUT; SYRIAN ARMY BLASTS ISIS EAST OF HAMA IN NEW CAMPAIGN; LIBERATES 6 NEW TOWNS
Why Aren’t ISIS And Al-Qaeda Attacking Israel?
Op-Ed: Why the Saudi-Qatar rift could actually be about … Israel
Two old foes unite against Tehran
The U.S. foreign aid budget, visualized