An der Börse ist eine halbe Wahrheit eine ganze Lüge. – André Kostolany (geb. 9. Februar 1906 in Budapest, Österreich-Ungarn; verst. 14. September 1999 in Paris)
Börse. Aktien. DAX. Dow Jones. NYSE. Begriffe, die in den letzten Jahren mit positiven Assoziationen bei vielen Menschen versehen sind, weil die Börse nur eine Richtung kannte: gen Norden. Dass die Aktienmärkte aber seit dem gleichen Zeitraum keinerlei Indikatorfunktion über den Zustand der (Welt-)Wirtschaft mehr besitzen, haben nur wenige verstanden. Indices sind zu einem „Pawlowschen Mechanismus“ verkommen, der hypnotisch die Börsianer glauben lässt, dass die Börsenkurse noch etwas mit der Realität des Zustandes einer Wirtschaft zu tun haben. Indices sind dazu verkommen, dass sie von Notenbankern eingesetzt werden, um die gemeine Masse ruhig zu stellen. So als würde alles im „wirtschaftlichen Lot“ sein.
Schon mehrfach habe ich darauf hingewiesen, dass der durchschnittliche Mensch nur auf zwei Werte, Quoten oder Daten zur Beurteilung der Wirtschaftslage setzt (bzw. durch die Hochleistungspresse dazu gebracht wird): zum einen auf die Arbeitslosenzahl und zum anderen auf den Stand des DAX/Dow Jones. Solange der erste möglichst niedrig ausfällt (egal, ob er nun künstlich nach unten gerechnet wurde) und der zweite möglichst hoch, scheint für den Normalsterblichen alles im grünen Bereich zu sein, was unser Finanzsystem per se anbelangt.
Historiker und Ökonomen fragen sich oftmals, wie es möglich war, dass so viele „Experten“ die Warnsignale nicht erkannt haben, die in der Vergangenheit zu einer Implosion beispielsweise der Börse im Jahre 2008 führten. Dabei ist die Antwort darauf eigentlich ganz einfach: wie in jedem Casino gibt es eine inhärente Neigung falsche Hoffnungen und Erwartungen zu haben. Das heißt, dass viele Leute die ganzen negativen Faktoren und Erfahrungswerte aus der Vergangenheit ignorieren, weil das positive schlicht angenehmer ist. Und die Zentralbanker der Welt nutzen diese Tatsache schlicht aus.
Von außen betrachtet kann man diese Haltung durchaus als Verzweiflung werten. Investoren, die keinerlei positive Signale und Daten aus der Wirtschaft mehr erhalten, haben sich heute darauf verlegt, jedwede Presseveröffentlichung und Rede von Politik und Notenbanken für ihre Entscheidungen heranzuziehen, die ihnen das Gefühl geben, dass die Zentralbanker ihnen weiter mit billigem Geld unter die Arme greifen, obwohl diese das seit längerem schon gar nicht mehr tun. Tatsächlich ist es gar so, dass viele negative Daten paradoxerweise zu Steigerungen der Indices geführt haben, weil die Anleger annahmen, dass diese schlechten Daten die Fed und die anderen Notenbanken dazu bringen werden, ihre Politik der Stimulireduktion zu beenden bzw. diese wieder aufzulegen. Die Yellens und Draghis dieser Welt können – zumindestens derzeit – die Investoren mit ein paar dürren Worten, die sie strategisch äußern, quasi „auf Kurs bringen“.
Erst letzten Freitag haben wir einen solchen Fall erleben können: die Fed-Chefin Janet Yellen warf den Investoren und den Algorithmen der Trading-Computer einen Knochen zu, in dem sie endlich zugab, dass die Inflationsrate (nach der Berechnungsmethodik der Fed) nicht so hoch ist, wie man es seitens der Fed erhofft hatte. Die Folge daraus: die Investoren jubelten und die Algorithmen kauften munter weiter. Die Annahme beider ist nun, dass die Fed ihre Politik der stetigen Zinserhöhung nicht fortsetzen wird. Schließlich ist die Inflationsrate nicht hoch genug und man muss die „Märkte unterstützen“. Aber jeder, der sich in der Vergangenheit mit der Politik und dem Verhalten der Zentralbanken beschäftigt hat, weiß, dass das eine ganz dumme Annahme ist.
Die Fed wird weiter an der Zinsschraube drehen. Und ich erkläre auch warum:
Der Ton, den die Fed in den letzten sechs Monaten anschlug, war fast ausschließlich warnender Natur. Nur Minuten vor dem Treffen der Fed im Juni wurde bekannt, dass die Fed besorgt sei, da die Aktienmärkte zu hoch bewertet seien und dass dadurch das „Marktrisikopotenzial“ gestiegen sei. Einige Fed-Vertreter wurden sogar mit den Worten zitiert, dass die Märkte die Zinserhöhung aus schlichter blinder Überschwänglichkeit ignorieren würden. Anzumerken ist hierbei, dass die Fed ihre Zinserhöhungen in einem Zeitraum durchführte, wo es eine wahre Flut an negativen Daten gab, was natürlich Konfusion in der Finanzwelt auslöste.
Will man meinem Gedankengang folgen, so ist es extrem wichtig zu verstehen, dass alles, was die Fed öffentlicht sagt und tut, kalkuliert und durchdacht ist. Umgibt die Fed-Rhetorik ein Hauch von Konfusion, dann ist es meist strategisch so gewollt und kein „Zufallsprodukt“. Yellens Eingeständnis gegenüber dem US House Financial Services Committee, dass eine niedrige Inflationsrate Sorgen bereitet, kollidiert aber mit zahlreichen früheren Fed-Ausagen.
So hat beispielsweise Yellen im letzten Monat zahlreiche Analysten mit ihrer Behauptung überrascht, dass sie „keine neuen Krisen zu unseren Lebzeiten erwartet (expects no new crisis in our lifetimes)“. Das ist eine extrem zuversichtliche Feststellung, die die Fed – neben anderen Argumenten – heranzieht, um weiter an ihrer Zinserhöhungspolitik festhalten zu können. Trotz einer zu geringen Inflationsrate. Nur wenige Wochen später ist aber die Inflationsrate plötzlich wieder ein Thema?
Die Investoren interpretierten Yellens Erwähnung der geringen Inflationsrate so, dass sie denken, dass die Fed sich von ihrem fixen Plan der weiteren Zinserhöhungen und der Kürzung ihrer Bilanz abrückt. Was sie dabei aber vollkommen ignorierten, war die Tatsache, dass Yellen vor dem gleichen US House Financial Services Committee die Intention der Fed wiederholte, die Zinserhöhungen in der gleichen Geschwindigkeit wie bisher fortzusetzen.
Bereits zuvor hat die Fed diese Technik der „gegensätzlichen Nachrichten“ eingesetzt. So gab man seitens der Fed unterschiedliche Signale, als man damit begann die Politik des Quantitative Easing (QE, Quantitative Lockerung) zu beenden. Damals glaubten auch alle Investoren, dass das QE durch die Fed weitergehen würde. Logische Folge daraus: die Investoren feierten und die Analysten sahen sich in ihrem Glauben bestärkt, dass die Fed QE „nie“ beenden würde.
Inmitten der steigenden Wahrscheinlichkeit von Zinserhöhungen behält die Fed diese Technik weiterhin bei. Zitiert sogar Wachstumswarnungen und bringt die Mainstreamanalysten dazu zu glauben, dass die Zinserhöhungen damit einkassiert seien. Perfektes Popcorn-Kino.
Ich gehe davon aus, dass Yellens letzte Erklärung, dass „es zu unseren Lebzeiten zu keiner neuen Krise kommt“, das Signal dafür ist, dass eine Umkehr an den Aktienmärkten in naher Zukunft stattfinden wird. Denn man fühlt sich an Aussagen erinnert, die so mancher Ökonom und Analyst kurz vor dem Crash von 1929 tätigte:
Wir werden keine weiteren Crashes mehr in unserer Zeit erleben. – John Maynard Keynes, 1927
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(We will not have any more crashes in our time. – John Maynard Keynes, 1927)Ich kann nicht umhin, eine abweichende Stimme zu den Aussagen zu erheben, dass wir im Paradies eines Narren leben, und dass dieser Wohlstand in diesem Land in naher Zukunft unbedingt abnehmen und zurückgehen muss. – H.H. Simmons, Präsident der New York Stock Exchange, 12. Januar 1928
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(I cannot help but raise a dissenting voice to statements that we are living in a fool’s paradise, and that prosperity in this country must necessarily diminish and recede in the near future. – H.H. Simmons, president of the New York Stock Exchange, Jan. 12, 1928)Es kann eine Rezession bei den Aktienkurse geben, aber nichts in der Natur eines Crashes. – Irving Fisher, führender US-Ökonom in der New York Times, 5. September 1929
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(There may be a recession in stock prices, but not anything in the nature of a crash. – Irving Fisher, leading U.S. economist, The New York Times, Sept. 5, 1929)Die Aktienkurse haben das erreicht, was wie ein dauerhaft hohes Plateau aussieht. Ich habe nicht das Gefühl, dass es bald, wenn überhaupt, zu einem 50 oder 60 Punkte Einbruch von der gegenwärtigen Höhe geben wird, so wie (Warner) vorhergesagt haben. Ich erwarte, dass die Börse in ein paar Monaten ein gutes Stück höher steht. – Irving Fisher, führender US-Ökonom in der New York Times, 17. September 1929
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(Stock prices have reached what looks like a permanently high plateau. I do not feel there will be soon if ever a 50 or 60 point break from present levels, such as (bears) have predicted. I expect to see the stock market a good deal higher within a few months. – Irving Fisher, leading U.S. economist, The New York Times, Sept. 17, 1929)… eine ernsthafte Depression erscheint unwahrscheinlich; [wir erwarten] eine Erholung der Märkte im nächsten Frühjahr, mit einer weiteren Verbesserung im Herbst. – Harvard Economic Society, 10. November 1929
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(… a serious depression seems improbable; [we expect] recovery of business next spring, with further improvement in the fall. – Harvard Economic Society, Nov. 10, 1929)
Yellen scheint wie das Echo einer Rhetorik aus der Zeit einer ökonomischen Katastrophe zu klingen. Sie macht Prophezeiungen, von denen sie weiß, dass sie falsch sind und verstärkt zeitgleich die Instabilitäten, in dem sie Zinserhöhungen durchführt. Wie ich schon mehrfach schrieb, ist dies der klassische Modus Operandi der Fed. Die Fed erhöht die Zinsen genau dann, wenn die Wirtschaft schwächelt und ignoriert dabei jedwede Fakten, dass sie eine Blase zum Platzen bringt, die sie selbst geschaffen hat. Fed-Business as usal, wenn man so will.
Bereits in der Rezessionsphase des Jahres 1927 erhöhte die Fed exponenziell die Geldversorgung, mittels Offenmarktgeschäften und einem reduzierten Diskontsatz. Was viele Ökonomen als ursächlichen Katalysator für die überbordende Liquidität ausmachten, die zum Aktiencrash von 1929 führte. Als dann der Marktzusammenbruch und die nachfolgende Depression eintrat, ERHÖHTE die Fed die Zinsen und machte damit alles noch schlimmer, wie Ben Bernanke 2002 in einer Rede sogar öffentlich zugab. Die Fed hat damit die Depression künstlich um Jahre verlängert, so dass diese über den „normalen Deflationszeitraum“ hinausging.
Will man die Geschichte als Wegweiser und Ratgeber einsetzen, dann sieht man, dass die Zentralbanker eine „Umgebung fiskalischer Gefahren“ schaffen, um uns dann vor diesen Gefahren viel zu spät und in abwiegelnder Weise zu warnen. Zu guter Letzt behaupten sie dann nach dem Crash, dass ihre Aktivitäten nichts mit all dem zu tun haben.
Also nicht Neues im Staate Dänemark, was wir gerade erleben. Der ehemalige Fed-Vorsitzende Alan Greenspan gab in einem Interview öffentlich zu, dass die Zentralbanker wussten, dass sich eine irrationale Blase an den Märkten im Jahre 2008 gebildet hatte, aber er behauptete, dass die Fed nicht entgegensteuerte, weil man annahm, dass sich die negativen Faktoren „herauswaschen (wash out)“ würden.
Ich gehe derzeit davon aus, dass die IGE und ihre Zentralbanker auf einen Zeitpunkt für einen Aktienmarktzusammenbruch warten, bis ein „in Vorbereitung befindliches“ geopolitisches (Groß-)Ereignis eintritt. Ein (Groß-)Ereignis als Ablenkung, das so groß ist, dass die Aufmerksamkeit von den Bankern und deren Schuld am Crash auf dieses (Groß-)Ereignis umgelenkt wird. Sie werden es sicherlich nicht erlauben, dass der Aktienmarktzusammenbruch in einem Vakuum erfolgt, in dem man die Frage nach den Verursachern stellen könnte.
Zum Abschluss dieses Artikels ein Zitat des Fed-Vorsitzenden zu Zeiten der Großen Depression, Roy Young. Vielleicht sollten die Investoren sich wirklich einmal mit dem Gedanken anfreunden, dass sie von den Notenbanken manipuliert werden und dass sie nur nützliche Idioten in einem Spiel sind, um die Öffentlichkeit unter Kontrolle zu halten, in dem man wiederum die Märkte manipuliert – bis die Fed bereit ist den Stecker zu ziehen. Sobald der Zusammenbruch eintritt, wird die Fed einen Weg finden, die Schuld von sich zu weisen. Aber in der Zwischenzeit sollten wir nicht den Fehler machen zu glauben, dass die Fed ihre Zinserhöhungen nicht fortsetzen wird oder dass die Fed ihre Bilanz wirklich verkleinert.
Viele Menschen in Amerika scheinen sich mehr um die gegenwärtige Situation zu kümmern als das Federal Reserve System selbst. Wenn sich ungünstige Kreditpraktiken entwickelt haben, werden sich diese Praktiken selbst rechtzeitig korrigieren, und wenn einige der Gutmütigen während des Korrekturzeitraums „verbrannt“ werden, müssen sie die Schuld selbst schultern und nicht versuchen, sie an einen anderen weiterzugeben. – Roy Young, Fed-Vorsitzende vor der Indiana Banking Association, kurz vor dem Crash von 1929
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(Many people in America seem to be more concerned about the present situation than the Federal Reserve System is. If unsound credit practices have developed, these practices will in time correct themselves, and if some of the overindulgent get „burnt“ during the period of correction, they will have to shoulder the blame themselves and not attempt to shift it to someone else. – Roy Young, Fed Chairman, addressing the Indiana Bankers Association, before the Stock Market Crash of 1929)
Quellen:
100 DER BELIEBTESTEN BÖRSENZITATE UND WEISHEITEN VON ANDRÉ KOSTOLANY
Don’t Be Fooled – The Federal Reserve Will Continue Rate Hikes Despite Crisis
How Did Economists Get It So Wrong?
Some Fed officials are concerned stock prices may be too ‚high‘
Peak Economic Delusion Signals Coming Crisis
Yellen Keeps a Gradual Rate-Hike Outlook as Inflation Puzzles the Fed
Why the Fed backed away from tapering: Jon Hilsenrath
Fed Slows Down on Plans to Pursue Interest Rate Increases
Remarks by Governor Ben S. Bernanke
Alan Greenspan Admits „All Of Us Knew There Was A Bubble“ In 2008
The Federal Reserve Is A Saboteur – And The „Experts“ Are Oblivious
Federal Reserve Chairmen: Famous quotes from the Great Depression to today