Als ich Ende 2015/Anfang 2016 zwei Artikel zum Thema „Sesame Credit“ schrieb, leitete ich beide mit dem nachfolgenden Worten ein:
Schon einmal von „Sesame Credit“ gehört? Nein? Macht nichts, denn es ist nur eine Frage der Zeit bis das, was sich hinter diesem Namen verbirgt, auch in Europa und Deutschland diskutiert wird.
„Sesame Credit“ ist die chinesische Umsetzung der Dystopie von Orwell – bis zum Jahr 2020 freiwillig, danach verpflichtend.
„Sesame Credit“ ist so etwas wie die „Schufa des Sozialverhaltens“, heißt, dass jeder Bürger in China zukünftig bewertet wird:
„Die Besitzer der größten chinesischen Sozialen Netzwerke haben sich mit der Regierung zusammen getan, um so etwas wie den US-Kredit-Score zu erstellen – aber statt zu bewerten wie regelmäßig Sie Ihre Rechnungen bezahlen, misst er wie gehorsam sie der Parteilinie folgen.“
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(„The owners of China’s largest social networks have partnered with the government to create something akin to the U.S. credit score — but, instead of measuring how regularly you pay your bills, it measures how obediently you follow the party line.“)
Viele dürften damals gedacht haben, dass wir im Westen doch niemals eine ähnliche Entwicklung sehen werden. Schließlich leben wir im „freien Westen“ und nicht in einem kommunistischen Staatssystem.
Weiter schrieb ich 2015, dass die Realisierung „dieses feuchten Traums der Überwachungsjunkies und selbsternannten Eliten“ auch bei uns im Westen alsbald diskutiert und dann umgesetzt werden wird:
Einige Dinge mögen in diesem System des „Sesame Credit“ erst in einigen Jahren vollständig implementiert sein und daher mag es seine wahre Effektivität noch verbergen können, aber es wird durch den Charakter der Selbstzensur und Selbstüberwachung das effektivste Instrument der Eliten sein, um ihre Stellung bewahren und ihre Vorstellung einer neuen Ordnung umsetzen zu können.
Und eines dürfte klar sein: es ist nur eine Frage der Zeit bis auch hier bei uns dieser feuchte Traum der Überwachungsjunkies und selbsternannten Eliten diskutiert und dann eingeführt wird.
Meine damalige Annahme ist jetzt schneller Realität geworden als gedacht.
So hat nun Kanada ein System eingeführt, dass das Wissen aus der klassischen Verhaltensforschung mit dem Game Design (Spieledesign) kombiniert und dadurch eine „virtuelle Skinner Box“ entsteht, die so detailliert alle möglichen Verhaltensmuster berücksichtigt, dass sowohl eine klassische Konditionierung, Manipulation als auch „Ruhigstellung der Massen“ erfolgen kann. Die eingesetzten Techniken wurden dazu in den letzten Jahren von der Regierung sorgsam studiert, um ein System entstehen zu lassen, das die Verbindung von Verhaltensforschung, Spieltrieb und Regierungspropaganda zur vielleicht größten Gefahr für die Freiheit der Menschen werden lässt.
Sie meinen: Zu weit hergeholt? Zu dick aufgetragen?
Nun, Kanada hat – wie bereits erwähnt – sein „Regierungsverhaltens- und -kontrollspiel“ ausgerollt – und das nicht irgendwie versteckt, sondern in aller Öffentlichkeit:
Mittels einer vom Staat gesponserten App sollen die Kanadier zu einem „besseren und gesünderen Lebensstil“ ermutigt werden. Dazu hat die Regierung im Bundesstaat Ontario ein Budget von 1,5 Millionen Dollar bereitgestellt, um eine solche App umzusetzen. Wie der kanadische TV-Sender CBC berichtete, mit der Zielstellung verbunden, die kanadische Bevölkerung gesünder zu machen.
Erste „Entwicklungsschritte“ wurden aber bereits 2015 gemacht, als die Public Health Agency of Canada (kanadische Gesundheitsbehörde) sich mit der Heart and Stroke Foundation, der Canadian Diabetes Association und YMCA Canada zusammen tat, um eine App zu entwickeln, die seine Nutzer in Richtung bestimmter (sprich vorgegebener) Verhaltensweisen manipuliert. Um genau zu sein, ein „gesundes Verhalten“, wobei dieses natürlich von der kanadischen Regierung und den dahinterstehenden Strippenziehern definiert wurde. Die App belohnt dabei das „korrekte Verhalten“ seiner Nutzer mit Punkten, die wiederum in andere „Punktesysteme“ wie Aeroplan, Petro Points, Scene (Cineplex) und More Rewards (also in ähnliche Systeme wie Payback, Deutschlandcard, usw.) übertragen werden können. Allein 5 Millionen Dollar ließ es sich die kanadische Regierung kosten, um dem Bekanntheitsgrad der App zu steigern.
Die kanadische Regierung hat also für alle sichtbar in den vergangenen Monaten eine App entwickeln lassen, die das Verhalten der Menschen belohnt, wenn diese „ein gutes, gesundes Verhalten“ an den Tag legen. Dass die wenigsten Menschen dies als „Konditionierung per App“ sehen, ist eigentlich nicht nachvollziehbar. Insbesondere dann nicht, wenn man sich noch den Namen der App anschaut: Carrot Rewards (Karottenbelohnung). Kann man es noch offensichtlicher seitens der Eliten machen, dass man nichts, aber auch gar nichts von den Bevölkerungen hält und diese nur als dumme Menschenmasse betrachtet, wenn man eine solche App Carrot Rewards nennt? Oder kommt bei diesem Namen nur mir der Vergleich der Karotte in den Sinn, die vor der Nase des Esels hin und herbaumelt?
Bislang kann diese App in den Bundesstaaten British Columbia, Neufundland und Labrador, sowie in Ontario genutzt werden. Jedoch besteht die Möglichkeit einer Petitionsteilnahme, um auch im in den anderen kanadischen Bundesstaaten den „feuchten Traum der Überwachungsjunkies und selbsternannten Eliten“ wahr werden zu lassen und um „endlich“ Teil der bisher 300.000 Nutzer werden zu können.
Damit die kanadische Bevölkerung sich auch ja ihrer vollkommenen Verdummung und Kontrolle hingibt, hat die Regierung zahlreiche Werbekampagnen gestartet, die wiederum – bei genauerer Betrachtung der Inhalte – selbstentlarvend, weil eineindeutig, sind:
Wir (beg)leiten und belohnen Sie jeden Schritt des Weges! – offizielles Werbekampagnenmotto
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(Guiding and rewarding you every step of the way!)
Aber es geht noch besser, wenn wir den Worten des CEO der Entwicklerfirma, Andreas Souvaliotis, lauschen wollen:
Das Schöne an dieser App ist, wenn sie dich einmal gut genug kennt, dann kann sie dich mit viel spezifischeren [Information] versorgen.
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(The beauty about the app is once it knows you well, it can target you with much more specific [information].)
Wahrlich eine wunderbare Umschreibung für das Aushebeln der Privatsphäre.
Oder schauen wir uns noch einen Werbespruch an:
Die App wird mit dir die ganze Zeit reden und sagen ‚warum nimmst du nicht am Quiz zur Grippeimpfung teil?‘.
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(The app will talk to you all the time and say ‚why don’t you take a quiz about the flu shot?‘.)
Jetzt werden Kritiker meiner Ausführungen bzw. Befürworter einer solchen App sagen, dass hinter der Belohnung der Bürger bei „gesunden Verhalten“ durch die Regierung nichts anrüchiges zu sehen ist; dass die Ideen einer Regierung, die in Echtzeit jede Aktivität des Nutzers einer solchen App beobachtet, Orwellsche Gedankenzüge aufweist; und dass man doch besser seinen Aluhut zurecht rücken sollte. Schließlich geht es um die Gesundheit bzw. um einen gesunden Lebensstil. Man bekommt doch auch nur ein paar Punkte, wenn man sich „gesund“ verhält und wer kann schon etwas gegen beispielsweise einen gesunden Schlaf haben? Außerdem ist es ja nicht so, dass man damit irgendwelche Dinge wie eine Impfkampagnen promoten oder gar der Pharmaindustrie „unter die Arme greifen“ will.
Hmm… dem ist leider nicht so. Denn Carrot Rewards fordert seine Nutzer unter anderem dazu auf, eine Grippeimpfung zu machen. Außerdem belohnt die App den Nutzer, wenn dieser erfolgreich an einem Quiz zum Thema Grippeimpfung oder anderen Themen, die im Interesse der Pharmaindustrie liegen, teilnimmt. Zudem „trainiert“ die App seine Nutzer so, dass diese „sich [doch mehr] um die Umwelt kümmern (care [more] about the environment)“ möchten, und dass – bizarrerweise – die Nutzer „sich in finanzieller Hinsicht weiterbilden [sollen], da die finanzielle Kompetenz eine der wichtigsten Vorbestimmungen für die Gesundheit ist (be more financially literate because financial literacy is one of the most important predeterminants of health)“.
Richtig gelesen. Das Land, das erst vor Kurzem sein Zentralbanksystem in einen Klon des US-Federal Reserve Systems umgewandelt und bei zahlreichen Skandalen, Verfehlungen und Pleiten im Finanzsystem weggeschaut hat, fordert seine Bürger auf, sich bzgl. des Finanzwesen zu bilden, in dem man auf eine verhaltensmodifizierende App setzt und Punkte verteilt.
Das schlimmste an dieser App (und den zahlreichen Nachahmern, die wir alsbald auch bei uns in Europa sehen werden) ist, dass damit – wie ich bereits eingangs schrieb – der schlimmste Alptraum der Menschheit wahr werden wird: die Verbindung der Verhaltensforschung mit dem menschlichen Spieltrieb und dem Kontrollbestrebungen der Regierungen. Aber eigentlich darf uns diese Entwicklung nicht verwundern. Denn bereits 2010 wies Jesse Schell von Carnegie Mellon in einem Vortrag darauf hin, dass diese drei Felder die Möglichkeit bieten, ein „Fenster in die Natur der Menschen (windows into human nature)“ zu öffnen und dass jedes dieser drei Felder das Potenzial besitzt, um das „Verhalten der Menschen zu modifizieren (potential for behavior modification)“. Doch bislang versuchten sich die Verhaltensforscher am Spieldesign und die Spieldesigner daran, das Verhalten seiner Nutzer zu manipulieren – getrennt voneinander. Erst unter der „Schirmherrschaft des Staates“, der bestimmte Ergebnis – im Auftrag Dritter – produziert haben will, haben sich beide Gruppen zusammengetan: Verhaltensforscher, die determinieren, wie man die Nutzer zu den gewollten Ergebnissen „hinmanipuliert“ und Spieledesigner, die gezielt die „Welten schaffen“, dass die gewünschten Ergebnisse spielerisch beim Nutzer als eigene Umsetzungsidee ankommen. Die perfekte Symbiose, um das Verhalten und die Gewohnheiten einer bestimmten Bevölkerung zu steuern.
Die gesunden Nachrichten werden von Regierungen und Agenturen zur Verfügung gestellt, und dann arbeiten Verhaltensforscher daran, um diese für die App-Nutzer attraktiv zu machen.
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(The healthy messaging is provided by governments and agencies, and then behavioural scientists work to make it appealing for app users.)
Während die von Huxley und Orwell im Auftrag geschriebenen Werke vielen als Vorlage erscheinen, sind wir in Wahrheit schon viel weiter. Die Menschen werden mittels Technik und einer selbstauferlegten Überwachung zu einer schlafwandelnden Masse, die substantive Kritik nicht mehr kennt und die nicht in in der Lage ist, wichtige Themen zu diskutieren und zu hinterfragen. Vielmehr erkennen Sie nicht, dass mit solchen Apps und solchen Systemen ihr Verhalten so gesteuert werden wird, dass sie zu willfährigen Robotern werden, die das herrschende System stützen.
Wie schrieb schon einst Edward Bernays in seinem Buch Propaganda:
Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element der demokratischen Gesellschaft. Diejenigen, die diesen unsichtbaren Mechanismus der Gesellschaft manipulieren, bilden eine unsichtbare Regierung, die die wahre herrschende Macht unseres Landes ist.
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(The conscious and intelligent manipulation of the organized habits and opinions of the masses is an important element in democratic society. Those who manipulate this unseen mechanism of society constitute an invisible government which is the true ruling power of our country.)
Quellen:
NWO: Der beste Weg der staatlichen Überwachung ist die Selbstkontrolle
NWO: Vom „Bürgergefahrenwert (citizen threat score)“ zu Robocop – Reine Phantasie oder bald Realität?
Canadian Government Offering Citizens Reward Points for “Good” Behavior
5 Creepy Ways Video Games Are Trying to Get You Addicted
B.F. Skinner’s Shaping Experiment („Skinner’s Box“)
Sesame Credit: China’s Creepy New Social Engineering Experiment
Carrot Rewards app gets $1.5 million boost from Ontario government
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Carrot Rewards – What If……
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Aldous Huxley to George Orwell: My Dystopia Is Better Than Yours
Edward Bernays – Propaganda (1928)