Am vergangenen Donnerstag wurde im US-Senat ein Gesetz beschlossen, dass neue Sanktionen gegen Russland vorsieht und dass zudem Trump dazu zwingt, zuerst die Zustimmung beider Häuser einzuholen, wenn dieser die Sanktionen gegen Russland lockern oder gar aufheben will. Das Gesetz ist Teil einer Reihe an Gesetzen, die nicht nur Russland im Visier haben, sondern auch den Iran und Nord-Korea. Die Gesetzesvorlage wurde mit 98 zu 2 Stimmen angenommen. Ganz vorne dabei – einmal mehr – der Kriegstreiber und Neocon John McCain:
Die Sanktionen sind „aus Sicht des Völkerrechts und der internationalen Handelsbeziehungen gleichermaßen entsetzlich“, sagte der Kreml-Pressesprecher Dmitry Peskov am Mittwoch gegenüber Reportern und warnte, dass „solche Aktionen nicht ohne Antwort bleiben würden.“
„Das hat bereits äußerst negativen Einfluss auf den Prozess der Normalisierung unserer Beziehungen“, sagte der russische stellvertretende Außenminister Sergej Rjabkow der Interfax-Nachrichtenagentur und warnte, dass die Sanktionen die USA und Russland in ein „unbekanntes Territorium im politischen und diplomatischen Sinne bringe“.
„Wir sollten Gegenmaßnahmen, die unseren nationalen Interessen nicht schaden werden, aber für die Amerikaner schmerzlich sein werden, prüfen“, sagte Konstantin Kosachev, der Leiter des Außenpolitikausschusses im russischen Oberhaus und betonte, dass eine solche Vergeltung „nicht nur symbolisch sein sollte“.
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(The sanctions are „equally dreadful from the point of view of international law and international trade relations,“ Kremlin press secretary Dmitry Peskov told reporters on Wednesday, warning that „such actions would not be left without a response.“„This is already having an extremely negative impact on the process of normalising our relations,“ Russian Deputy Foreign Minister Sergei Ryabkov told the Interfax news agency, warning that the sanctions are taking the US and Russia into „uncharted territory in a political and diplomatic sense.“
„We should look for counter measures that won’t harm our national interests, but will be painful for the Americans,“ said Konstantin Kosachev, the head of the foreign relations committee in Russia’s upper house, stressing that such retaliation „should not be just symbolic.“)
Eine erste Maßnahme Moskaus auf das Gesetz war die Ausweisung zahlreicher US-Diplomaten sowie die Schließung einiger Lagerflächen der US-Amerikaner in der russischen Hauptstadt. Seltsamerweise kam bereits im Juni von einer Seite ein Kommentar zu den Sanktionen gegen Russland, den man so eigentlich nicht erwarten konnte:
In bemerkenswerter Offenheit beschreibt der US-Gesetzentwurf, worum es eigentlich geht: um den Verkauf amerikanischen Flüssiggases und die Verdrängung russischer Erdgaslieferungen vom europäischen Markt. Ziel sei es, Arbeitsplätze in der Erdgas- und Erdölindustrie der USA zu sichern. Politische Sanktionsinstrumente sollten nicht mit wirtschaftlichen Interessen in Verbindung gebracht werden. Und Unternehmen in Deutschland, Österreich und anderen europäischen Staaten auf dem US-Markt mit Bestrafungen zu drohen, wenn sie sich an Erdgasprojekten wie Nord Stream II mit Russland beteiligen oder sie finanzieren, bringt eine völlig neue und sehr negative Qualität in die europäisch-amerikanischen Beziehungen. Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit unserer energieintensiven Industrie und um tausende von Arbeitsplätzen.
Das obige Zitat stammt aus einer Erklärung des österreichischen Kanzlers Christian Kern und des deutschen Außenministers Sigmar Gabriel, die in einem Anflug von Ehrlichkeit die US-Strategie beim Namen nannten: die Kluft zwischen Russland und Europa zu vergrößern, zum Vorteil für die USA und zum Schaden Europas und Russlands.
Nochmals Christian Kern in einer aktuelleren Erklärung zum neuesten „Sanktionsgesetz“:
Ich halte die von den USA verhängten russischen Sanktionen für absolut inakzeptabel. Die Vermischung politischer Interessen mit ökonomischen Interessen auf Kosten der europäischen Arbeitsplätze ist ein no-go. Die Energieversorgung Europas ist eine Frage für Europa!
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(I consider the Russia sanctions imposed by the US absolutely unacceptable. Confusing political interests with economic interests at the expense of European jobs is a no-go. The energy supply of Europe is a matter for Europe!)
Selbst der EU-Ratspräsident Jean-Claude Juncker sagte zu den neuen Sanktionen:
Das US-Gesetz könnte unbeabsichtigte einseitige Effekte haben, die die Energiesicherheitsinteressen der EU beeinflussen. Aus diesem Grund hat die Kommission heute festgestellt, dass, wenn unsere Bedenken nicht hinreichend berücksichtigt werden, wir bereit sind, innerhalb einer Angelegenheit von Tagen angemessen zu handeln. America First kann nicht bedeuten, dass die Interessen Europas zuletzt kommen.
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(The US Bill could have unintended unilateral effects that impact the EU’s energy security interests. This is why the Commission concluded today that if our concerns are not taken into account sufficiently, we stand ready to act appropriately within a matter of days. America first cannot mean that Europe’s interests come last.)
Wer das Gesetz in voller Länger liest, kann den (gespielten?) „Unmut“ verstehen, denn es gibt darin einen Abschnitt, der sich auf „bestimmte russische Crude Oil-Projekte“ bezieht, was die EU mit Nord Stream 2 übersetzt.
Nord Stream 2 ist eine Erweiterung der bestehenden Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland, die bislang 1,9 Billionen Kubikmeter Gas nach Europa bringt. Mit Nord Stream 2 soll die Kapazität auf nunmehr 3,9 Billionen steigen. Aus EU-/deutscher Sicht sind diese neuen Sanktionen ein schwerer Schlag gegen den Ausbau der Pipeline, an dem zahlreiche Firmen derzeit arbeiten, weil diese durch US-Bankverbindungen auch bei anderen Projekten Schwierigkeiten bekommen können. Gabriel und Kern wiesen bereits daraufhin, dass Washington damit seine Gas- und Ölexporte in Richtung Europa auf Kosten Russlands steigern will.
Die neuen US-Sanktionen und die „Fallstricke, die sich daraus für europäische Firmen ergeben“, selbst wenn die EU die Sanktionsschraube nicht weiter anziehen will, zwingen Europa immer mehr dazu, Stellung in diesem Kalten Krieg 2.0 zu beziehen. Es wird der Punkt kommen, wo man sich seitens Brüssel entscheiden muss.
Viele sehen diese Debatte aber auch als einen Kampf zwischen den Altantikern, die den herrschenden Status Quo einer von Washington bestimmten Pax Americana als überlebensnotwendig für Europa erachten, und den Eurasiern an, die wiederum die Zukunft in einer engeren Verbindungen zwischen Europa und China bzw. Russland sehen. Leider erkennen die beide Gruppen nicht die falsche Dialektik hinter den für die Öffentlichkeit bewusst gegensätzlich aufgestellten Blöcken NATO vs. SCO, Weltbank vs. AAIB oder EU vs. Eurasian Economic Union. Denn hinter den jeweiligen Blöcken stehen die gleichen Strippenzieher und die gleichen verfolgten Ziele. Auch wenn es schwer fallen mag, dies zu akzeptieren.
Quellen:
US Sanctions on Russia: Dagger At the Heart of Europe
H.R.3364 – Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act
US Senate approves new sanctions bill against Russia, Iran & N. Korea
U.S. Senate votes for new sanctions on Russia, unclear whether Trump will sign or veto
New US sanctions against Russia ‘defy common sense’, will cause retaliation – Moscow
Moscow warns new sanctions take US-Russia ties into ‚uncharted territory‘
Moscow reacts with anger and frustration over new sanctions bill
Russia Retaliates For Sanctions Approval, Hitting At U.S. Diplomatic Corps
Russia to seize US properties in retaliation over sanctions
Kern und Gabriel zu einseitiger Verschärfung der Russland-Sanktionen durch die USA
European Commission acts to preserve the rule of law in Poland
New US Russia sanctions ‘absolutely unacceptable,’ come at expense of EU jobs – Austrian chancellor
EU looks to water down impact of US sanctions on Russia
Russia sanctions: EU vows to retaliate over US measures
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Phoney Opposition: The Truth About the BRICS
Eurasian Economic Union