Finanzsystem: Der Fall des Petrodollars als Mittel der DedollarisierungLesezeit: 10 Minuten
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Jeder Aspekt der globalen Wirtschaft kann auf zweierlei Arten interpretiert werden. Abhängig davon, was man zum „Ausdruck“ bringen möchte, „interpretiert“ man die Daten so, dass sie eine gewünschte und angedachte Schlussfolgerung (unter)stützen oder man präsentiert sie ohne jedweden Kontext als reine De Facto-Daten.
Ein sehr gutes Beispiel dafür ist das Thema Öl/Ölproduktion, dessen Entwicklung und was diese letztlich im Bezug auf Angebot und Nachfrage zu bedeuten hat, sowie die Reaktionen, die wir im Mainstream dazu – schön für die Massen „leicht verständlich aufbereitet“ – finden. Im Jahre 2009 veröffentlichte die Hauspostille des Council On Foreign Relations, das Magazin Foreign Policy, einen Artikel mit dem Titel Debunking The Dumping-The-Dollar Conspiracy (Entlarvung der Dollarverschleuderungsverschwörung), der zu seiner Zeit wahrlich verwirrend war und im Licht der heutigen Entwicklungen sogar noch weit verwirrender ist.
Foreign Policy verweigerte sich im damaligen Artikel der Möglichkeit, dass eines Tages der US-Dollar seinen Status als die Währung im Ölhandel, sprich den Petrodollarstatus, verlieren könnte. Erst Robert Fisk vom Independent wagte es der offiziellen Meinung zu widersprechen als er davor warnte, dass der Petrodollar bis zum Jahr 2018 zumindest geschwächt, wenn nicht gar gestürzt sein könnte. Zudem erlag Foreign Policy einem typischen Zirkelschluss, als dieser ein mögliches Ende des Status des US-Dollars als Weltreservewährung betrachtete: dass der US-Dollar die Weltreservewährung ist, weil die „USA die herausragende Weltwirtschaftsmacht“ ist.
Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall. Die USA ist nur deshalb die „herausragende Weltwirtschaftsmacht“, weil der US-Dollar gleichzeitig die Weltreservewährung ist. Auch waren die USA nur deswegen einmal das industrielle Zentrum nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, weil es als eines der wenigen, industrialisierten Länder auf der Erde zur damaligen Zeit nicht am Boden lag. Immer dann, wenn man der letzte Spieler auf dem Spielfeld ist, kann man sich riesige ökonomische Profite „erarbeiten“ – inklusive internationaler Investitionen. Aber dies gilt nicht für alle Ewigkeit.
Die USA wurden inzwischen von zahlreichen anderen Nationen im Bezug auf Herstellung von Gütern rechts überholt. Und auch beim Import und Export wurden die USA in mehreren Bereichen bereits abgehängt. Ergo ist das Argument der „herausragenden Weltwirtschaftsmacht“ schlichtweg überholt und obsolet.
All das, was der CFR bzw. Foreign Policy im Jahre 2009 als „reine Verschwörung“ abtat, bewahrheitet sich heute immer mehr. Genauso wie es Robert Fisk vorhersah und genauso wie es zahlreiche alternative Analysten schon lange vor ihm taten, dass zahlreiche weltweite Veränderungen im Gemengelage Öl/Ölproduktion wie auch bei den geopolitischen Beziehungen zu einer spiralartigen Verkettung hin zu einer „Anti-Dollar-Stimmung“ führen werden.
Aber kann der US-Dollar seinen Status als Petrodollar und damit Weltreservewährung wirklich verlierne? Und dies gar bereits 2018? Durchaus, denn…
Während die USA laut der US-Behörde Energy Information Administration (EIA) weiterhin der größte Ölkonsument ist, ist in den letzten Jahren der Verbrauch in den USA merklich zurückgegangen. Was dazu führte, dass die erdölproduzierenden Länder sich nach anderweitigen Abnehmern umsehen mussten. Das World Economic Forum schrieb schon 2015, dass der US-Ölverbrauch seit dem Platzen der Kreditblase 2008 drastisch einbrach. Aber dies wurde in der Hochleistungspresse so gut wie nicht thematisiert. Während interessanterweise die Nachfrage also zurückging, explodierte der Preis pro Barrel regelrecht, weil die Federal Reserve (Fed) ihre inflationäre Quantitative Easing (QE)– Politik verfolgte. Fast zeitgleich nach dem „Einkassieren von QE“ vielen die Preise analog der fehlenden Nachfrage.
Erst kürzlich behauptete die EIA dann, dass es zu einem Anstieg bei der Ölnachfrage seit dem zweiten Quartal gekommen sei. Und „projizierte“ gar eine weltweit anziehende Nachfrage (inklusive der USA), die sich bis ins Jahr 2018 fortsetzen würde. Eine so hohe Nachfrage, das das Angebot übersteigen würde:
Zur gleichen Zeit gab die EIA aber auch bekannt, dass eine Stagnation bei der globalen Ölnachfrage aufgetreten ist, wobei die USA seinen Verbrauch seit 2010 am stärksten eingeschränkt hat:
Welcher Vorhersage sollen wir also nun Glauben schenken? Die, dass alles in Butter sei. Oder die, die die Fakten eindeutig aufzeigt? Eigentlich ist es offensichtlich, selbst nach den „offiziellen“ Statistiken, was die US-Importe von Crude Oil anbelangt, dass der US-Markt bereits 2009 an Stärke verlor und auf Höhen fiel, die man zuletzt in den 1990ern gesehen hatte. Und seitdem fand auch keine angebliche Erholung statt. Jeder weiß, um die exponenziell steigende Nachfrage, die jedes Jahr wie ein Uhrwerk eintritt. Seltsamerweise traf aber genau diese nicht auf die USA zu:
Währenddessen hat China die USA als größter Ölimporteur von Platz 1 verdrängt, obwohl die EIA-Angaben die USA immer noch als größten Ölverbraucher nennen. Das Argument, das Mainstream-Analysten dann einsetzen, lautet: dass die Importe zurückgegangen sind, weil die USA durch das Fracking die heimische Nachfrage selbst „mitabdecken“ konnte. Aber dieses Argument lässt den allgemein gültigen langfristigen Prozess fallender Nachfrage außer acht. Die USA ist DERZEIT der größte Verbraucher von Öl. Aber wird es so bleiben? Laut den Daten lautet die Antwort nein. US-Amerikaner kaufen seit der Kreditkrise von 2008 weniger Erdölprodukte, unabhängig davon, woher sie kommen. Und die Erdölproduzenten versuchen deswegen ihre Abnehmer zu diversifizieren – und diese Diversifizierung gilt auch für die eingesetzte Währung.
Wenn die Annahme richtig ist, dass der zurückgegangene Import durch die Eigenproduktion in den USA ausgeglichen wurde, stellt sich aber immer noch die Frage: warum sollen die erdölproduzierenden Länder sich weiter an den Petrodollar binden, wenn die USA beschlossen hat, sich immer mehr selbst zu versorgen? Denn die USA sind zu einem direkten Konkurrenten auf den Ölmärkten geworden. Warum sollten daher die OPEC und andere Staaten weiterhin den USA den enormen Vorteil einräumen, dass nur der US-Dollar zur Fakturierung verwendet wird?
Und hier kommt für mich die geopolitische Komponente ins Spiel. Die geopolitische Lage nimmt immer weiter an Instabilität zu. Ich glaube, dass die Sanktionen gegen den Iran schon viel zu lange ignoriert wurden und dass dies direkte Auswirkungen auf den Status des Petrodollars hat. Inwiefern? Die EU nimmt derzeit 40% der iranischen Ölproduktion auf. Aufgrund der zeitlich sehr seltsam anmutenden Versuche der Trump-Administration die Sanktionen gegen den Iran zu erneuern, wurde die EU in eine Zwickmühle gebracht. Entweder die Sanktionen ablehnen und die Beziehungen zu den USA schwächen oder eine der bedeutendsten Quellen für Ölimporte verlieren. Bis jetzt hat sich die EU dazu entschieden lieber Teheran vor den Kopf zu stoßen. Aber die „Solidarität mit den USA“ ist nicht mehr annähernd so stark wie 2012.
Mit Iran als wichtigen Ölproduzent für Europa, China und neuerdings Indien (hier hat Teheran Riad verdrängt), wirkt die neueste Forderung Trumps nach noch mehr ökonomischen Druck gegenüber dem Iran, wie ein Brandbeschleuniger für das Ende des Petrodollars. Bleibt die Frage noch im Raum: wie werden die anderen Staaten dann reagieren? Werden die Länder sich gegen den US-Dollar stellen, je mehr sie unter dem Weltreservestatus des US-Dollars und des Drucks aus Washington zu leiden haben? Werden sie dann nach Alternativen Ausschau halten? Und wie können diese aussehen?
China hat bereits genau aus diesem Grund heraus seine Verbindungen zu Russland ge-/verstärkt. Jetzt da Russland Saudi-Arabien als größten Öllieferanten Chinas abgelöst hat und wo der US-Dollar immer weniger eine Rolle im bilateralen Handel zwischen den beiden Ländern spielt, ist für mich das finale Spiel angepfiffen worden. In den letzten Wochen verdichten sich die Anzeichen, dass Peking innerhalb der nächsten zwei Monaten, seine EIGENE Währung, den Yuan, als Fakturierungseinheit einsetzen wird. Nicht mehr den US-Dollar.
Saudi-Arabien, langjähriger Partner der USA in der „Ölkette“, wendet sich ebenfalls von Washington ab. Die Spannungen zwischen den Saudis und dem US-Außenministerium bzgl. des surreal anmutenden Embargos gegen Katar sind nur ein Teil davon. Mit den wachsenden Einfluss Chinas in dieser Region wird auch dem Mainstream langsam bewusst, dass Saudi-Arabien durchaus dazu „gezwungen“ sein könnte, sein Öl auch in anderen Währungen als den US-Dollar zu verkaufen.
Warum hängt aber soviel an diesem Petrodolar? Soviel am Öl per se? Weil Energie, sein Verbrauch, seine Nachfrage, zusammen mit der Währung, der Schlüssel ist, um den Status und Zustand der Wirtschaft zu verstehen. Wenn die Nachfrage nach Energie stagniert, bedeutet dies gewöhnlich, dass die Wirtschaft ebenfalls stagniert. Wenn ein Land ein Monopol auf den globalen Energiehandel besitzt, in dem es seine Währung ans Öl koppelt, dann entstehen Abhängigkeiten und die Finanzstrukturen wiederum sind selbst davon abhängig, dass diese Abhängigkeiten beständig befriedigt werden.
2009 argumentierte Foreign Policy im angesprochenen Artikel, dass der US-Dollar „nichts weiter als eine Konvention sei“ – ein Abkommen Öl in US-Dollar zu handeln. Bis hier hin kann man dieser Argumentation durchaus folgen, weil es tatsächlich nur eine Vereinbarung war, die jederzeit gelöst werden kann. Aber Foreign Policy beharrt darauf, dass es keine Konsequenzen für die USA und für die Welt geben wird, wenn es denn dazu kommen sollte, dass der Petrodollar fällt. Diese Annahme ist aber schlichtweg absurd. Billionen an US-Dollar werden weltweit von den Staaten gehalten und der einzige Zweck dieser US-Dollar liegt darin, den internationalen Handel basierend auf dem „Abkommen zum US-Dollar als Weltreservewährung“ zu gewährleisten. Aber welchen Sinn hat der US-Dollar dann noch, wenn sein Weltreservestatus nicht mehr gegeben ist? Warum sollten die anderen Länder diesen noch halten? Die Antworten darauf sind: es macht keinen Sinn und es gibt keinen Grund.
All diese US-Dollar würden mittels diverser Kanäle in die USA fluten. Die Psychologie an den Märkten würde sofort dazu führen, dass der US-Dollar im internationalen Handel massiv an Wert verliert. Und die USA würden eine dort nie gekannte Inflation erleben. Dieser Prozess hat sogar schon begonnen und es scheint mehr und mehr so zu sein, dass es innerhalb der nächsten Jahre zu einem „Neubeginn“ (Reset wie der IWF so gerne sagt) bei der Bedeutung so mancher Währung kommen wird.
Manche Menschen glauben, dass dann bessere Zeiten anbrechen werden. Eine Chance für eine bessere Zukunft. Sie glauben, dass das Ende des US-Dollars zu einer „Dezentralisierung“ der globalen Wirtschaft führen wird und sogar zu einer „multipolaren Welt“. Aber die Situation ist weit komplexer als sie auf den ersten Blick erscheint. Eine Situation, deren Beschreibung einen Extra-Artikel benötigt…
Quellen:
Lies And Distractions Surrounding The Diminishing Petrodollar
Debunking the Dumping-the-Dollar Conspiracy
The surprising decline in US petroleum consumption
Global Oil Demand Growth Will Slow Significantly In 2017
UPDATE 2-China crude oil imports shatter record, top U.S. intake
Tillerson Calls on Europe to Back Latest Sanctions on Iran
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Ein Artikel bildet zwangsweise die Meinung eines Einzelnen ab. In Zeiten der Propaganda und Gegenpropaganda ist es daher umso wichtiger sich mit allen Informationen kritisch auseinander zu setzen. Dies gilt auch für die hier aufbereiteten Artikel, die nach besten Wissen und Gewissen verfasst sind. Um die Nachvollziehbarkeit der Informationen zu gewährleisten, werden alle Quellen, die in den Artikeln verwendet werden, am Ende aufgeführt. Es ist jeder eingeladen diese zu besuchen und sich ein eigenes Bild mit anderen Schlussfolgerungen zu machen.
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