„Smarte Geräte“: Der feuchte Traum aller Überwachungsfanatiker oder Wie schnell wird ein Individuum in einer Millionenstadt wie Peking entdecktLesezeit: 6 Minuten
George Orwell und sein Klassiker 1984 müssen immer wieder herhalten, wenn es um die Themen staatliche Überwachung und Kontrolle, durchgeführt durch eine technokratische Elite, geht. Dabei ist die Dystopie Orwells in technologischer und politischer Hinsicht nicht nur bereits bittere Realität, sondern wir bewegen uns auf eine Gesellschaftsform zu, die man nur als totalitär bezeichnen kann. In 1984 beschreibt Orwell eine Zukunft, in der die Überwachung und Kontrolle der Bevölkerung so umfassend ist, dass es keinerlei Individualität mehr gibt, da alles und jeder, zu jeder Zeit, an jedem Ort unter den Augen der Regierung stattfindet:
Es gab natürlich keine Möglichkeit zu wissen, ob man in einem bestimmten Moment beobachtet wurde. Wie oft oder auf welchem System die Gedankenpolizei an irgendeinen einzelnen Draht angeschlossen war, war eine Vermutung. Es war sogar vorstellbar, dass sie alle die ganze Zeit beobachteten. Aber auf jeden Fall könnten sie ihre Leitung einstecken, wann immer sie wollten. Sie mussten leben – lebten aus Gewohnheit, die Instinkt wurde – in der Annahme, dass jedes Geräusch, das man machte, mitgehört wurde, und außer in der Dunkelheit jede Bewegung genau unter die Lupe nahm.
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(There was of course no way of knowing whether you were being watched at any given moment. How often, or on what system, the Thought Police plugged in on any individual wire was guesswork. It was even conceivable that they watched everybody all the time. But at any rate they could plug in your wire whenever the wanted to. You had to live – did live, from habit that became instinct – in the assumption that every sound you made was overheard, and, except in darkness, every movement scrutinized.)
Dabei sind wir es als Konsumenten selbst, die voller „Enthusiasmus und Begeisterung“ die eigene Überwachung in unser Leben, in unsere Häuser bringen. Smarte Geräte werden im Wohnzimmer aufgestellt, die jedwede Konversation im privaten Raum aufzeichnen. Smart TVs besitzen die Fähigkeit Videoaufnahmen zu machen und nur die wenigsten werden den Datenstrom kontrollieren, den diese Geräte ins Netz senden. Unternehmen und Regierungen haben es geschafft, dass sich die Menschheit mit den „digitalen Helferlein“ selbst versklavt. Gerade der Eingriff in die Privatsphäre mit den Alexas dieser Welt, mit ihrer „Zwei-Wege-Überwachung“ sind mehr als beängstigend. Aber anscheinend haben sich die Menschen in den letzten Jahren so sehr daran gewöhnt (oder besser gesagt, wurden sie darauf konditioniert), dass überall im öffentlichen Raum irgendwelche Überwachungskameras hängen, die jeden Schritt von 10.000 von Menschen aufzeichnen, dass sie diese auch in den eigenen, privaten Räumen akzeptieren.
Inzwischen sind diese Kameras aber keine reinen Aufnahmegeräte mehr, sondern mittels künstlicher Intelligenz zu wahren – ganz im eigentlichen Sinne des Wortes – Überwachungskameras geworden, die dank Gesichtserkennung Bewegungsprofile erstellen können. Ganz so wie in Orwells 1984.
Ein kürzlich beim britischen Staatssender BBC ausgestrahlter Bericht über die Gesichtserkennung der Überwachungskameras in Peking zeigt, wie effizient diese Netzwerke inzwischen sind, wenn es um die Identifizierung, das Nachverfolgen von Zielpersonen innerhalb weniger Minuten und das damit mögliche staatliche Eingreifen gegen eine solche Zielperson geht. Und das alles in einer Stadt mit atemberaubenden 21,5 Millionen Einwohnern.
Verknüpft man diese Tatsache noch damit, dass China ein System namens Sesame Credit aufbaut, in dem das Verhalten der Bürger in sozialen Netzen bewertet wird und mit anderen Daten verbunden wird, um einen „Bewertungswert“ zu erhalten, der ein Kastensystem entstehen lässt, mit dem die Gefügigkeit des einzelnen Individuums gegenüber dem Staat und seinen Vorgaben eingeordnet und entsprechend bestraft werden kann:
Stellen Sie sich eine Welt vor, in der viele Ihrer täglichen Aktivitäten ständig überwacht und bewertet werden: was Sie in den Geschäften und online kaufen; wo Sie sich gerade befinden; wer Ihre Freunde sind und wie Sie mit ihnen interagieren; wie viele Stunden Sie damit verbringen, Inhalte anzusehen oder Videospiele zu spielen; und welche Rechnungen und Steuern Sie zahlen (oder auch nicht).
Es ist nicht allzu schwer sich das vorzustellen, da das meiste schon passiert, dank all den Daten sammelnden Giganten wie Google, Facebook und Instagram oder Health-Tracking Apps wie Fitbit.
Stellen Sie sich nun ein System vor, in dem alle diese Verhaltensweisen entweder als positiv oder negativ bewertet und nach den von der Regierung festgelegten Regeln zu einer einzigen Zahl zusammengefasst werden. Das würde Ihren Bürger-Score ausmachen und würde jedem sagen, ob Sie vertrauenswürdig waren oder nicht. Außerdem wird Ihr Rating öffentlich gegen das der gesamten Bevölkerung eingestuft und dazu verwendet, Ihre Berechtigung für eine Hypothek oder einen Job zu bestimmen, wo Ihre Kinder zur Schule gehen können – oder auch nur Ihre Chancen, ein Date zu bekommen.
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(Imagine a world where many of your daily activities were constantly monitored and evaluated: what you buy at the shops and online; where you are at any given time; who your friends are and how you interact with them; how many hours you spend watching content or playing video games; and what bills and taxes you pay (or not).It’s not hard to picture, because most of that already happens, thanks to all those data-collecting behemoths like Google, Facebook and Instagram or health-tracking apps such as Fitbit.
But now imagine a system where all these behaviours are rated as either positive or negative and distilled into a single number, according to rules set by the government. That would create your Citizen Score and it would tell everyone whether or not you were trustworthy. Plus, your rating would be publicly ranked against that of the entire population and used to determine your eligibility for a mortgage or a job, where your children can go to school – or even just your chances of getting a date.)
Beänstigend? Wahrschenilich nur noch für eine Handvoll an Menschen, die noch nicht vollkommen dem „digitalen Wahn“ erlegen sind. Wer weitere Infos zum Thema Sesame Credit sucht, findet einige Artikel auf www.konjunktion.info dazu.
Aber ist das das Model, das auch für den Rest der Welt bestimmt ist?
Angesichts des meiner Meinung nach falschen Ost-West-Paradigmas, das vielen nach wie vor nicht bewusst zu sein scheint, kann es hier nur eine eindeutige Antwort geben: Ja. Sowohl die Überwachungskameras mit Gesichtserkennung werden weltweit „ausgerollt“ werden, wie auch das Bewertungssystem, das alle möglichen Datensätze miteinander verknüpft, um einen „Verhaltenswert“ zu ermitteln, der darüber bestimmen wird, ob Sie ein „guter oder schlechter Einwohner“ sind, wird auch bei uns Realität werden. Und zwar schneller als viele glauben werden…
Anbei noch der kurze BBC-Bericht über die Fähigkeiten der Gesichtserkennung/Überwachungskameras in Peking:
Quellen:
Orwell’s Dystopian CCTV Surveillance State Comes to Life in China – Who’s Next?
George Orwell – 1984
LESSONS FROM GEORGE ORWELL’S ‘1984’
Big data meets Big Brother as China moves to rate its citizens
How long can a BBC reporter stay hidden from CCTV cameras in China?
Ein Artikel bildet zwangsweise die Meinung eines Einzelnen ab. In Zeiten der Propaganda und Gegenpropaganda ist es daher umso wichtiger sich mit allen Informationen kritisch auseinander zu setzen. Dies gilt auch für die hier aufbereiteten Artikel, die nach besten Wissen und Gewissen verfasst sind. Um die Nachvollziehbarkeit der Informationen zu gewährleisten, werden alle Quellen, die in den Artikeln verwendet werden, am Ende aufgeführt. Es ist jeder eingeladen diese zu besuchen und sich ein eigenes Bild mit anderen Schlussfolgerungen zu machen.
19 Antworten
[…] Wer rausfindet wie mein Klarname ist, bekommt von mir 100 Franken überwiesen. 😉 Pps. https://www.konjunktion.info/2017/12/smarte-geraete-der-feuchte-traum-aller-ueberwachungsfanatiker-o… & […]