Kryptowährung „Petro“: Das Versuchsfeld Venezuela?

Als 2014 der Ölpreis einbrach, begann der „Leidensweg“ Venezuelas. Seitdem haben die internationalen Geldgeber die Kreditvergabe eingestellt, hat die Regierung in Caracas die eigene Währung massiv entwertet, um die Haushaltsdefizite „bezahlen“ zu können, hat die Inflation im südamerikanischen Land fast Weimarsche Verhältnisse angenommen und hat Caracas einige auf US-Dollar lautende und fällige Staatsanleihen nicht zurück bezahlt.

Das Ergebnis: Venezuela im freien Fall.

Chaos, Aufruhr, Unruhen und Verzweiflung. So sehr, dass die Einwohner sogar die Zootiere aufessen, um überleben zu können.

Ein weiteres Ergebnis des Zusammenbruchs des Landes ist, dass sich die Menschen von der eigenen Währung, dem Bolivar abwenden. Sie wenden sich aber auch ab vom überteuerten US-Dollar, der bislang als präferierte Tauschwährung in Venezuela galt.

Und ab diesem Punkt wird es nun interessant. Denn die Venezolaner sahen nicht Gold, Silber oder andere Edelmetalle als Rettungshort an, sondern Bitcoin. Die Menschen in Venezuela, die für Essen, Kleidung oder Medizin astronomische Preise zu zahlen haben, wanden sich bewusst und gezielt einem anderen „Strohhalm“ zu. Und dies aus einem bestimmten Grund. Während alle anderen Preise in Folge der obigen Gründe explodierten, blieb eines weiterhin im Preis stabil: Elektrizität. Strom kostet so gut wie nichts in Venezuela, da er von der sozialistischen Regierung subventioniert wird. Und was ist logischer als bei Stromkosten Nahe Null mit dem Bitcoin-Mining zu beginnen.

Daher sind Tausende Venezolaner zu Kryptominern geworden – just zu jenem Zeitpunkt als die Preise der digitalen Währung nach oben schoß. Bis zu 500 US-Dollar im Monat konnten damit generiert werden – ein halbes Vermögen zu Beginn des Jahres 2017 und auch heute noch für die meisten Venezolaner.

Nicht gerade überraschend, reagierte die Regierung in Caracas auf diese Entwicklung. Sie reagierte, so wie es alle tyrannischen Regierungen tun, wenn eine Gefahr für die eigene Machtstellung erwächst: die venezolanische Regierung ging in Form von Verhaftungen und Gerichtsprozessen gegen die Kryptominer vor. Und vor Kurzem wurde ein nationales Register für alle Kryptominer eingeführt, das – wie man sich leicht vorstellen kann – von denjenigen nicht gerade ernst genommen wird, die eine zentralbanklose, dezentrale Online-Währung aufbauen wollen.

Aber damit hat die Regierung in Caracas noch nicht alle Köcher verschossen. Ganz im Sinne des klassischen „Kannst Du sie nicht vernichten, dann mache gemeinsame Sache mit ihnen.“, hat die venezolanische Regierung nun eine eigene Kryptowährung „auf den Markt gebracht“. Den „Petro“. Und es soll sogar nächste Woche eine zweite Kryptowährung durch Caracas ausgegeben werden.

Sie haben richtig gelesen: Kryptowährungen, die „elektronische Bezahlinnovation“, die nach offizieller Lesart in die Welt „gebracht“ wurde, um dem Fiat Geld-System eine Alternative entgegen zu stellen, die losgelöst von den Zentralbanken der Welt genutzt werden kann, werden jetzt von einer Zentralbank eingesetzt, um noch mehr Fiat Geld zu generieren und somit eine Regierung zu stützen.

Caracas hofft, 5 Millarden US-Dollar durch den Erstverkauf von „Petros“ einzunehmen. Und mit einer Einnahme von 735 Millionen US-Dollar (wenn man dem Präsidenten Maduro Glauben schenken will), soll der Anfang sogar ganz gut gelaufen sein.

Aber was ist der „Petro“ nun genau? Vielleicht bringt ein kurzer Blick ins Whitepaper des „Petros“ etwas Licht ins Dunkel?

Der Petro (PTR) wird eine souveräne Krypto-Anlage sein, die von Ölreserven unterlegt wird und von der Bolivarischen Republik Venezuela auf einer Blockchain-Plattform ausgegeben wird. Mit seiner Einführung wird die Förderung einer unabhängigen, transparenten und für die direkte Bürgerbeteiligung offenen digitalen Wirtschaft vorangetrieben, die als Plattform für die Entwicklung von Kryptoaktiva und Innovationen in Venezuela und anderen aufstrebenden Ländern mit großem Potenzial dienen wird.

(Petro (PTR) will be a sovereign crypto asset backed by oil assets and issued by the Bolivarian Republic of Venezuela on a blockchain platform. Its launch will spearhead the promotion of an independent, transparent digital economy, open to direct citizen participation, which will serve as a platform for the development of crypto assets and innovation in Venezuela and other emerging countries with great potential.)

Eine „Krypto-Anlage (crypto asset)“ also… die mit einem weltweit benötigten Rohstoff unterlegt ist. Klingt erstmal ganz gut, oder?

Aber wie immer in solchen Fällen, sollte man sich auch mit dem „Kleingedruckten“ beschäftigen. Dort lesen wir zum Punkt „unterlegt durch Ölvermögen (backed by oil assets)“, dass

[der „Petro“] verwendet werden kann, um Waren und Dienstleistungen zu kaufen, und [dass er] in Fiat Geld und andere Krypto-Vermögenswerte oder Kryptowährungen durch digitale Börsen einlösbar sein wird.

([the „Petro“] may be used to purchase goods or services and will be redeemable for fiat money and other crypto assets or cryptocurrencies through digital exchange houses.)

Aha. Die „Krypto-Anlage (crypto asset)“ wird also vom „Ölvermögen des Landes gestützt“ und kann in Fiat Geld oder andere Kryptos eingetauscht werden. Nichts mit Bezahlung in physischem Öl.

Zudem sichert sich die venezolanische Regierung mit dem „Petro“ auch die Möglichkeit, das ganze Wirtschaftssystem des Landes zu überwachen. Denn im Kleingedruckten steht auch:

Die Bolivarische Republik Venezuela garantiert, dass sie „Petros“ als eine Form der Zahlung von nationalen Steuern, Gebühren, Beiträgen und öffentlichen Dienstleistungen akzeptiert, wobei als Referenz der Preis des Barrels des venezolanischen [Öl-] Korbs des Vortages mit einem prozentualen Rabatt herangezogen wird.

(The Bolivarian Republic of Venezuela guarantees that it will accept „Petro’s“ as a form of payment of national taxes, fees, contributions and public services, taking as a reference the price of the barrel of the Venezuelan [oil] basket of the previous day with a percentage discount.)

Um in den „Genuss der Bezahlmöglichkeit in ‚Petros'“ kommen zu können, wird eine von der Regierung entwickelte und bereitgestellte Wallet benötigt, die – natürlich – jedwede persönliche Transaktion aufzeichnet.

Aber hier ist immer noch nicht Schluß:

Nicolas Maduro - Bildquelle: Wikipedia / The Photographer; Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 internationalNicolas Maduro - Bildquelle: Wikipedia / The Photographer; Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international

Nicolas Maduro – Bildquelle: Wikipedia / The Photographer; Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international

Digitale Börsen spielen eine grundlegende Rolle bei der Überwachung zur Verhidnerung illegaler Aktivitäten und bei der Bekämpfung von Geldwäsche. Sie sind damit das ideale Werkzeug im internationalen Handel, bei denen der „Petro“ mit Fiat Geld oder anderen Kryptos interagiert.

Der „Petro“ ist letztlich nichts weiter als eine Kryptowährung, die durch nichts unterlegt ist – außer dem Versprechen der venezolanischen Regierung ihn für die Steuerbegleichung oder Dienstleistung zu akzeptieren. Und vor allem ist der „Petro“ das ideale Mittel alle Transaktionen im Land nachverfolgen zu können.

Natürlich wird es jetzt einige geben, die auf diesen Zug aufspringen und diese „Entwicklung in Venezuela“ ganz toll finden werden. Vielleicht sind sie ja dann auch wieder dabei, wenn Madura den „Petro Oro“ bekannt gibt. Der genauso (wenig) „mit Gold unterlegt sein wird“, wie es auch der „Petro“ (nicht) ist.

Nur die wenigsten werden erkennen, dass es sich beim „Petro“ oder „Petro Oro“ NICHT um eine Revolution bei der Staatsfinanzierung handelt oder dass es ein mutiger Schritt im Kampf gegen die Vorherrschaft des US-Dollars ist. Beide Kryptos in der vorgestellten Form entsprechen genau dem, was die Oligarchen schon immer woll(t)en: die vollständige Zersetzung der echten Kryptowährungsbewegung; hin zu einem von den Zentralbanken herausgegebenen staatlich überwachten Werkzeug des Polizeistaats.

Quellen:
What You Need to Know About Venezuela’s New Cryptocurrency
China is cutting off cash to Venezuela
Venezuela’s bolivar currency so devalued it no longer fits in wallets
Tracking Socialist Venezuela’s Death Spiral: 4,000 Percent Inflation
Venezuela ruled in default by trade group after bond payment delays
Venezuela launches Ethereum-based cryptocurrency called Petro
Mad(uro) Max? Venezuela’s Economic Collapse Is So Bad, People Are Slaughtering And Eating Zoo Animals
Big in Venezuela: Bitcoin Mining
Four Bitcoin Miners Arrested in Venezuela
Venezuelan Bitcoin Miners Must Register With the Government
Venezuelans Turn to Bitcoin as Government Crackdown on Mining Intensifies
Venezuela to Launch Second Cryptocurrency: ‚Petro Gold‘
Venezuela Releases Petro Whitepaper Ahead of ”$5 Billion ICO”
Venezuela’s oil-backed cryptocurrency raised $735 million in one day, president claims
White Paper Petro
After Releasing Oil-Backed Petro, Venezuelan President Hints At Gold-Backed ‘Petro Oro’

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