China: Teil des Großen Spiels und nicht Gegner des westlichen SystemsLesezeit: 7 Minuten
Xi Jinping ist Chinas aktueller Präsident. Er ist der starke Mann in China. In der westlichen Politik bekannt, in der westlichen Öffentlichkeit so gut wie unbekannt.
In der chinesischen Verfassung lesen wir zur Amtszeit des Präsidenten:
Die Amtszeit des Präsidenten und des Vizepräsidenten der Volksrepublik China ist dieselbe wie die des Nationalen Volkskongresses und sie dürfen nicht länger als zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten [diese Funktion] ausüben.
Diese Amtszeitbegrenzung wurde vor kurzem mittels eines Zusatzes durch den Kongress in Peking einkassiert, so dass jetzt Xi Jinping im Gegensatz zu seinen Vorgängern nach Ablauf seiner zweiten Amtszeit im Jahre 2023 weiterhin Präsident bleiben kann.
Xi Jinping könnte mit dieser Änderung Präsident auf Lebenszeit werden. Schon seit längerem wurde über das Ende der Amtszeitbegrenzung in China spekuliert. Dass sie nun so schnell gekommen ist, überrascht dann doch – vor allem da im Vorfeld die chinesische Öffentlichkeit nicht – wie sonst in solchen Fällen üblich – vorab informiert aka indoktriniert wurde.
Aber warum schreibe ich darüber? Was ist daran so wichtig, einen Artikel dazu zu machen?
In Chinas politischem Machtgefüge hat der Titel Präsident die geringste Bedeutung, denn die eigentliche Macht liegt in den Positionen des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Chinas und im Vorsitz der zentralen Militärkommission. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass diese beiden Positionen auch Xi Jinping bekleidet. Selbst wenn eine Verfassungsänderung nicht stattgefunden hätte, wäre Jinping immer noch der mächtigste Chinese nach 2023 gewesen – selbst wenn er den Titel des Präsidenten abgegeben hätte.
Die chinesische Präsidentschaft ist im Grunde genommen ein zeremonielles Amt, das seinem Träger nur sehr begrenzte Befugnisse gewährt. Laut der Verfassung dient der chinesische Präsident in der Theorie dem Nationalen Volkskongress, also der Legislativen, und er ist rechtlich nicht befugt exekutive Maßnahmen zu ergreifen. Im Einparteienstaat China ist der Generalsekretär der Kommunistischen Partei eine viel wichtigere und wirkmächtigere Position, mit einem ständigen Sitz im Politbüro und mit der Leitung des Parteisekretariats beauftragt. Auch der Vorsitz der zentralen Militärkommission besitzt als Kommandeur der größten Armee der Welt (bezogen auf die Mannstärke, nicht das Budget) eine enorme Machtfülle.
Nach der Verfassung war es bislang nicht rechtens, dass eine Person alle drei Positionen auf sich vereint. Jiang Zemin blieb Vorsitzender der zentralen Militärkommission, als er 2002 als Präsident zurücktrat, und erst zwei Jahre nachdem er diese Position ebenfalls abgab, wurde sein Nachfolger im Präsidentenamt, Hu Jintao, zum formellen Kommandeur des chinesischen Militärs ernannt. Wir sehen Xi Jinping umgeht die bisherigen formalen institutionalisierten Regeln und Verfahren und krönt sich in dieser chinesischen Ausgabe von Game of Thrones zum lebenslangen Alleinherrscher auf Lebenszeit.
Und immer noch bleibt die Frage des Warums? Wenn der „Präsidenten“-Titel nichts weiter als repräsentative Funktion besitzt und nicht als Indikator der politischen Macht dient, warum hat Jinping diesen Verfassungszusatz, der im Übrigen auf große Ablehnung in der eigenen Bevölkerung stößt, im Kongress durchgesetzt?
Die Antwort darauf finden wir nicht im innenpolitischen System Chinas oder in der internen Machtstruktur der Kommunistischen Partei. Wir finden sie in der sich verändernden Rolle Chinas als ökonomische und geopolitische Macht. Noch vor einem Jahrzehnt war es relativ unwichtig, wer China auf irgendwelchen internationalen Konferenzen vertrat. Heute aber ist China ein „global(istisch)er Player am Tisch der Großen“ und der präsidiale Titel wird daher für Xi immer wichtiger – auch im Hinblick auf seine global(istisch)en Ambitionen. Als chinesischer Präsident hält Xi Jinping inzwischen Eröffnungsreden auf Globalistenveranstaltungen wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos oder beraumt Konferenzen an, zu denen er andere Staatslenker einlenkt, um sein Billionenprojekt der Neuen Seidenstraße zu diskutieren.
Im 21. Jahrhundert ist plötzlich der Präsident Chinas zu einer wichtigen Figur geworden. Und genau aus diesem Grund will Jinping diesen Titel so lange wie möglich behalten.
Aktuell haben wir also einen Präsidenten auf Lebenszeit (zumindest solange bis er von der Kommunistischen Partei entsorgt wird). Wir haben einen Vizepräsidenten auf Lebenszeit in der Person von Wang Qishan, einem Freund aus Kindertagen Jinpings. Wir haben Yang Xiadou, den engsten Vertrauen Jinpings, der zum Leiter der neuen „Antikorruptionsbehörde“ ernannt wurde. Und wir haben jetzt Xi Jinpings „Gedanken über den Sozialismus mit chinesischen Eigenschaften für eine neue Ära“, die auf dem 19. Parteitag verkündet wurden und nun in Teilen Bestandteil der chinesischen Verfassung geworden sind:
Dieser wichtige Gedanke stellt die neueste Errungenschaft bei der Anpassung des Marxismus an den chinesischen Kontext dar und ist ein wichtiger Bestandteil des Systems der Theorien des Sozialismus mit chinesischen Merkmalen.
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(This important thought represents the latest achievement in adapting Marxism to the Chinese context, and is an important component of the system of theories of socialism with Chinese characteristics.)
Nochmals zur Verdeutlichung: Xi Jinping hält soviel politische und auch militärische Macht in seinen Händen wie zuletzt Mao. Daher stellt sich einem zwansgläufig die Frage: was hat er mit dieser Machtfülle vor?
Bislang hat Jinping das Vorgehen gegen Kritiker, die sich online gegen die herrschende Machtstrukturen geäußert haben, verschärft (Randnotiz: so hat er beispielsweise kürzlich den Buchstaben „N“ aus dem chinesischen Internet „verbannt“. Kein Witz. Der Buchstabe „N“ wurde von Kritikern als Symbol verwendet, um gegen Jinpings „Machterhalt auf Lebenszeit“ zu protestieren.).
Zudem hat er in den letzten Jahren einen maßlosen, immer weiter um sich greifenden, Orwellschen Polizeistaat aufgebaut (die globalistische Blaupause für den Rest der Welt). Angefangen von der vollumfänglichen Überwachung in der Millionenstadt Xinjiang (auch eine globalistische Blaupause für die Smart Cities) bis hin zur weltweit größten Gesichtserkennungsdatenbank (inkl. Polizisten mit Gesichtserkennungsbrillen).
Xi Jinping ist auch dafür verantwortlich, dass der Yuan Bestandteil des Korbs der Sonderziehungsrechte des IWF (SZR) geworden ist. Er ist ein Befürworter der SZR als neue Weltreservewährung und steht hinter der Kampagne der chinesischen Notenbanken People’s Bank of China die SZR weiter zu pushen.
Er steht hinter den Umsetzungsmaßnahmen „internationale Standards“ (Spionagetätigkeiten gegen Verbündete, dem Bau von Militärstützpunkten in fremden Ländern oder der Anwendung militärischer Drohungen im geopolitischen Kontext) in Chinas Politik zu implementieren. Ergo, er setzt die westlichen Muster und Strukturen auch in und für China um.
Und China ist unter Jinping zum wichtigste Impulsgeber im Nachschuldnerkaroussel mit Hilfe der diversen kreditfinanzierten Entwicklungsprojekten geworden.
Alles in allem betrachtet ist weder China noch Russland der Gegenpol zum westlichen, US-gesteuerten System. Beide Staaten sind Teil des großen Spiels. Teil der Neuen Weltordnung. Und nicht deren Gegner. Sie sind nicht die von vielen erhofften Alternativen. Sie sind Teil von These – Antithese – Synthese. Auch wenn immer noch nur die wenigsten dies verstehen und begreifen wollen.
Quellen:
Meet Xi Jinping, President For Life
China ready to fight a bloody battle against enemies: Xi Jinping
Constitution of the People’s Republic of China
China Focus: China’s national legislature adopts landmark constitutional amendment
Commentary: Shared future or America First
Xi Jinping aide, Yang Xiaodu, to head China’s anti-corruption ‘super agency’
Xi Jinping’s power grows as he gets his very own ideology, marking ’new era‘ in Chinese history
China banned the letter N from the internet after people used it to attack Xi Jinping’s plan to rule forever
China’s Xinjiang surveillance is the dystopian future nobody wants
China to build giant facial recognition database to identify any citizen within seconds
In China, these facial-recognition glasses are helping police to catch criminals
Zhou Xiaochuan: Reform the international monetary system
A Addis-Abeba, le siège de l’Union africaine espionné par Pékin
A New China Military Base in Pakistan?
Chinese warships enter East Indian Ocean amid Maldives tensions
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