Meinung: Eine Gesellschaft im NiedergangLesezeit: 9 Minuten
Wenn Forscher und Analysten auf die Faktoren einer zusammenbrechenden Gesellschaft blicken, konzentrieren sie sich zumeist auf die großen Ereignisse und hervorstechenden Indikatoren. Dabei beruhen aber diese Großereignisse auf zahlreichen, kleinen Elementen. Es mag auch der eine oder andere etwas größere „Brocken“ dabei sein, aber in der Regel ist der Auslöser eines Zusammenbruchs kein singuläres Ereignis. Vielmehr ist es ein meist schleichend stattfindender Prozess. Er kommt auf schleichenden Füssen daher – nicht über Nacht. Er speist sich aus einer Vielzahl an Momenten und schlechten Entscheidungen. Ausgelöst von Menschen, die sich in einer Machtposition befinden. Unterstützt von nützlichen Helfershelfern, die man in der Masse zuhauf finden kann. Der Niedergang einer Zivilisation oder eines Staates erfordert die Komplizenschaft einer größeren Zahl an Saboteuren.
Daher scheint es sinnvoller zu sein, sich statt mit dem üblichen „Von oben nach unten“-Ansatz zu beschäftigen, bei der Basis, der Gesellschaft, dem Gemeinwesen zu beginnen, um zu verstehen, warum die Destabilisierung in allen Formen so erfolgreich zu sein scheint.
Der Tod des moralischen Kompasses
Es gibt schon immer den Kampf zwischen dem persönlichen Erfolg und dem eigenen Gewissen. Er liegt in der Natur des Menschen begründet. Aber in einer stabilen
Gesellschaft balancieren sich diese beiden Pole im Normalfall gegenseitig aus. Nicht jedoch, wenn sich eine Gesellschaft im sozialen Niedergang befindet, in der der persönliche Erfolg jedwede moralischen Prinzipien nicht nur auf die Seite schiebt, sondern sie gänzlich vernichten kann.
Die Menschen missverstehen zumeist den Begriff „Moral“ als religiöse Schöpfung. Aber mit Moral verknüpfe ich nicht diesen religiösen Aspekt. Das Konzept von „Gut“ und „Böse“ ist archetypisch. Es ist sozusagen den meisten Menschen vom Augenblick ihrer Geburt an eigen. Und das in psychologischer Hinsicht gemeint. Es handelt sich dabei nicht, um eine Frage des Glaubens, sondern um eine Frage der Fakten und Tatsachen, die in den letzten Jahrhunderten von Psychologen und Anthropologen beobachtet und erforscht wurden. Wie wir zu diesen Konzepten von „Gut“ und „Böse“ stehen, wie wir damit umgehen, wird zum Teil von unserer Umwelt und unserer Erziehung beeinflusst. Aber unser moralischer Kompass ist größtenteils tief in unserer Psyche verwurzelt. Es liegt daher an uns, dem einen oder anderen Aspekt des Konzepts zu folgen.
Man kann sehr viel über seine Mitmenschen und seine Umwelt lernen und erfahren, wenn man Menschen beobachtet, die in diesen eingangs geschilderten Zwiespalt zwischen persönlichen Erfolg und dem eigenen Gewissen geraten. So agieren im Grunde genommen gute Menschen vollkommen unehrlich, wenn es um Geschäftsvereinbarungen geht. So agieren kommunale Politiker vollkommen gewissenlos, wenn es um den eigenen Geldbeutel und Vorteil geht. So agieren Gemeinschaften undurchsichtig, wenn es um die Finanzierung mittels Spenden geht.
Aber genau jene Menschen, die nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind, bilden die größte Gefahr für die Mitmenschen, wenn das System seine Abwärtsspirale fortsetzt.
Schon Carl G. Jung schrieb in seinem Buch Individuation – Der Weg zum Selbst, dass es immer eine bestimmte Anzahl an Soziopathen und Psychopathen in einer Gesellschaft gibt. Gewöhnlich 10% der Bevölkerung. In normalen Zeiten werden sie vom Rest der Bevölkerung zumeist in Schach gehalten. Aber wenn die Zeiten schlecht sind, scheinen diese 10% die Oberhand zu gewinnen. Und während eines sich zuspitzenden Zusammenbruchs müssen sich diese 10% nicht mehr zurücknehmen und zeigen ihr wahres Gesicht.
Das gefährlichste dabei ist, dass diese latenten Soziopathen in schwierigen Zeiten oftmals die Rolle des Anführers, der Macht zugesprochen bekommen. Wenn alle anderen Menschen von ihrer eigenen Notlage abgelenkt sind, können solche Anführer wie ein Krebs im System wüten, indem sie alles mit ihren narzisstischen Zielen infizieren und in ihrem Gefolge massivste Zerstörungen verursachen.
Das Desinteresse dem eigenen Gewissen gegenüber
Während eines gesellschaftlichen Niedergangs kann es zur „Mode“ werden, Prinzipien als etwas zu betrachten, das verspottet wird oder dass diese gar als Bedrohung für den Status Quo wahrgenommen werden. Das „Konzept des Im-Strom-mitschwimmens“ wird dann als wichtiger erachtet, als das eigene Gewissen, die eigene Meinung. Dieses Verhalten ist dabei nicht allein auf die „weniger ehrliche Schicht einer Gesellschaft“ beschränkt.
Wenn ein herrschendes System in sich zusammengebrochen ist, dann kann ein „Nebel der Apathie“ entstehen. Gute, ehrliche Menschen werden passiv, verkriechen sich in der Ecke und hoffen, dass alles nur schnellstmöglichst vorbei gehen wird. Das geflügelte Wort „Alles hinter sich zu lassen“ kommt vermehrt über die Lippen, aber wenn man Verbrecher, Betrüger und falsche Anführer ignoriert, macht man sie erst stark und machtvoll. Weil unser Nichtstun ihnen erlaubt ihre kriminellen Machenschaften fortzuführen. Und wir lassen es zu, dass zukünftige Generationen zu Opfern werden.
Wenn das Richtige tun dazu führt, dass man als „verrückt“, als „lächerlich“ bezeichnet wird, und dies von einem Großteil der medialen Aufmerksamkeit geteilt wird, dann weiß man, dass man sich inmitten des Niedergangs befindet.
Das Desinteresse unabhängig zu handeln und zu sein
Man sagt, dass es in unserer heutigen Welt zwei Arten von Menschen gibt: Anführer und Fußvolk. Eine allseits bekannte „Denkrichtung“, die es den Mächtigen ermöglicht an der Macht zu bleiben, in dem diese passive Akzeptanz medial, schulisch und gesellschaftlich gefördert wird.
Ich dagegen sage, dass es tatsächlich zwei verschiedene Menschen in unserem heutigen System gibt: Menschen, die andere Menschen kontrollieren wollen, und Menschen, die einfach in Ruhe gelassen werden wollen. In unserem Leben sind wir einmal Anführer, einmal Folgende. Wir müssen nur sicher gehen, dass wir in einer Führungsrolle beispielhaft vorangehen und nicht mittels Gewalt. Und wenn wir folgen, dass wir jemanden folgen, der es wert ist, dass man ihm folgt.
In beiden Fällen ist aber Passivität, wie sie uns heute überall beigebracht wird, keine Lösung, um unsere Rolle in der Gesellschaft verändern zu können. In den meisten Situationen wird vielmehr ein unabhängiges Vorgehen der Menschen benötigt, damit die Welt wieder lebenswerter wird. Und doch sind gerade die unabhängigen Anstrengungen der Menschen, das Erste, was in einer Krisensituation abhanden kommt. Millionen und Abermillionen warten auf jemanden, irgendjemanden, der ihnen sagt, was sie tun sollen und wie sie es tun sollen. Auf diese Weise verbleibt die Gesellschaft in einer in Untätigkeit verharrenden Position. Der giftige Kollektivismus obsiegt aufgrund der Aggression der Anführer und der Passivität der Massen.
Tatsächlich ist es so, wenn Individuen ins Handeln übergehen, dass sie dafür in Zeiten des gesellschaftlichen Zusammenbruch Probleme bekommen. Selbst wenn ihr Handeln das Potenzial hat, ein Problem zu lösen. Die Idee, dass eine Person oder eine kleine Gruppe etwas bewegen kann, gilt gemeinhin immer noch als „Fantasie“ oder „Illusion“. Aber Massenbewegungen von Bürgern, die sich einem bestimmten Ziel widmen, sind selten oder wie die Friedensbewegung bewusst von ihnen heraus zerstört worden. Und noch seltener kommt es vor, dass solche Gruppen nicht vom Establishment kontrolliert und gesteuert oder kooptiert werden. Es sind nicht die Massenbewegungen gewesen, die eine Welt wieder besser machten. Es waren Individuen und kleine Organisationen, die ohne Erlaubnis und Unterstützung von Oben agierten.
Es sind diese Individuen und kleinen Gruppen, die im Laufe der Zeit und unter großen Mühen, eine Mehrheit davon überzeugt, was zu tun ist und was vor allem richtig ist. Es sind diese Menschen, die andere inspirieren endlich die Führung in ihrem eigenen Dasein zu übernehmen.
Die individuelle Selbstisolation
Schreibt man über die immer mehr verlorengehenden persönlichen Rechte in einer Gesellschaft, berichtet man gleichzeitig über den Verlust des Faktors Individuum als wichtigstes Element in einer Gesellschaft. Nur eine Gesellschaft, die die einzelnen Rechte, den Individualismus und das Freiheitliche bewahrt, kann einen vollkommenen Zusammenbruch verhindern. Der Nachteil des offensichtlichen Individualismus ist jedoch die Gefahr der Selbstisolation. Das heißt, wenn das Individuum sich nur mit den eigenen, persönlichen Umständen befasst und den Rest um sich herum ignoriert, wird das Individuum an einen Punkt angelangen, an dem er sich gegen die Umwelt stellen und von dieser zerstört werden wird.
Organisationen auf freiwilliger Basis sind nicht nur für die eigene Persönlichkeit wichtig, sondern auch von immenser Bedeutung für eine Gesellschaft. Je mehr Menschen sich nur mit sich selbst beschäftigen und sich nur um sich selbst kümmern, umso leichter ist es für das Establishment unbemerkt seine Ziele zu verfolgen und zu verwirklichen. Selbstisolation in einem Kollaps ist zudem verantwortlich dafür, dass der Einzelne scheitern wird. Da niemand die Fähigkeiten besitzt zu Überleben, ohne dass er zumindest von einer anderen Person oder einem größeren Kreis an Mitmenschen mit anderem Wissen, Talenten und Know-How begleitet und unterstützt wird.
In einem System, das auf Korruption beruht, wird das Establishment die Selbstisolation als Mittel zur Kontrolle der Bevölkerung nutzen und daher gezielt fördern. Oder sie geben uns die falsche Wahlmöglichkeit zwischen Selbstisolation und gedankenlosem Kollektivismus. Die Wahrheit ist, dass es immer einen Mittelweg gegeben hat. Freiwilligenorganisationen und Individualismus schließen sich nicht aus. Es gibt einen Unterschied zwischen einer Gemeinschaft und Kollektivismus. Eine Gemeinschaft ersetzt das Individuum nicht, während ein Kollektiv die völlige Auslöschung individueller Ziele und Gedanken erforderlich macht.
Immer dann, wenn man umgeben von Menschen ist, die jedwede Organisation, egal ob nützlicher oder freiwilliger Natur, angesichts von einer aufkommenden Instabilität ablehnen, dann befindet sich die Gesellschaft wahrscheinlich in den letzten Stadien des Zusammenbruchs.
Das Leugnen einer Katastrophe
Wenn sich eine Krise oder ein Kollaps abzeichnet und eine Gesellschaft darauf reagiert und die Probleme erkennt, dann gibt es noch Hoffnung für diese Gesellschaft. Wenn aber diese Gesellschaft die Gefahren ignoriert und die Existenz dieser Gefahren gar negiert, obwohl zahlreiche Beweise diese belegen, dann wird sich diese Gesellschaft auflösen und sie wird wieder von Null anfangen müssen. Hoffentlich dann basierend auf einer Reihe von Prinzipien und Idealen.
Die Stärke einer Gesellschaft kann anhand seiner Fähigkeit der Selbstreflektion beurteilt werden. Das eigene Überleben kann von der eigenen Bereitschaft bestimmt werden, die eigenen Fehler zu akzeptieren und die eigenen Fehler wieder gut machen zu wollen. In sich ruhende Gesellschaften sind nur sehr schwer zu korrumpieren oder zu kontrollieren. Nur wenn sich die Menschen selbst verleugnen, sind sie leicht manipulier- und steuerbar.
Conclusio
Wenn man die Realität des Abgrunds nicht akzeptiert, kann man auch den Fall nicht vermeiden oder sich auf diesen vorbereiten. Vielleicht ist diese Tatsache das wichtigste Einzelelement im Kampf die eigene Gesellschaft zu bewahren. Nur informierte Menschen können die Wand der Lügen und Selbsttäuschung auflösen. Und nur informierte Menschen können im Kollaps die Realisierung der Ziele des Establishments verhindern. Es bleibt zu hoffen, dass die Zahl jener Menschen größer ist als wir heute alle zu hoffen wagen.
Ein Artikel bildet zwangsweise die Meinung eines Einzelnen ab. In Zeiten der Propaganda und Gegenpropaganda ist es daher umso wichtiger sich mit allen Informationen kritisch auseinander zu setzen. Dies gilt auch für die hier aufbereiteten Artikel, die nach besten Wissen und Gewissen verfasst sind. Um die Nachvollziehbarkeit der Informationen zu gewährleisten, werden alle Quellen, die in den Artikeln verwendet werden, am Ende aufgeführt. Es ist jeder eingeladen diese zu besuchen und sich ein eigenes Bild mit anderen Schlussfolgerungen zu machen.
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