Die Erfassung der biometrischen Daten der Bevölkerungen und deren „Nutzung zur Identifikation“ aka Überwachung ist eine Entwicklung, die mit immer schneller werdender Geschwindigkeit vonstatten geht und immer mehr von den Menschen akzeptiert wird. Ob dieser Akzeptanz mittels „iPhoneisierung“ Vorschub geleistet wurde oder ob die Menschen einfach die Konsequenzen aus dieser Entwicklung nicht erkennen können/wollen, mag ich an dieser Stelle nicht beurteilen. Aber bislang wurde uns der Einsatz dieser Technologien – gerade im Bereich der Flugreisen – immer als mehrwertig verkauft, weil damit schnellere Ein-/Ausreiseprozesse möglich seien und weil auch das Boarding der Maschinen damit zügiger erfolgen könne. Bislang also eher ein „Nebenprodukt für Vielflieger mit wenig Zeit“.
Aber dass seit Jahren an dieser Technologie gerade seitens des Staates gearbeitet wird, um die Bevölkerungen besser erfassen, überwachen zu können und damit letztlich ein „Entkommen aus dem System“ zu verunmöglichen, zeigen die Bemühungen in den USA. Dort bemüht sich die Behörde US Customs and Border Protection seit nunmehr 15 Jahren, dass Regierungsdatenbanken zur Identifikationsverifizierung aufgebaut werden – mit Erfolg. Private Unternehmen sind dabei Teil dieses Bemühens eine allumfassende „Bürgerdatenbank“ aufzubauen. Einmal mehr mit dem Flugverkehr begründet, da diese Datenbanken doch dabei helfen können, „die Ein-/Ausreise zu beschleunigen“. Mittels dieser privaten Unternehmen soll sichergestellt werden, dass diese Datenbank „schnell und einfach über alle US-Flughäfen ausgerollt wird (quick and easy roll out across U.S. airports)“, so Jim Peters, Chefentwickler der Firma SITA.
Laut des Orlando Sentinels wird British Airways die erste Luftlinie in den USA sein, die diese neue Datenbank/dieses neue Identifizierungsverfahren am Orlando International Airport einsetzen wird. Es wird aber erwartet, dass die weiteren 25 internationalen Airlines am dortigen Flughafen alsbald diesen „biometrischen Prozess“ adaptieren werden:
Die Passagiere hatten keine Bordkarte, keinen Pass oder irgendeine andere Identifikation gezeigt.
Stattdessen überprüfte ein US-Zoll- und Grenzschutzcomputer das Passfoto eines jeden Reisenden in der Datei – oder ein Visumfoto von denen, die nicht aus den USA stammten – mit seinem neu aufgenommenen Porträt.
[…]John Newsome, der Chief Information Officer des Flughafens, sagte, dass alle 25 Fluggesellschaften des Flughafens mit Auslandsflügen und die beiden Grenzkontrollstellen für diesen Sommer für biometrische Überprüfungen ausgerüstet sein werden. Die Entscheidung bedeutet, 4 Millionen US-Dollar für Gates und High-Definition-Kameras für internationale Flüge auszugeben.
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(The passengers had shown no boarding pass, passport or any other identification.Instead, a U.S. Customs and Border Protection computer was comparing each traveler’s passport photo on file – or a visa photo of those not from the U.S. – with their newly captured portrait.
[…]John Newsome, the airport’s chief information officer, said all of the airport’s 25 carriers with foreign flights and the two border checkpoints will be equipped for biometric screening through this summer.
The decision means spending $4 million on gates and high-definition cameras for departing and arriving international flights.)
Die Technologie sei so „so schnell wie die Google-Suche für die meisten Passagiere (quick as a Google search for most passengers)“. Und analog zu Google dürfen wir davon ausgehen, dass der Missbrauch der biometrischen Daten dann schon im Grundprozess vorgesehen ist.
Bilder von US-Amerikanern werden im aktuellen System für 14 Tage gespeichert. Ein Zeitraum, der sich aber noch verkürzen könnte:
Irgendwann in der Zukunft wird dieser Zeitrahmen schrumpfen, und Fotos von US-Bürgern werden wahrscheinlich überhaupt nicht gespeichert werden. – Dan Tanciar, CBP’s deputy director
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(At some point in the future, that time frame is going to shrink, and photos of U.S. citizens probably won’t be kept at all. – Dan Tanciar, CBP’s deputy director)
Sollte trotz der Entwicklungen in den letzten Jahren noch jemand mit dem Gedanken spielen als Europäer in die USA reisen zu wollen, demjenigen sei gesagt, dass die Speicherung seiner Bilder 75 Jahre (!) beträgt.
Aktuell gibt es noch die Möglichkeit, sich gegen dieses Verfahren zu entscheiden, wobei nicht spezifiziert wurde, ob diese Möglichkeit nur US-Amerikanern oder auch Ausländern zur Verfügung steht. Da aber die US-Behörde Homeland Security (DHS) klare Vorgaben im Bezug auf die biometrische Identifikation an Flughäfen macht und diese ein „Opt-Out“ nicht vorsehen, weiß man wo der Weg hingeht. In einem 18-seitigen Schreiben vom Juni 2017 des DHS lesen wir, dass man beabsichtige eine verbindliche Gesichtserkennung einzuführen. Mit dem lapidaren Nebensatz versehen:
Die einzige Möglichkeit für eine Person, sicherzustellen, dass sie nicht biometrisch erfasst wird, wenn sie international reist, heißt, nicht zu reisen.
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(The only way for an individual to ensure he or she is not subject to collection of biometric information when traveling internationally is to refrain from traveling.)
Wer nun glaubt, dass das alles ja nur in den USA passiert und dass dies nur an Flughäfen durchgeführt wird, sollte sich einmal näher mit der Umsetzung/Nutzung der biometrischen Identifikation bei Zugreisen, Großereignissen und Konferenzen/Messen beschäftigen.
Die angebliche Bequemlichkeit der neuen Technologie und das Versprechen von „Mehr Sicherheit“ lässt die Menschen zu einem digitalen Organismus werden, dessen Aktivitäten getrackt, überwacht, kontrolliert und in Datenbanken erfasst werden. Leider sind sich dessen nur sehr wenige Menschen bewusst. Für den Rest gilt offenbar: Schöne neue Welt…
Quellen:
Facial Recognition For ALL International Inbound and Outbound Passengers Begins at Orlando Airport — Data Retained for “75 Years”
CBP will implement long-mandated biometric exit at airports, official says
JetBlue Joins Delta In Push Toward Biometric ID; Partners With U.S. Customs And Border Protection
Orlando airport to be nation’s first to facial ID all international fliers
U.S. Customs and Border Protection – Orlando airport to be nation’s first to facial ID all international fliers
Facial Recognition ID Moves from Planes and Trains to Conferences and Events