Finanzsystem: Zentralbanken nutzen den Handelskrieg, um ihren direkten Einfluss auf die Aktienmärkte zu verschleiernLesezeit: 9 Minuten
Aktienindices sind kein Ergebnis von Nachrichten oder Zugriff auf dieselben mehr. Aktienmärkte werden nicht mehr durch Schlagzeilen bestimmt. Auch wenn diese Tatsache den meisten Investoren und Analysten zuwiderläuft, haben die letzten Monat dies eindeutig belegt.
Zwar hatte es in den vergangenen Jahren den Eindruck gemacht, als würden Schlagzeilen der großen Mainstreammedien wie Bloomberg oder Reuters ausreichen, um den Kurs der Aktien zu bestimmen, weil sich die Anleger und Investoren diese in den Artikeln transportierten Narrativen anschlossen. Aber die Dynamik hat sich verändert. Während immer noch das diesen „Gesetzmäßigkeiten der Schlagzeilen“ vorgegangen wird, haben in der Realität Schlagzeilen nie die Märkte beeinflusst. Es waren schon immer die Zentralbanken, wie die Federal Reserve oder die EZB, die dies taten.
Wie ich schon mehrfach ausgeführt habe, haben sich die Aktienmärkte parallel zu den Bilanzen der Notenbank entwickelt. Jedesmal, wenn beispielsweise die Fed mehr Aktien und Anleihen aufgekauft hat und somit ihre Bilanz erhöhte, sind auch die Aktienmärkte nach oben gegangen.
Nach Jahren der „Fed Puts“ haben wir heute eine ganze Generation an Investoren und Analysten, die noch nie einen Aktienmarkt erlebt haben, der sich aufgrund der Unternehmensdaten oder der allgemeinen Wirtschaftslage verändert. Das letzte Jahr dürfte daher für diese ein regelrechter Schock gewesen sein. Ein Schock, der an Intensität noch zunehmen wird.
Die großangelegten Interventionen der Fed bei den Aktien sind aus meiner Sicht endgültig beendet. Genau aus diesem Grund sehen wir auch keinen neuen Rekorde mehr an den Aktienmärkten. Der massive Bullenmarkt seit dem Kreditcrash von 2008 ist zum Halt gekommen und im Nachfolgenden will ich versuchen zu erklären, warum das so ist:
Das Zurückfahren der Quantitativen Lockerung (Quantitative Easing, QE) der Zentralbanken
Die Fed war die erste Zentralbank, die ihre Staatsanleiheaufkäufe zurückfuhr. Japan steckt gerade in mitten dessen, was viele als „getarnte Reduzierung“ der japanischen Anleiheankäufe durch die Bank of Japan betiteln. Die EZB hat kürzlich bekannt gegeben, dass man dort plant, das eigene QE-Programm bis Ende des Jahres auslaufen zu lassen. Diese Anleiheankäufe haben zu Beginn dabei geholfen, die immer größer werdenden Schuldenbelastungen der Regierungen und Staaten zu tragen. Aber mit künstlich niedrig gehaltenen Zinsen, sind solche Anleiheinvestitionen im Sinne des Profits nicht „gerade wünschenswert“. Daher floh die Mehrzahl der Anleger in den Aktienbereich, wo die Profite letztlich durch das Agieren der Zentralbanken garantiert waren.
Jetzt da die QE-Programme weltweit beendet werden und die Zinsen zusammen mit den Renditen steigen, werden Anleihen wieder zu einer interessanten Anlage.
Das Erhöhen der Zinsen durch die Zentralbanken
Die Fed hat seit Ende 2016 kontinuierlich die Zinsen erhöht. Genau das, was ich in zahlreichen Artikel in den letzten 18 Monaten vorausgesagt habe. Zinsen sind ein direkt wirkender Faktor auf die Aktienmärkte: niedrige Zinsen und billige Übernachtkredite für Unternehmen durch die Fed haben es diesen Firmen ermöglicht, dass diese fortlaufend Aktienrückkäufe tätigen konnten. Dies führte dazu, dass die Anzahl der Aktien auf dem Markt für die Anleger sanken, was eine künstliche Verknappung und damit Preiserhöhung der verbliebenen, noch verfügbaren Aktien mit sich brachte.
Seit dem Jahr 2007 haben sich die Unternehmen in einem noch nie gesehenen Ausmaß verschuldet, um ihre Aktienwerte oben zu halten. Jetzt da die Zinsen ansteigen, ist die Party so gut wie vorbei. Die einzige Kapitalquelle, die noch verblieben ist, um die Aktienrückkäufe zu befeuern, sind die Unternehmenssteuersenkungen Trumps. Anstatt diese Senkungen zum Stellenzubau, für Innovationen und neue Produktionsanlagen zu nutzen, haben die US-Firmen die Gelder wiederum zur Unterstützung der eigenen Aktienwerte eingesetzt. Jedoch zeigt der bisherige Jahresverlauf, dass sich ohne das billige Geld der Zentralbanken der Effekt der Aktienrückkäufe abschwächt.
Wie lange es dauern wird, bis die Unternehmen ihren letzten Pfeil verschossen haben? Ich glaube, dass bis Ende des Jahres die Aktienrückkäufe beendet sein werden. Und mit steigenden Zinsen, werden all die Kredite, die die Unternehmen zur Stützung der Aktienpreise aufgenommen haben, zu teuer werden, um sie weiter fortführen oder gar bedienen zu können. Sobald die Aktienrückkäufe gegen Null gehen, werden die Märkte zusammenbrechen.
Es ist dabei wichtig zu wissen, dass die Fed nicht die einzige Notenbank ist, die die Zinsen erhöht. Die Bank of Canada und die Bank of England haben neben weiteren damit begonnen die Zinsen zu erhöhen.
Die Reduzierung der Bilanz der Fed (und seine versteckten Effekte)
Die Fed war für die Märkte der wichtigste Taktgeber. Punkt um. Wie eingangs erwähnt, war es die Fed, die den historisch einmaligen Bullenmarkt erschaffen hat, nachdem die Derivate kollabiert waren. Jerome Powell, der aktuelle Fed-Vorsitzende, gab selbst 2012 zu, dass dies der Fall war, und er gab sogar Bemerkungen von sich, was passieren würde, wenn die Fed jemals die Zinsen erhöhen und die Anleiheankäufe zurückfahren würde.
Was sagte Powell also 2012 voraus? Im Grunde genommen einen Aktienmarktcrash. Und doch implementiert er aktuell genau jene Maßnahmen vor denen er noch 2012 gewarnt hatte.
Mit jeder neuen Reduzierung der Fed-Bilanz und jedem neuen Zinsschritt, verliert der Dow Jones 1.000 Punkt oder mehr. Die Schäden wurden durch fortgesetzte Aktienrückkäufe der Unternehmen sowie kleineren Asset-Käufen seitens der Fed abgemildert, aber wie bereits erwähnt, werden die Rückkaufe bald jäh enden.
Erwähnenswert ist ebenfalls, dass die St. Louis-Fed keine Bilanzreduzierungsdaten auf Wochenbasis (die sog. FRED-Daten) mehr veröffentlichen wird. Es gibt zwar noch andere Quellen für diese Daten, aber diese zeigen hauptsächlich an UM WIE VIEL je Monat reduziert wurde, nicht jedoch WANN im Monat diese durchgeführt wurden. Die St. Louis-Daten wurden ursprünglich auf Wochenbasis veröffentlicht, was bedeutete, dass man die Vermögensverkäufe der Fed besser mit den Bewegungen an den Aktienmärkten vergleichen konnte.
Schaut man sich den 2018-Chart der Perfomance des Dow Jones zusammen mit den FRED-Daten der St. Louis-Fed (aka der Bilanzreduzierung) an, kann man beispielsweise sehr gut erkennen, dass die Fed am 24. Januar einen dramatischen Abverkauf ihrer Assets durchführte und zwei Tage später der Dow Jones massiv verlor. Am 7. Februar erhöhte die Fed ihre Anleiheankäufe leicht und nur zwei Tage später begann sich der Aktienmarkt zu erholen. Am 21. Februar kam es zu einer erneuten massiven Bilanzreduktion durch die Fed und wiederum brachen kurz danach die Aktien ein. Am 2. März kaufte die Fed ein paar Anleihen auf und die Aktien erholten sich daraufhin wieder. Erwähnenswert ist zudem, dass eine gleichbleibende Bilanz (wie im Mai) dazu führt, dass die Indices steigen. Wie bei einem Uhrwerk fallen die Aktienpreise, wenn die Fed ihre Bilanz verkürzt.
Ich glaube nicht, dass die Fed mit dem Ende der FRED-Daten die Höhe ihrer Verkäufe kaschieren will. Vielmehr will sie das genaue Timing dieser Verkäufe verheimlichen. Damit hoffen sie, sich aus der Schusslinie nehmen zu können, in dem sie es schwieriger machen ihre Bilanzreduzierungen mit den Aktieneinbrüchen in Verbindung zu bringen.
Die Fed versucht übrigens zeitgleich die Art und Weise der Renditendarstellung zu ändern, die in der Vergangenheit ein guter Indikator für eine anstehende Rezession war. Warum tut sie das? Höchstwahrscheinlich weil die Fed ihre Behauptung stützen will, dass sich die US-Wirtschaft im Aufschwung befindet, während sie sich in Wahrheit im Fallen befindet. Die Fed braucht eine Begründung für ihre Zinserhöhungen und ihre Bilanzreduzierungen – beides Dinge von denen sie weiß, dass sie die nächste Finanzkrise auslösen werden. Die Notenbanker wollen nicht mehr, dass wir die FRED-Daten und die Renditendiagramme sehen, weil sie bewusst das sabotieren, was von der US-Wirtschaft noch übrig geblieben ist. Und sie setzen dabei alles daran, dass sie keine Verantwortung im Nachhinein dafür übernehmen zu müssen.
Die Ablenkung durch den Handelskrieg
Der Handelskrieg findet als effektivstes Ablenkungsmanöver von den Aktivitäten der Notenbanken seine Fortsetzung. Bei jedem einzelnen Schritt der Aktien nach unten, der immer nach einer Zinserhöhung oder einer Bilanzreduzierung stattfindet, scheint Donald Trump eine weitere Erklärung im Handelskrieg abzugeben. Während der letzten Anhörung Jerome Powells im Kongress wurde tunlichst jede Frage nach der Rolle der Fed bzgl. der wirtschaftlichen Lage in den USA vermieden. Stattdessen drehte sich die Mehrzahl der Fragen um die „Gefahren“, die die von Trump ausgerufenen Zölle verursachen, und um deren negative Effekte auf die Märkte.
Der einzige Ausreißer war die „offizielle Bekanntgabe“ des Handelskrieges mit China, als die Aktien plötzlich stiegen. Zahlreiche Analysten und Kommentatoren waren schlicht baff ob dieser Tatsache, da die Aktien aufgrund dieser Nachrichten nicht fielen. Einige kamen sogar zu dem Schluss, dass die Investmentwelt „den Handelskrieg lieben würde“.
Was diese Kommentatoren nicht verstanden haben, ist, dass diese Schlagzeilen bedeutungslos sind und dass der Handelskrieg wenig mit dem Verhalten der Märkte zu tun hat. Es ist einmal mehr die Fed, und bis zu einem gewissen Grad auch andere Zentralbanken, die die Aktienpreise kontrollieren. Zusammen mit den Aktienrückkäufen, die erst durch die Geldpolitik der Fed möglich gemacht wurden.
Conclusio
Ich habe es bereits zuvor gesagt und sage es auch jetzt wieder: was wir gerade erleben, ist die kontrollierte Zerstörung der US-Wirtschaft. Und die Aktienmärkte sind nur ein Teil des Gesamtprozesses. Sie sind nachgelagerte Indikatoren, keine Frühindikatoren. Aktien fallen, wenn die Fed mehr Anleihen auf den Markt wirft. Und diese Verkäufe werden größer je weiter das Jahr 2018 voranschreitet. Aktien steigen, wenn die Fed die Abverkäufe in einer bestimmten Woche verlangsamt oder wenn Unternehmen größere Aktienrückkäufe realisieren können. So einfach ist das alles. Es gibt da nichts besonderes, auf das man schauen muss, wenn man die Bewegungen der Aktienmärkte voraussagen will.
Diese Scharade wird dann zu Ende gehen, wenn die Bilanzreduzierungen in ihrer Höhe so groß sind, dass die Aktienrückkäufe dies nicht mehr ausgleichen können und die Differenz nicht mehr geschlossen werden kann. Oder wenn das Geld für die Aktienrückkäufe ausgeht (wahrscheinlich wird es am Ende des Jahres soweit sein). Der Handelskrieg kann und wird zahlreiche Probleme innerhalb des globalen Wirtschaftssystems mit sich bringen. Aber die größten Verursacher der aufziehenden Finanzkrise werden immer die Zentralbanken sein. Sie sind diejenigen, die es gilt zur Verantwortung zu ziehen. Dies gilt auch für alle zukünftigen Krisen.
Quellen:
Central Banks Are Using The Trade War To Hide Their Direct Influence On Stocks
Bank of Japan Cuts Bond Purchases Third Time in June
ECB says its massive bond-buying program will likely end in December
Systemkollaps: 2016 wird nicht gut enden – vor allem für Europa
Meeting of the Federal Open Market Committee on October 23–24, 2012
Dow Jones YTD Performance
Assets: Securities Held Outright: Securities Held Outright (DISCONTINUED) (WSHOL)
Minutes of the Federal Open Market Committee June 12–13, 2018
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