Als Smedley Butler starb, war er der höchst dekorierte Marine in der Geschichte des US-Militärs. In seiner Publikation War is a Racket (Krieg ist ein Schwindelgeschäft) aus dem Jahr 1935 griff er die allgemeine Stimmung jener Zeit auf, um – wie er es selbst beschrieb – „zu versuchen die Soldaten zu erziehen, [damit diese sich] aus der Trottelklasse [lösen können] (trying to educate the soldiers out of the sucker class)“. Butler wusste nur zu genau, dass Krieg ein Profitgeschäft für eine kleine, elitäre Gruppe an Menschen ist und wollte, dass die Soldaten – gerade im Hinblick auf die damalige Entwicklung in Europa – diese Tatsache wussten.
Bereits vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges und bevor die USA als Kriegsteilnehmer auftraten, profitierte die Wall Street vom (kommenden) Krieg. Thomas Lamont, Partner von JP Morgan, schrieb, dass seine Firma zu keinem Zeitpunkt vor und nach dem Krieg neutral war, obwohl die „US-amerikanische Bevölkerung dazu gedrängt wurde, neutral in ihrem Tun, in ihren Worten und selbst in ihren Gedanken zu bleiben (American citizens were urged to remain neutral in action, in word, and even in thought)“. Lamont führte weiterhin aus:
[…] unsere Firma war nie [auch nur] für einen Moment neutral gewesen; wir wussten nicht, wie wir es sein sollten. Wir haben von Anfang an alles getan, um zur Sache der Alliierten beizutragen.
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([…] our firm had never for one moment been neutral; we didn’t know how to be. From the very start we did everything we could to contribute to the cause of the Allies.)
JP Morgans Loyalität gegenüber den USA mag ein Grund für diese Haltung gewesen sein, aber diese Politik sollte auch Dividende und Erträge für die Bank und ihre Eigentümer erwirtschaften. Erträge von denen selbst die gierigsten Banker vor Beginn des Krieges kaum zu träumen gewagt haben dürften.
John Pierpont Morgan verstarb 1913 – noch vor der Verabschiedung des Federal Reserve Acts, hinter dem er mit all seiner Finanzmacht und als „Einfädler“ stand, und noch vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges. Doch das House Of Morgan, mit dem Bankhaus unter der Führung seines Sohnes John Piermont Morgan Junior, war auch nach seinem Tod die wichtigste und bedeutendste Finanzquelle nicht nur für die USA. Der junge Morgan nutzte geschickt und außergewöhnlich schnell in seiner Umsetzung, die familiären Verbindungen mit den in London beheimateten Finanzunternehmen. Bereits vier Monate nach Kriegsbeginn, im Januar 2015, unterzeichneten Vertreter von JP Morgan ein erstes Handelsabkommen mit dem British Army Council.
Dieser „Erstvertrag“ über den Kauf von Pferden für die britischen Kriegsanstrengungen im Wert von 12 Millionen US-Dollar (entspricht einem heutigen inflationsbereinigten Wert von 300,5 Millionen US-Dollar) war aber nur der Anfang. Am Ende des 1. Weltkrieges hatte JP Morgan Verträge in Höhe von 3 Milliarden US-Dollar (heutiger Gegenwert 75,1 Milliarden US-Dollar) mit dem britischen Militär abgeschlossen. Das entsprach fast der Hälfte der US-amerikanischen Unterstützung, die den Alliierten im gesamten Krieg zuteil wurde. Ähnliche Arrangements gab es zudem mit Frankreich, Russland, Italien und Kanada. JP Morgan hatte also Zig Milliarden an Krediten an die alliierten Staaten vergeben.
Aber die Kriegsfinanzierung war mit Risiken verbunden. Sollten die alliierten Kräfte den Krieg verlieren, würden JP Morgan und die anderen Wall Street-Banken ihre Kredite und Zinszahlungen verlieren. 1917 war die Lage dramatisch als die britische Regierung mit 400 Millionen US-Dollar (heute 10,2 Milliarden US-Dollar) in der Kreide stand und es nicht klar war, ob die Alliierten den Krieg gewinnen würden und damit am Ende des Krieges überhaupt in der Lage die Kredite zurück zu führen.
Im April 1917 – nur acht Tage nach der US-Kriegserklärung gegenüber Deutschland – verabschiedete der US-Kongress den War Loan Act, der die Kreditvergabe der US-Regierung an die Alliierten auf 1 Milliarde US-Dollar (heute 25 Milliarden) erhöhte. Die erste Rate über 200 Millionen US-Dollar (heute 5 Milliarden US-Dollar) an die britische Regierung ging postwendend und in Gänze auf direktem Wege an JP Morgan als Teilzahlung für die Kredit- und Zinszahlungen zurück. Wenige Tage später landeten auch die 100 Millionen US-Dollar (heute 2,5 Milliarden US-Dollar) der US-Regierung an Frankreich vollständig in den Büchern von JP Morgan. Aber die Schulden nahmen weiter zu und während der Jahre 1917 und 1918 zahlte das US-Finanzministerium – „unterstützt“ vom Pilgrims Society-Mitglied und dem Vorsitzenden der Federal Reserve Benjamin Strong – still und heimlich die Schulden der Alliierten bei JP Morgan.
Im [1.] Weltkrieg sammelte eine bloße Handvoll die Gewinne des Konflikts ein. Während des Weltkrieges wurden in den Vereinigten Staaten mindestens 21.000 neue Millionäre und Milliardäre gemacht. Viele gaben zu, dass sie mit ihren Einkommenssteuererklärungen gewaltige Blutgewinne erzielten. Wie viele andere Kriegsmillionäre ihre Steuererklärungen gefälscht haben, weiß niemand. – Major General Smedley Butler, War is a Racket
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(In the World War [I] a mere handful garnered the profits of the conflict. At least 21,000 new millionaires and billionaires were made in the United States during the World War. That many admitted their huge blood gains in their income tax returns. How many other war millionaires falsified their tax returns no one knows. – Major General Smedley Butler, War is a Racket)
Doch nachdem die USA offiziell in den Krieg eingetreten waren, wurden die „guten Zeiten“ für die Wall Street-Banker noch besser. Denn Bernard Baruch – der mächtige Financier von Woodrow Wilson, der den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten „wie einen Pudel am Halsband (like a poodle on a string)“ während der Wahlen 1912 vorführte – wurde zum Vorsitzenden des neu geschaffenen War Industries Board bestimmt.
Als die Kriegshysterie in den USA auf ihrem Höhepunkt war, hatten Baruch und seine Wall Street-Freunde aus Bankern und Unternehmern, die in diesem Board sassen, eine bis dato nicht gekannte Macht im Bezug auf die Produktion von Gütern in ihren Händen vereint. Inklusive der Macht, Quoten und Preise festzulegen, Produkte zu standardisieren und – wie eine spätere Untersuchung des US-Kongress zeigte – die Kosten so zu definieren, dass die tatsächliche Größe der gemachten Gewinne und damit der Vermögen, das die Kriegsgewinnler mit dem Blut toter Soldaten gemacht hatten, vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben konnten.
Jährlich wurden damals 10 Milliarden US-Dollar (heute 250 Milliarden US-Dollar) von der US-Regierung ausgegeben und zahlreiche neue Millionäre und Milliardäre, wie Samuel Prescott Bush von der uns allen bekannten Bush-Familie, sassen in eben diesem erwähnten War Industries Board. Bernard Baruch selbst soll Dank seiner Position als Vorsitzender des War Industries Board 200 Millionen US-Dollar (heute 5 Milliarden US-Dollar) „gemacht“ haben.
Die durch Washington damals durchgeführten staatlichen Eingriffe wären wenige Jahre zuvor noch vollkommen undenkbar gewesen. So wurde das National War Labor Board geschaffen, um Arbeitsstreitigkeiten zu regeln; der Food and Fuel Act damit die US-Regierung die Kontrolle über die Verteilung und den Verkauf von Lebensmitteln und Benzin hatte. Der Army Appropriations Act von 1916 schuf den Council Of National Defense, mit Baruch und anderen prominenten Financiers und Unternehmern jener Zeit besetzt, der die Koordination zwischen dem privaten Sektor und der Regierung bzgl. Transport, Industrie- und landwirtschaftlicher Produktion, finanzieller Unterstützung des Krieges und die öffentliche Moral vornahm. In seinen Memoiren gab Bernard Baruch am Ende seines Leben beschämt öffentlich zu:
Die Erfahrung des [War Industries Board] hatte einen großen Einfluss auf das Denken von Wirtschaft und Regierung. [Das] WIB hatte die Wirksamkeit der industriellen Zusammenarbeit und den Vorteil der staatlichen Planung und Ausrichtung unter Beweis gestellt. Wir haben uns an den extremen Dogmen von Laissez faire beteiligt, die das wirtschaftliche und politische Denken der USA so lange geprägt hatten. Unsere Erfahrung lehrte, dass die regierungsseitige Führung der Wirtschaft nicht ineffizient oder undemokratisch sein muss, und legte nahe, dass dies in Zeiten der Gefahr zwingend notwendig war.
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(The [War Industries Board] experience had a great influence upon the thinking of business and government. [The] WIB had demonstrated the effectiveness of industrial cooperation and the advantage of government planning and direction. We helped inter the extreme dogmas of laissez faire, which had for so long molded American economic and political thought. Our experience taught that government direction of the economy need not be inefficient or undemocratic, and suggested that in time of danger it was imperative.)
Unser Finanzsystem und unser Schuldgeldsystem beruhen auf einen immer fortlaufenden Kreislauf aus Aufschuldung – Zerstörung – Neuanfang. Zugunsten einer kleinen elitären Gruppe, wie das hier aufgeführte Beispiel des 1. Weltkrieges zeigt. Daher müssen wir in Zeiten von Konflikten, Krisen und Kriegen immer hinter die Kulissen schauen und die Frage nach dem klassischen Cui bono? stellen oder den Ansatz Folge dem Geld! sichtbar machen.
Quellen:
War Profiteering in WWI
War Is A Racket by Major General Smedley Butler
The Plot to Seize the White House: The Shocking TRUE Story of the Conspiracy by Jules Archer
The ambassador from Wall Street: the story of Thomas W. Lamont, J.P. Morgan’s chief executive : a biography
Inflation Calculator
The Creature from Jekyll Island: A Second Look at the Federal Reserve by G. Edward Griffin
Woodrow Wilson and World War I, 1917-1921 by Robert H. Ferrell
Dall, Curtis B. Franklin Delano Roosevelt FDR My Exploited Father In Law (1970) by Dall, Curtis B.
War Industries Board by Benjamin R. Beede
Munitions industry : hearings before the Special Committee Investigating the Munitions Industry, United States Senate, Seventy-third [-Seventy-fourth] Congress, pursuant to S. Res. 206, a resolution to make certain investigations concerning the manufacture and sale of arms and other war munitions by United States. Congress. Senate. Special Committee to Investigate the Munitions Industry
Baruch: the public years. Baruch, Bernard M. (Bernard Mannes), 1870-1965