Im Januar 2020 ist das Frachtaufkommen in den USA (LKW, Bahn, Flugzeug und Schiff) im Vergleich zum Vorjahreswert des Januars um 9,4% gefallen. Der Cass Freight Index for Shipment weist 14 Monate in Folge einen schlechteren Wert als im Vergleichsmonat des Vorjahres auf. Der Januar ist dabei der Monat mit dem stärksten Abfall seit der Finanzkrise von 2007:
Der Cass Freight Index fasst alle Konsumgüter und Industrieprodukte zusammen, die auf verschiedenen Transportwegen (siehe oben) durch die USA verbracht werden. Er beinhaltet aber nicht die sogenannten „bulk commodities (Massen-/Schüttgüter)“ wie Kohle oder Getreide. Als der Index im Dezember um 7,4% – der stärkste Einbruch seit November 2009 – fiel, machten Analysten noch die Weihnachtsfeiertage als Verursacher aus. Dass der Januar sich jetzt sogar noch schlechter entwickelt hat, dürfte für neue „faule Ausreden“ sorgen, denn Weihnachten ist schließlich jedes Jahr.
Im Dezember schloss die Celadon Group als eines der größten LKW-Frachtunternehmen der USA seine Tore. 3.000 Fahrer und 2.700 Fahrzeuge wurden in Folge der größten Insolvenz eines Frachtunternehmens in den USA auf die Straße gesetzt. Im Januar meldete dann American Commercial Lines, mit 3.500 LKWs einer der größten Schüttguttransporteure, erste Probleme an. Während im Januar noch eine Einigung mit den Gläubigern erzielt werden konnte, musste die Firma Anfang Februar ankündigen, dass man einen Insolvenzantrag stellen muss.
Ebenfalls im Januar gaben zwei der größten US-Bahnunternehmen – CSX und Union Pacific – schwere Gewinneinbrüche und massive Entlassungen aufgrund einer „breit angelegten Schwäche im Transportgeschäft“ bekannt. Das Frachtaufkommen auf der Schiene fiel im Januarvergleich um 5,9% (Güterwagoons) bzw. 5,4% (Container und LKW-Anhänger). Laut der Association of American Railroads „spiegelt dies die anhaltende Schwäche des verarbeitenden Gewerbes und die durch Handelsunsicherheiten verschlimmerte weltwirtschaftliche Schwäche wider (reflecting continued softness in manufacturing and global economic weakness made worse by trade uncertainties)“.
Der Einbruch des Cass Freight Index for Shipment um 9,4% im Januar drückte ihn unter das Niveau des Januar 2018 und nahe das Niveaus von Januar 2017. Das nachfolgende Diagramm zeigt die große Saisonalität des Frachtgeschäfts. Der Januar ist immer ein Tiefpunkt. Besonders schwach war dieser Januar, dargestellt durch das große rote Quadrat am linken unteren Rand des Diagramms. Die obere schwarze Linie steht für das historische Boomjahr 2018. Die grüne Linie steht für das Jahr 2019, das sich im Laufe des Jahres im Vergleich zu anderen Jahren noch weiter verschlechterte:
Diese Daten basieren nicht auf Stimmungsumfragen, sondern auf tatsächlichen Frachtaufkommen. Cass leitet diese Daten aus den Frachtabrechnungen ab, die im Auftrag seiner Kunden bezahlt wurden. Im Jahr 2018 waren das Frachtabrechnungen im Wert von 28 Milliarden US-Dollar. Dies repräsentiert durchaus eine große Stichprobe der tatsächlichen Lieferungen und Zahlungen in den USA durch die zahlreiche Unternehmen in diversen Branchen.
Im Januar sank der Cass-Index für Ausgaben, der angibt, wie viel (Online-)Versender – wie Einzelhändler und Hersteller – für Transportkosten, einschließlich Treibstoffzuschlägen, ausgegeben haben. Dieser fiel um 8% gegenüber dem Vorjahr, nachdem er im Dezember um 6,2% gesunken war. Es war der sechste Monat in Folge mit einem Rückgang im Jahresvergleich:
Die gesamten Frachtausgaben setzen sich aus den Frachtkosten, Treibstoffzuschlägen und dem Versandvolumen zusammen. Im ersten Halbjahr 2019 blieb der Index trotz des stark rückläufigen Volumens auf hohem Niveau – was bedeutet, dass die Sendungsanzahl zurückging, Transportunternehmen wie UPS, FedEx, Speditionen und andere jedoch in der Lage waren, einige Gebühren zu erhöhen. Um die Analysten bei den Gewinnaussichten zu beeindrucken, sprachen die Eisenbahnunternehmen über ihre Strategie, die Gebühren im damaligen Umfeld zu erhöhen bzw. zu halten, um das Geschäft aufrechtzuerhalten. In der zweiten Hälfte des Jahres 2019 ging das Geschäft jedoch an klassische Speditionen verloren und daher sinken die Einnahmen der Eisenbahnunternehmen stark.
Die Ausgaben sinken jedoch immer noch langsamer als das Transportvolumen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Branche sich bemüht, die Preise zu erhöhen, wobei UPS und FedEx an vorderster Front stehen. Zudem lag der durchschnittliche Einzelhandelspreis für Diesel im Januar in den USA mit einigen Cents über 3,00 US-Dollar pro Gallone laut UVP-Daten um etwa 2% über dem Durchschnitt des Vorjahres (obwohl der Preis im Februar unter das Niveau des Vorjahres gefallen ist):
Der Rückgang des Transportvolumens um 9,4% gegenüber dem Vorjahr im Januar war auf Produkte zurückzuführen, die ansonsten in diesem Monat innerhalb der USA ausgeliefert werden. Die Schließung von Fabriken und Lieferketten in China, die in der zweiten Januarhälfte begann und in weiten Teilen Chinas die Produktion erschwerte, hatte sich noch nicht auf das Transportaufkommen für Januar in den USA ausgewirkt. Diejenigen Produkte, die China Ende Januar und Februar verlassen sollten, dies jedoch nicht taten, werden sich erst auf die Februar-Zahlen des Cass Freight-Index auswirken.
In den USA sind die Lagerbestände aktuell sehr hoch. Für einige Produkte stellen diese Lagerbestände einen Puffer bereit, und diese Produkte werden aus dem Lagerbestand ausgeliefert. Andere Produkte, die nicht in diesem Umfang gelagert wurden und von denen einige möglicherweise zu Lieferengpässen führen, werden das Transportvolumen in den nächsten Monaten weiter unter Druck setzen. Und dann werden wir die Auswirkungen der Fabrikschließungen in China auf die US-Inlandslieferungen sehen.
Bei all den Zahlen und Daten, die wir hier sehen, sind – wie gesagt – die Auswirkungen des Coronavirus auf die Lieferketten noch nicht eingepreist. Auch nicht, dass mit Süd-Korea ein weiterer großer Spieler in der Weltwirtschaft erste größere Auswirkungen aufgrund des Virus zu verzeichnen hat. Es scheint immer mehr so zu sein, dass der Coronavirus wirklich das Potenzial des seit langem erwarteten Schwarzen Schwans besitzt.
Quellen:
It Gets Surprisingly Ugly: US Freight Shipments Plunge 9.4%, Steepest since 2009
The Cass Freight Index
Accounting Fraud & Freight Recession Topple Celadon, Largest Truckload-Carrier Bankruptcy in US History
Railroad Pain: CSX Revenues Fall Below 2014. Workforce -7%. But Hey, $3.4 Billion in Share Buybacks
Union Pacific Cut 17% of its Workers, Will Cut 8% in 2020. Revenue Fell 9.5%, Income 10%. Bought Back $5.8 Bn in Shares. Stock Hits New High
Rail Traffic for January and the Week Ending February 1, 2020