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Geopolitik: Der große Rückzug der USALesezeit: 5 Minuten

Soldaten - Bildquelle: Pixabay / Defence-Imagery; Pixabay Lisence

Soldaten – Bildquelle: Pixabay / Defence-Imagery; Pixabay Lisence

In der letzten Woche ist etwas Außergewöhnliches passiert: Taro Kono, Japans Verteidigungsminister, kündigte an, dass die japanische Regierung ihren Plan, ein neues, mehrere Milliarden Dollar teures Raketenabwehrsystem zu stationieren, aufgeben werde. Tokio hatte sich 2017 verpflichtet, den Kriegstreibern von Lockheed Martin das Aegis-Ashore-System abzukaufen, d.h. just zum Höhepunkt der Hysterie bzgl. der Raketenprovokationen Nordkoreas. Doch Kono hat die Pläne unter Berufung auf Budget- und Zeitüberschreitungen für unbestimmte Zeit „auf Eis gelegt“.

Was diese Ankündigung so ungewöhnlich macht, ist, dass sie alle überrascht hat. Nicht nur die Gouverneure der Präfekturen, in denen das System aufgebaut werden sollte – die laut Kyodo News erst in letzter Minute per Telefonanruf über die Planänderung informiert wurden -, sondern auch die US-Regierung, die laut Nikkei Asian Review nicht vorzeitig über die Entscheidung informiert wurde.

Japan hat damit ohne Vorwarnung einen Multimilliarden-Dollar-Vertrag im Verteidigungsbereich mit einem wichtigen US-Auftragnehmer platzen lassen. Da scheint die Frage „Was geht hier vor sich?“ mehr als gerechtfertigt zu sein…

Für diejenigen, die sich nicht mit Geopolitik und Militärangelegenheiten im asiatisch-pazifischen Raum befassen, klingt dies vielleicht nicht nach dem Außergewöhnlichsten, was im Jahr 2020 passieren wird – und, um fair zu sein, angesichts des Jahres, das wir gerade erleben, ist es das vielleicht auch wirklich nicht. Aber das Militärbündnis zwischen Japan und den USA ist seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs das Rückgrat der Sicherheitsordnung im asiatisch-pazifischen Raum, und die Vorstellung, dass Japan eine solch monumentale Entscheidung einseitig trifft, ohne seine US-amerikanischen Gegenspieler vorher auch nur zu informieren, wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. Doch diesmal ist es anders.

Tatsächlich geht es nicht nur um den asiatisch-pazifischen Raum. Von Europa über den Nahen Osten bis nach Südamerika vollzieht sich ein außerordentlicher Wandel, der die Macht und den Einfluss der USA rund um den Globus schwinden sieht. Ist die Ära der „Pax Americana“ nach dem Zweiten Weltkrieg also wirklich vorbei? Und wenn ja, was bedeutet das für die Zukunft der globalen Geopolitik?

Um diese Frage besser zu verstehen, werfen wir einen Blick auf einige der unglaublichen Geschichten, die unter dem öffentlichen Radar bleiben, während die Amerikaner sich mit dem Streit um die Werbefigur eines Pfannkuchensirupherstellers (Aunt Jemima) beschäftigen.

  • Anfang dieses Monats unterzeichnete Trump einen Plan zum Abzug von 9.500 US-Truppen von Stützpunkten in Deutschland, ein Schritt, der den derzeitigen US-amerikanischen Einsatz im Land um fast ein Drittel reduzieren würde.
  • Nachdem das irakische Parlament Anfang dieses Jahres eine Resolution verabschiedet hatte, in der die Regierung aufgefordert wurde, die US-Streitkräfte aus dem Land zu schaffen, veröffentlichte das US-Außenministerium diesen Monat eine Erklärung, in der es seine Verpflichtung zum Truppenabzug aus dem Irak bekräftigte.
  • Die USA halten tatsächlich ihr Versprechen, die Truppen in Afghanistan abzuziehen, da Washington seine Zusage eingehalten hat, die im Land stationierten US-amerikanischen Streitkräfte einen Monat früher als geplant auf 8.600 zu reduzieren.

Es scheint so zu sein, dass sich Uncle Sam endlich den alten Refrain von „Yankee Go Home!“ zu Herzen nimmt.

Und warum auch nicht? Die Vereinigten Staaten erleben derzeit unglaubliche innere Unruhen – von der bitteren politischen Spaltung über die Reaktion auf die Coronavirus-P(l)andemie bis hin zu einer regelrechten politischen Kriegsführung (medicine martial law). Oder die im Zeitalter von Russiagate und Fake News ausgetragenen offenen Kämpfe zwischen links und rechts, bis hin zu den jüngsten Black Lives Matter-Demos und den Protesten gegen Polizeibrutalität. Es gibt sogar eine selbst erklärte Autonome Zone in Seattle. Es ist nur logisch, dass sich Amerika im Moment nach innen wendet und sich weniger dem Problem widmet, seinen Willen in die Welt zu projizieren.

Aber der Abzug der US-Truppen rund um den Globus ist nicht notwendigerweise ein freiwilliger Rückzug. Wie James Corbett in seiner letztwöchigen Ausgabe von New World Next Week festgestellt hat, sind die Versuche der Trump-Administration, mit Nordkorea im Washingtoner Stil zu „verhandeln“ – d.h. indem man ihnen eine geladene Waffe an den Kopf hält und ihnen sagt, sie sollen ihre Atomwaffen aufgeben und vernichten – gescheitert. Wobei die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel inzwischen wohl noch schlimmer sind als vor dem viel gepriesenen Trump-Kim-Gipfel.

Zudem kann die einst mächtigste, die Welt erobernde Supermacht, die die Vereinigten Staaten von Amerika waren, nicht einmal einen einfachen Regimewechsel in Venezuela durchführen oder auch nur anstoßen, oder im Grenzstreit zwischen Indien und China vermitteln, ohne von beiden Mächten ausgelacht zu werden.

Und jetzt stellt sogar Japan, neben Deutschland der US-Vasallenstaat schlechthin, Washington und seine militärischen Auftragnehmer vor vollendete Tatsachen, ohne auch nur einen netten Anruf zu tätigen, um es vorher zu warnen.

Für jeden, der sich in den letzten 75 Jahren mit der globalen Geopolitik beschäftigt hat, sind dies bemerkenswerte Zeiten. Für die Verschwörungsrealisten, die seit langem feststellen, dass die Alte Weltordnung ohne den kontrollierten Abriss der wirtschaftlichen und militärischen Macht Amerikas niemals die Neue Weltordnung werden könnte, ist dies keine Überraschung. Ungeachtet dessen sind das Ende eines Imperiums und der Übergang zu einem neuen System die Art von welthistorischen Momenten, über die in den Geschichtsbüchern geschrieben wird.

Und obwohl keine dieser einzelnen Punkte selbst auf einen Moment des Endes des Imperiums hinausläuft, weisen sie zusammengenommen definitiv auf den bevorstehenden tektonischen Wandel hin. Wenn Sie dachten, 2020 sei bisher eine Achterbahnfahrt gewesen, sollten Sie sich in geopolitischer Sicht wahrlich festhalten…

Quellen:
The Great Withdrawal
Japan suspends Aegis Ashore deployment, pointing to cost and technical issues
Lockheed Martin – Aegis Ashore
Japan halts deployment of U.S.-made missile defense system
Japan halts anti-missile Aegis Ashore as costs soar past $2bn
Infogalactic – Pax Americana
Twitter – They’re changing Aunt Jemima as a brand image but keeping High Fructose Corn Syrup as the main ingredient.
President Trump Confirms Plan to Cut Troops in Germany
Iraqi parliament calls for expulsion of foreign troops
Joint Statement on the U.S.-Iraq Strategic Dialogue
US has hit agreed troop-cut target of 8,600 in Afghanistan
Interview 1556 – New World Next Week with James Evan Pilato
What in the World is Going On?
How plot to overthrow Venezuela’s Maduro ran aground
India, China don’t need US help to resolve border frictions: Chinese official media hits back at Trump
India, China reject US bid to mediate on border issue

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