Gesellschaft: Über Denunziantentum, Zensur und „Faktenprüfer“Lesezeit: 6 Minuten
Am 26. April 1933 erließ der damalige preußische Innenminister Hermann Göring einen Erlass zur Schaffung einer neuen geheimen staatlichen Polizei, der „Geheimen Staatspolizei“, abgekürzt Gestapo. Die Gestapo hatte die Aufgabe, jede Opposition gegen den neuen deutschen Reichskanzler und die von ihm ein Jahr zuvor an die Macht gebrachte Partei auszulöschen. Dazu sammelte sie Hinweise von normalen Bürgern, sogar von Schulkindern. Und dieses Netzwerk von Gestapo-Informanten veränderte das Verhalten der Deutschen fast über Nacht.
Selbst ein Witz über die Regierungspartei konnte einen in einen Verhörraum der Gestapo bringen. Mit seinen Kindern über Politik zu sprechen, wurde zu einem gefährlichen Spiel.
Laut Erik Larsons Buch In the Garden of Beasts: Love, Terror, and an American Family in Hitler’s Berlin waren 37% der Denunziationen „nicht aus tief empfundenen politischen Überzeugungen, sondern aus privaten Konflikten, deren Auslöser oft atemberaubend trivial waren“ zurück zu führen. In einem Fall zeigte beispielsweise ein Angestellter eines Lebensmittelladens einen Kunden an, der darauf bestanden hatte, dass ihm sein Wechselgeld falsch heraus gegeben worden war. Am Ende wurde der Kunde des Steuerbetrugs bezichtigt. Ein anderer Mann lieh seinem Freund ein verbotenes Buch und wurde prompt von der Frau seines Freundes denunziert.
Der neue Reichskanzler – der dieses Verhalten förderte – war über den Eifer der Bürger, ihre Nachbarn anzuschwärzen, nach außen hin schockiert, so dass er bemerkte: „Wir leben gegenwärtig in einem Meer von Denunziationen und menschlicher Gemeinheit.“
Dieser Kanzler war natürlich Adolf Hitler.
Die Geheimpolizei brauchte nicht in jedem Haus Abhörgeräte oder Spione an jeder Straßenecke. Sie fand ein Heer von willigen, eifrigen Informanten und Denunzianten in der Bevölkerung. Die Zahl der Denunziationen war sogar so groß, dass die Gestapo die Leute bitten musste, keine politischen Verbrechen mehr zu melden, weil sie überfordert war und es unmöglich war, sie alle zu bearbeiten.
Natürlich ist das Deutschland der 1930er Jahre ein Extremfall, und ich behaupte nicht, dass die Menschen im Westen heute in selber Art und Weise agieren oder das wir eine neue Gestapo haben. Aber wir erleben überall die gleichen Mechanismen wie damals zu Beginn der 1930er. Eine andere Ähnlichkeit besteht, wie schnell sich die Dinge geändert haben. In Nazi-Deutschland änderte sich die gesamte Kultur buchstäblich innerhalb weniger Monate. Im Frühjahr 1933 waren die Menschen noch höflich zueinander. Im Sommer verrieten sie ihre Freunde und Nachbarn an die Geheimpolizei.
Auch heute kann ein falsches Wort dazu führen, dass man gefeuert oder gekündigt wird und sein Leben auf den Kopf gestellt wird. Zum Beispiel gab es in letzter Zeit eine Reihe von sogenannten „Faktencheckern“, d.h. selbsternannten Zensoren, die sich über eine neue App namens Clubhouse aufgeregt haben. Falls Sie noch nichts davon gehört haben: Clubhouse ermöglicht es Menschen, verschiedene Themen in reinen Audio-Chaträumen zu diskutieren. Die audiobasierten Inhalte erlauben keine Aufzeichnung. Und das bedeutet, dass es keine Aufzeichnung von Gesprächen gibt.
Wie ein „Faktenüberprüfer“ beklagt:
…es gibt keine Aufzeichnungen. Es gibt keine Möglichkeit, alte Clubhouse-Beiträge Jahre später wieder aufzurufen, wie es ein Benutzer bei Twitter tun könnte. Es gibt keine Möglichkeit, Unterhaltungen aufzuzeichnen – das heißt, es gibt keine Möglichkeit zu beweisen, dass jemand überhaupt etwas Kontroverses gesagt hat. Die Nutzer auf Clubhouse wissen oder glauben zumindest, dass sie ihre Meinung offen sagen können, ohne dass dies Konsequenzen hat.
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(…there are no screenshots. There is no way to drag up old Clubhouse posts years later like a user might do on Twitter. There is no way to record conversations — meaning there is no way to prove that someone said anything controversial at all. There’s no path to accountability.)
Welch blanker Horror!
Das treibt die „Faktenprüfer“ in den Wahnsinn. Sie wollen, dass die Leute Angst haben, ihre Meinung zu sagen. Sie wollen, dass die Leute Angst haben, denunziert zu werden, wenn sie sich nicht an die Doktrin des „politisch Korrekten“ halten. Eine besonders wütende „Faktenprüferin“ verfasste einen Artikel, in dem sie feststellte, dass die chinesische Regierung Clubhouse bereits verboten hat. In ihrem Artikel stellte sie den Lesern gar die Frage: „Wenn die Regierung von Xi Jinping Clubhouse nicht ignoriert, warum sollten die Faktenprüfer das tun? Warum sollten Sie? (If Xi Jinping’s administration isn’t ignoring Clubhouse, why should fact-checkers? Why should you?)“
Anscheinend ist das repressive chinesische Regime ein leuchtendes Beispiel, von dem die „Faktenchecker“ denken, dass wir alle ihm folgen sollten.
Ganz so wie der Westen dem Beispiel Chinas gefolgt ist und Menschen in ihren Häusern eingesperrt hat, um die „Ausbreitung von Covid-19“ zu stoppen, sollte der Westen anscheinend jede Plattform abschalten, die intellektuellen Dissens zulässt. Natürlich deckt intellektueller Dissens heutzutage sehr viel ab. Zum Beispiel schrieb ein Professor der John Hopkins School of Medicine kürzlich einen Leitartikel für das Wall Street Journal, in dem er voraussagte:
Wir werden bis April eine Herdenimmunität haben.
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(We’ll Have Herd Immunity by April.)
Der Autor hat tadellose Referenzen; zusätzlich zu seinem Doktor hat er einen Maser of Public Health von Harvard, war bei der Weltgesundheitsorganisation, und hatte vom American College of Surgeons (Amerikanisches Kollegium der Chirurgen) die Empfehlung zum Surgeon General der Vereinigten Staaten ernannt zu werden. Aber die komplett fachfremden „Faktenchecker“ sind der Meinung, dass seine Ansicht nicht wiederholt werden sollte. Deshalb haben die „Faktenprüfer“ von Facebook den Artikel mit dem Etikett „Fehlinformation (misinformation)“ versehen:
Fehlender Kontext. Unabhängige Faktenprüfer sagen, dass diese Information Menschen in die Irre führen könnte.
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(Missing Context. Independent fact-checkers say this information could mislead people.)
Sicher, es gibt Wissenschaftler, die denken, dass die Herdenimmunität (wenn man dem „Virus“-Narrativ folgen will) in weiter Ferne liegt. Aber die „Faktenchecker“ von Facebook haben für alle entschieden, welche Meinungen der Wissenschaftler „richtig“ sind und welche zensiert werden sollten.
Das Ziel dieser Leute ist es, ein bestimmtes Narrativ zu verstärken, und alles, was diesem Narrativ widerspricht, als „Fehlinformation“ oder „Hassrede“ zu denunzieren. Und jeder, der dabei erwischt wird, solche Ansichten zu teilen oder zu vertreten, wird als Verschwörungstheoretiker verhöhnt… oder als noch schlimmeres.
Ergo: Akzeptiere die Meinungen, die sie dir vorgeben, dass sie richtig in ihrer „Entscheidung“ liegen, oder werde selbst denunziert.
Unglaublich dabei ist, dass sich diese Kultur in weniger als einem Jahr entwickelt hat. Die USA und viele andere westliche Länder haben sich eindeutig verändert. Freiheit ist nicht mehr der weithin akzeptierte kulturelle Wert, der er einmal war. Unsere Freiheit wurde durch Konformität, Zensur und Fanatismus ersetzt.
Quellen:
26. April 1933 – Die „Geheime Staatspolizei“ (Gestapo) wird gegründet
Wikipedia – In the Garden of Beasts
In the Garden of Beasts – Love, Terror, and an American Family in Hitler’s Berlin by Erik Larson
Mark Zuckerberg made a surprise appearance on the world’s buzziest social network to talk about the future
Factually: What will fact-checkers find on Clubhouse?
We’ll Have Herd Immunity by April
Ein Artikel bildet zwangsweise die Meinung eines Einzelnen ab. In Zeiten der Propaganda und Gegenpropaganda ist es daher umso wichtiger sich mit allen Informationen kritisch auseinander zu setzen. Dies gilt auch für die hier aufbereiteten Artikel, die nach besten Wissen und Gewissen verfasst sind. Um die Nachvollziehbarkeit der Informationen zu gewährleisten, werden alle Quellen, die in den Artikeln verwendet werden, am Ende aufgeführt. Es ist jeder eingeladen diese zu besuchen und sich ein eigenes Bild mit anderen Schlussfolgerungen zu machen.
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[…] Am 26. April 1933 erließ der damalige preußische Innenminister Hermann Göring einen Erlass zur Schaffung einer neuen geheimen staatlichen Polizei, der “Geheimen Staatspolizei”, abgekürzt Gestapo. Die Gestapo hatte die Aufgabe, jede Opposition gegen den neuen deutschen Reichskanzler und die von ihm ein Jahr zuvor an die Macht gebrachte Partei auszulöschen…. — Weiterlesen http://www.konjunktion.info/2021/03/gesellschaft-ueber-denunziantentum-zensur-und-faktenpruefer/ […]
[…] Freiheit ist nicht mehr der weithin akzeptierte kulturelle Wert, der er einmal war, behauptet konkunktion.info hier: https://www.konjunktion.info/2021/03/gesellschaft-ueber-denunziantentum-zensur-und-faktenpruefer/ […]