Jemen: Der „vergessene Krieg“ jenseits der UkraineLesezeit: 6 Minuten
Während sich die Politkaste und die Hochleistungspresse damit überschlagen den Konflikt in der Ukraine auf allen Kanälen anzusprechen, scheint ihnen der inzwischen ins achte Jahr (!) gehende Konflikt in Jemen, durchgeführt durch Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, keine Zeile oder Bemerkung wert zu sein.
Ein klassisches Beispiel von Doppelmoral und doppelten Standards, das nur belegt, dass immer geo-/politische, industrielle Interessen und niemals Werte wie Menschenrechte oder humanitäre Hilfe die wirklichen „moralischen Leuchtfeuer des Handelns“ sind.
So hatten sich die Vereinten Nationen zum Ziel gesetzt, bis zum 15. März mehr als 4,2 Milliarden US-Dollar für die Menschen im kriegsgebeutelten Jemen zu sammeln. Doch als diese Frist ablief, waren gerade einmal 1,3 Milliarden US-Dollar eingegangen.
Ich bin zutiefst enttäuscht. Die Menschen im Jemen brauchen das gleiche Maß an Unterstützung und Solidarität, das wir für die Menschen in der Ukraine erlebt haben. Die Krise in Europa wird den Zugang der Jemeniten zu Nahrungsmitteln und Treibstoff dramatisch beeinträchtigen und die ohnehin schon schlimme Lage noch weiter verschlimmern. – Jan Egeland, Generalsekretär des Norwegischen Flüchtlingsrats
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(I am deeply disappointed. The people of Yemen need the same level of support and solidarity that we’ve seen for the people of Ukraine. The crisis in Europe will dramatically impact Yemenis’ access to food and fuel, making an already dire situation even worse. – Jan Egeland, secretary general of the Norwegian Refugee Council)
Die saudische Blockade des Jemen hat den Zugang zu lebenswichtigen Gütern des täglichen Bedarfs blockiert und die jemenitische Bevölkerung gezwungen, sich auf Hilfsorganisationen zu verlassen, deren Unterstützungsleistungen aufgrund fehlender Finanzierung zunehmend abnimmt.
Da der Jemen mehr als 35% seines Weizens aus Russland und der Ukraine importiert, wird eine Unterbrechung der Weizenlieferungen zu einem sprunghaften Anstieg der Lebensmittelpreise führen:
Seit dem Ausbruch des Ukraine-Konflikts sind die Lebensmittelpreise um mehr als 150 Prozent in die Höhe geschnellt. Millionen von jemenitischen Familien wissen nicht, wie sie ihre nächste Mahlzeit bekommen sollen. – Basheer Al Selwi, ein Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz im Jemen
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(Since the onset of the Ukraine conflict, we have seen the prices of food skyrocket by more than 150 percent. Millions of Yemeni families don’t know how to get their next meal. – Basheer Al Selwi, a spokesperson for the International Commission of the Red Cross in Yemen)
Die Bombardierung des Jemen und die Blockadehaltung unter der Führung von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geht bereits in ihr achtes Jahr. Die Vereinten Nationen schätzten im vergangenen Herbst, dass die Zahl der Todesopfer im Jemen bis Ende 2021 auf über 377.000 ansteigen wird.
Die USA liefern weiterhin Ersatzteile für die Kampfflugzeuge der saudi-arabischen Koalition und unterstützen mit Wartungsarbeiten und einen stetigen Zustrom von Rüstungsgütern das Regime in Riad. Ohne diese Unterstützung könnten die Saudis ihre mörderischen Angriffe aus der Luft nicht fortsetzen.
Doch anstatt die Gräueltaten zu verurteilen, die durch die Invasion, die Bombardierung und die Blockade des Jemen durch die Saudis und die Vereinigten Arabischen Emirate begangen werden, schmeicheln sich die Vereinigten Staaten tragischerweise bei den Führern dieser Länder ein. Da die Sanktionen gegen Russland den weltweiten Ölverkauf – aus meiner Sicht gewollt – empfindlich stören, führen nicht nur die USA, sondern auch die EU und andere Gespräche, und machen sich damit zunehmend von der Ölproduktion der Saudis und den VAE abhängig. Riad stellt dabei sogar eine Bedingung, die zeigt, wessen Geistes Kind die Sauds sind: Saudi-Arabien und die VAE wollen ihre Ölproduktion nicht erhöhen, ohne dass die USA ihnen dabei helfen, ihre Angriffe auf den Jemen zu verstärken.
Menschenrechtsgruppen haben die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführte Koalition bzgl. der Bombardierung von Straßen, Fischereien, Abwasser- und Sanitäranlagen, Hochzeiten, Beerdigungen und sogar eines Schulbusses für Kinder kritisiert. Bei einem kürzlichen Angriff töteten die Saudis sechzig afrikanische Migranten, die in einem Gefangenenlager in Saada festgehalten wurden.
Die saudische Blockade des Jemen hat die für das tägliche Leben notwendigen Importe abgewürgt und die jemenitische Bevölkerung gezwungen, sich auf Hilfsorganisationen zu verlassen, um zu überleben.
Während sich jeder als „Ukrainer-Umterstützer“ im Westen geriert, sind es nur wenige die sich für den Jemen einsetzen (wollen). Die US-Politiker Pramila Jayapal aus Washington und Peter De Fazio aus Oregon, beides Demokraten, suchen nun Mitstreiter für die Jemen War Powers Resolution. Darin wird gefordert, dass der Kongress die militärische Unterstützung für den Krieg der von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführten Koalition gegen Jemen einstellt.
Am 12. März hat Saudi-Arabien 81 Menschen hingerichtet, darunter sieben Jemeniten – zwei von ihnen Kriegsgefangene und fünf von ihnen, die beschuldigt wurden, den saudischen Krieg gegen den Jemen kritisiert zu haben.
Nur zwei Tage nach der Massenexekution kündigte der Golf-Kooperationsrat, dem viele der Koalitionspartner angehören, die den Jemen angreifen, die saudische Bereitschaft an, Friedensgespräche in der eigenen Hauptstadt Riad zu führen, und verlangte von den jemenitischen Anführern der Ansar Allah (informell als Houthis bekannt), dass sie ihre Hinrichtung durch Saudi-Arabien riskieren, wenn sie über den Krieg sprechen.
Die Saudis beharren seit langem auf einer zutiefst fragwürdige UN-Resolution, in der die Houthi-Kämpfer zur Entwaffnung aufgefordert werden, die von den USA unterstützte Saudi-Arabien-Koalition aber nicht einmal als eine der Kriegsparteien erwähnt wird. Die Houthis sagen, sie würden an den Verhandlungstisch kommen, könnten sich aber nicht auf die Saudis als Vermittler verlassen. Angesichts der rachsüchtigen Behandlung der Jemeniten durch Saudi-Arabien erscheint dies vernünftig.
Die Menschen im Westen müssen darauf zu bestehen, dass die Außenpolitik auf der Achtung der Menschenrechte, der gerechten Aufteilung der Ressourcen und der ernsthaften Verpflichtung zur Beendigung aller Kriege beruht. Nicht nur in der Ukraine.
Quellen:
The People of Yemen Suffer Atrocities, Too
U.N. raises only $1.3 bln of over $4 bln sought for Yemen 2022 AID -OCHA head
Yemen pledging conference: An outcome that will lead to loss of lives
CORRECTED-Ukraine war threatens to make bread a luxury in the Middle East
Yemen braced for Ukraine wheat shortage as donor pledges fall short
Yemen war death toll set to reach 377,000 by end of year, says UN report
The Houthis have won in Yemen: What next?
US-Saudi tensions complicate push for more oil
U.N. chief condemns deadly Saudi-led coalition strike in Yemen
Why We Intend to Pass a New Yemen War Powers Resolution
Saudi Arabian Mass Execution of 81 People Draws Condemnation from U.N. High Commissioner, Rights Activists
S/RES/2624 – Overview of Security Council Resolutions
Ein Artikel bildet zwangsweise die Meinung eines Einzelnen ab. In Zeiten der Propaganda und Gegenpropaganda ist es daher umso wichtiger sich mit allen Informationen kritisch auseinander zu setzen. Dies gilt auch für die hier aufbereiteten Artikel, die nach besten Wissen und Gewissen verfasst sind. Um die Nachvollziehbarkeit der Informationen zu gewährleisten, werden alle Quellen, die in den Artikeln verwendet werden, am Ende aufgeführt. Es ist jeder eingeladen diese zu besuchen und sich ein eigenes Bild mit anderen Schlussfolgerungen zu machen.
4 Antworten
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