Letzte Woche gab es zwei wichtige Ereignisse im Bereich der digitalen Zentralbankwährungen (CBDCs). Eine weitere G-7-Volkswirtschaft, das Vereinigte Königreich, hat einen großen Schritt in Richtung Einführung einer CBDC gemacht. Gleichzeitig versinkt Nigeria, die erste größere Volkswirtschaft, die eine CBDC eingeführt hat, immer tiefer im Finanzchaos.
Eine der ältesten Zentralbanken der Welt, die Bank of England („BoE“), und die britische Regierung bestätigten gemeinsam, dass ein digitales Pfund in nicht allzu ferner Zukunft notwendig sein wird. Während dies öffentlich bekannt wurde, bildeten sich in Nigeria, der ersten großen Volkswirtschaft, die eine CBDC einführte, lange Schlangen vor den Geldautomaten, da die meisten Nigerianer nach der katastrophalen Demonetisierungskampagne der Regierung Schwierigkeiten hatten, an physisches Geld zu gelangen.
„Eine neue und vertrauenswürdige Art zu zahlen“?
Blicken wir zuerst auf das Vereinigte Königreich, dessen neuer Schatzkanzler Jeremy Hunt diese Woche CBDCs als potenziell „eine neue und vertrauenswürdige (staatlich unterstützte) Zahlungsmethode (a new and trusted (state-backed) way to pay)“ bezeichnete, die wahrscheinlich noch in diesem Jahrzehnt eingeführt wird. John Cunliffe, stellvertretender Gouverneur für Finanzstabilität der Bank of England, sagte dazu:
Nach unserer Einschätzung ist es bei den derzeitigen Trends wahrscheinlich, dass im Vereinigten Königreich eine digitale Zentralbankwährung für den Einzelhandel und allgemeine Zwecke – ein digitales Pfund – benötigt wird.
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(Our assessment is that on current trends it is likely that a retail, general purpose digital central bank currency — a digital pound — will be needed in the UK.)
Angesichts des rapiden Rückgangs der Bargeldnutzung in Großbritannien würde ein digitales Pfund die „Ankerfunktion (anchor function)“ übernehmen, die Bargeld derzeit innehat, indem es dem Inhaber Zugang zu Geld der Bank of England verschafft, so Cunliffe. Es würde auch den Risiken entgegenwirken, die von so genannten „Stable Coins“ ausgehen, relativ neuen Formen von Kryptowährungen, die an den Wert einer Fiat-Währung (z. B. Dollar oder Euro) gekoppelt sind, und gleichzeitig sicherstellen, dass bestimmte Tech-Unternehmen nicht in der Lage sind, Bereiche des Online-Marktes mit ihren eigenen Münzen zu monopolisieren.
All dies sind klassische Rechtfertigungen für die Einführung einer CBDC. Aber nicht jeder im politischen Establishment des Vereinigten Königreichs ist der Meinung, dass dies ein ausreichender Grund ist. So sagte der ehemalige Gouverneur der Bank of England, Mervyn King, im Januar 2022: „Die bei weitem wichtigste Frage ist, was ist das Problem, für das eine CBDC die Lösung ist? (By far the most important question is what is the problem to which a CBDC is the solution?)“ King sagte, es seien eine Reihe von Vorschlägen gemacht worden, aber „keiner von ihnen war wirklich überzeugend (none of them were terribly convincing)“.
Auch der Wirtschaftsausschuss des britischen Oberhauses kam kürzlich zu dem Schluss, dass er noch keine überzeugenden Argumente dafür gehört hat, warum das Vereinigte Königreich eine CBDC für den Einzelhandel braucht. Im Gegenteil, eine CBDC „könnte zwar einige Vorteile bieten (may provide some advantages)“, aber auch „erhebliche Herausforderungen (significant challenges)“ für die Finanzstabilität und den Schutz der Privatsphäre mit sich bringen.
Aber die Bank of England und das britische Finanzministerium sind da anderer Meinung.
„Ein digitales Pfund wäre ein sehr umfangreiches Finanzinfrastrukturprojekt, das mehrere Jahre in Anspruch nehmen würde (A digital pound would be a very substantial financial infrastructure project that would take several years to complete)“, sagte Cunliffe in einer Rede vor UK Finance, einem Wirtschaftsverband, der über 300 Unternehmen des britischen Banken- und Finanzdienstleistungssektors vertritt. „Wie viele der Anwesenden wissen, hätte es erhebliche Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir miteinander Geschäfte machen, und im weiteren Sinne auf den Finanzsektor und die Wirtschaft im Allgemeinen. (It would, as many in this audience know, have major implications for the way we transact with each other and, more broadly, for the financial sector and the economy in general.)“
Zusätzliche Ebenen von Operationen
Eine der wichtigsten Auswirkungen sind die Folgen, die dies für das derzeitige Bankensystem haben könnte. Wie der britische Wirtschaftswissenschaftler Richard Werner, Autor des von der Kritik gefeierten Buches Princes of the Yen, feststellte, würde es mehr oder weniger das Ende des Bankwesens, wie wir es kennen, bedeuten, wenn die Zentralbanken Privatpersonen und Unternehmen direkt CBDCs anbieten würden. Was wiederum bedeutet, dass sie alle in der Lage wären, das Äquivalent eines Girokontos bei der Zentralbank zu führen (solange sie ein Smartphone haben und sich nicht auf falsche „Verhaltensweisen und Narrative“ einlassen):
Alles, was man bräuchte, wäre ein Schock oder eine Krise. Das gesamte Geld würde von den Bankeinlagen zur Zentralbank fließen und das Bankensystem würde zusammenbrechen.
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(All you would need is a shock or a crisis. All the money would move from the bank deposits to the central bank and the banking system shuts down.)
Dies würde zu dem führen, was Werner als „Monobanking“ bezeichnet, bei dem nur ein Kreditgeber, die Zentralbank, tätig werden kann.
Um dies zu vermeiden, erwägt die BoE, den Besitz des neuen digitalen Pfunds auf 10.000 bis 20.000 £ (12.000 bis 24.000 Euro) zu begrenzen, sobald es eingeführt wird. Das digitale Pfund würde auch nicht verzinst werden.
Das Letzte, was die Zentralbanken der Welt tun wollen, ist, die großen Privatbanken auszulöschen, deren Interessen sie in erster Linie dienen. In der Tat arbeiten die Zentralbanken Hand in Hand mit vielen „too big to fail“ („TBTF“) Kreditgebern, um die CBDC-Infrastruktur aufzubauen. Was die BoE und viele andere Zentralbanken stattdessen vorhaben, ist die Schaffung einer zusätzlichen Ebene von Operationen innerhalb des Finanzsystems. Und während die BoE (mit Hilfe des privaten Sektors) die Währung schaffen wird, werden die privaten Banken die wichtigste öffentliche Schnittstelle für diese neue Ebene sein, wie Cunliffe selbst in einer Podiumsdiskussion im vergangenen Juni darlegte:
Wir werden den Vermögenswert und die Schienen herstellen, aber die Schnittstelle mit der Öffentlichkeit würde von privaten Zahlungsanbietern gebildet werden. Das könnten Banken sein, die die Kundenkonten haben, um Geld in ihre digitalen Anwendungen zu integrieren…
Es gibt noch andere Modelle. Ein Modell ist, dass wir dem privaten Sektor erlauben, die Tokenisierung vorzunehmen und ihr eigenes Geld bereitzustellen, das wir eins zu eins mit Zentralbankgeld unterlegen.
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(We will produce the asset and the rails but the interface with the public would actually be done by private-sector payment providers. It could be banks that will have the customer accounts payable to integrate money into their digital applications…There are other models. One model is we allow the private sector to do the tokenization, to provide their own money that we back one-for-one with central bank money.)
Die CBDCs werden also wahrscheinlich nicht, wie von einigen befürchtet, das GESAMTE private Bankensystem verdrängen. Vielmehr werden die Großbanken geschützt und eingebunden sein, während man die kleinen, lokalen Banken und Sparkassen damit die Existenzgrundlage nehmen wird, da diese nicht in der Lage sind, die zusätzlichen regulatorischen Kosten, Belastungen und Komplexitäten zu bewältigen. In den USA warnte die National Association of Federally-Insured Credit Unions („NAFCU“) letztes Jahr bereits, dass die Ausgabe eines digitalen Dollars die Finanzstabilität untergraben könnte, und argumentierte, dass die mit der Einführung einer CBDC verbundenen Kosten und Risiken die angepriesenen Vorteile wahrscheinlich überwiegen würden.
Quellen:
UK government and Bank of England says a CBDC will be needed in the not-too-distant future
Digital pound likely this decade, Treasury says
Jon Cunliffe: The digital pound
UK Plans £20,000 ‘Britcoin’ Limit for Individuals Holdings Digital Pounds
Ex-BoE governor Mervyn King calls Britcoin a ‘solution without a problem’
Central bank digital currencies: Lords Economic Affairs Committee report
The First Ever Central Bank Digital Currency (CBDC) of a Largish Economy, Nigeria’s eNaira, Is Already Floundering
Bank of England Says Digital Pounds Unlikely to Work Like Cash
7.5.2022 NAFCU Letter to Commerce re Developing a Framework on Competitiveness of Digital Asset Technologies