Über Chinas Sozialkreditprogramm habe ich bereits frühzeitig (Ende 2015) – als es noch Sesame Credit Program hieß – berichtet. Immer mit der Warnung verbunden, dass dieses die Blaupause für die Welt sein könnte. Viele meiner Warnungen haben sich zwischenzeitlich leider bewahrheitet und die Kombination aus digitaler ID, Sozialkreditprogramm und CBDCs, die aufeinander aufbauen und voneinander abhängen, wird das Unterjochungswerkzeug des Großen Neustarts sein.
Daher darf es nicht verwundern, wenn das „Blaupausenland“ China die nächste Stufe der Unterdrückung zündet:
China plant die Einführung eines nationalen digitalen Personalausweises, und in gewisser Weise ist es überraschend, dass dies so lange gedauert hat. Pekings strenge Kontrolle über die Medien und der starke Überwachungsstaat sind kein Geheimnis. Jenseits der berüchtigten Großen Firewall müssen chinesische Internetnutzer bereits eine ID und eine Telefonnummer angeben, um sich bei beliebten Plattformen wie WeChat und Weibo zu registrieren. Während die Regierung behauptet, ein digitales Identitätssystem würde die Online-Privatsphäre schützen, gibt es viele, die glauben, dass die digitale Identität die Kontrolle der Regierung über die Menschen und ihre Daten nur verschärfen und zentralisieren würde.
Berichte in der New York Times, der Financial Times und der South China Morning Post unterstreichen diese Bedenken.
Ständige, allgegenwärtige Überwachung und das Online-Verhalten der Chinesen
Die NYT berichtet, dass bei der Einführung eines nationalen digitalen Personalausweises die Regierung die Aufgabe der Identitätsüberprüfung von Dritten übernehmen würde. Die NYT shreibt zudem, dass das System freiwillig sein soll und dass die Regierung bis Ende August Kommentare der Öffentlichkeit entgegennimmt (über www.moj.gov.cn und www.chinalaw.gov.cn). Wissenschaftler und Rechtsexperten befürchten jedoch, dass das System als Instrument zur sozialen Kontrolle eingesetzt werden könnte.
Der Artikel zitiert Rose Luqiu, eine Assistenzprofessorin für Journalismus an der Hong Kong Baptist University, die sagt:
Mit dieser Internet-ID wird jede Ihrer Online-Bewegungen, alle Ihre digitalen Spuren, von den Regulierungsbehörden überwacht werden. Das wird sich definitiv auf das Verhalten der Menschen auswirken.
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(With this internet ID, your every move online, all your digital traces, will be monitored by the regulators. That will definitely impact people’s behavior.)
Die Financial Times berichtet, dass die Cyberspace Administration of China (CAC) zusammen mit dem chinesischen Ministerium für öffentliche Sicherheit (MPS) einen Entwurf für die Initiative veröffentlicht hat. Die Financial Times zitiert Tom Nunlist, stellvertretender Direktor des auf China spezialisierten Beratungsunternehmens Trivium, der der Ansicht ist, dass eine zentralisierte nationale ID einen Kompromiss bzgl. der Privatsphärethematik bedeuten würde, da es für Unternehmen schwieriger wäre, das Kundenverhalten zu verfolgen, für die Polizei aber einfacher, dasselbe zu überwachen.
Datenschutzbedenken wachsen nach Datenpanne der Polizei in Shanghai
Einige argumentieren, dass man der Polizei nicht trauen kann, einen riesigen Honeypot an persönlichen Daten zu schützen, und verweisen auf einen massiven Datenschutzverstoß im Jahr 2022, bei dem Hacker „einen riesigen Haufen persönlicher Daten (a huge trove of personal data)“ gestohlen haben, die die Polizei von Shanghai online offengelegt hatte. Nunlist stellt fest, dass sich die chinesische Bevölkerung zunehmend Sorgen um den Datenschutz macht:
Es gibt die irrige Ansicht, dass sich die Chinesen weniger um ihre Privatsphäre und staatliche Eingriffe kümmern als andere Länder. Die Besorgnis über diese Regeländerung ist ein deutlicher Beweis dafür, dass dies nicht der Fall ist.
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(There is a mistaken view that Chinese people care less about their privacy and state intrusion than other places. The apprehension over this rule change is a pretty powerful demonstration that this isn’t the case.)
SCMP berichtet, dass der Entwurf „National Network Identity Authentication Public Service Management Measures“ sechzehn Artikel umfasst und zwei Formen digitaler Identitäten beschreibt, die über eine nationale Authentifizierungs-App verfügbar gemacht werden sollen.
Der Bericht zitiert Shen Kui, einen Juraprofessor an der Universität Peking, der sagt, dass eine einheitliche Netzidentität die Authentifizierung bei Online-Transaktionen vereinfachen und den Missbrauch persönlicher Daten einschränken könnte:
Je weniger Stellen tatsächlich persönliche Identitätsdaten sammeln, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man über das notwendige Maß hinaus nach persönlichen Daten gefragt wird.
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(The fewer entities that collect actual personal identity information, the smaller the possibility of being asked to provide personal information beyond the necessary scope.)
In einem separaten Artikel, der auf dem WeChat-Konto des Zentrums für Verfassungs- und Verwaltungsrecht der Universität veröffentlicht wurde, stellt Shen jedoch fest, dass einheitliche, zentralisierte nationale Überwachungsprogramme die Menschen verständlicherweise nervös machen. So könnte die nationale digitale ID aufgrund der Angst vor einer totalen Überwachung durch den Staat eine abschreckende Wirkung auf die Online-Freiheit haben:
Die Lebendigkeit der digitalen Wirtschaft und der Internetgesellschaft beruht auf einem multizentrischen System und nicht auf zentralisierten Monopolen.
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(The vibrancy of the digital economy and internet society relies on a multi-centred system rather than centralized monopolies.)
Shen bezweifelt auch, dass das derzeit freiwillige digitale Ausweisprogramm lange Zeit freiwillig bleiben wird.
Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtet ihrerseits, dass der Entwurf
das Prinzip des „Minimums und der Notwendigkeit“ für persönliche Daten, die von der öffentlichen ID-Plattform im Cyberspace gesammelt werden, klar festlegt und die Verpflichtungen der Plattform in Bezug auf Erklärung, Benachrichtigung und Datenschutz beim Umgang mit den persönlichen Daten der Nutzer spezifiziert.
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(clearly establishes the principle of „minimum and necessity“ for personal information collected by the cyberspace ID public service platform, and specifies the obligations of the platform in terms of explanation, notification and data protection when handling users’ personal information.)
Chinas nationale digitale ID im Vergleich zu Aadhaar
Die Berichterstattung in CSO Online geht etwas näher auf die beiden Formen der digitalen ID ein: die eine ist „eine Reihe von Buchstaben und Zahlen (a series of letters and numbers)“ und die andere ein Online-Ausweis, „wobei beide der realen Identität einer Person entsprechen, aber keine Klartextinformationen enthalten (with both corresponding to an individual’s real-life identity, but excluding any plaintext information)“. Der Artikel enthält eine Analyse von Manish Jain, Principal Research Director bei der Info-Tech Research Group, der den Entwurf des chinesischen Vorschlags mit dem indischen Aadhaar-System vergleicht:
China schlägt eine nationale digitale ID in drei Formen vor: eine alphanumerische Kennung, ein ID-Zertifikat und Online-Zugangsdaten. Dieser Ansatz ähnelt dem anderer Länder wie Estland, das eID, Smart ID und Mobile ID verwendet. Es unterscheidet sich jedoch geringfügig von dem indischen System, das für eine ähnliche Bevölkerungsgröße entwickelt wurde und bei dem Aadhaar als numerische Kennung und Karte dient. Bei Online-Transaktionen stützt sich Aadhaar auf einmalige Passwörter, die an registrierte Mobiltelefone gesendet werden, was die Sicherheit erhöht.
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(China is proposing a national digital ID in three forms: an alphanumeric identifier, an ID certificate, and online credentials. This approach is similar to other countries like Estonia, which uses eID, Smart ID and Mobile ID. However, it differs slightly from India’s system, which was built for a similar population size, where Aadhaar serves as a numeric identifier and a card. For online transactions, Aadhaar relies on one-time passwords sent to registered cellphones, enhancing its security.)
Er weist auch darauf hin, dass Indien im Rahmen des Aadhaar-Gesetzes von 2016 eine eigene gesetzliche Behörde zur Regelung der digitalen Identität eingerichtet hat, was das Risiko einer zentralisierten Datenkontrolle durch die amtierende Regierung verringern soll.
Wer immer noch glaubt, dass China, respektive Russland und damit die BRICS der Gegenpol zu den westlichen Globalisten und deren Agenden ist, hat leider immer noch nicht verstanden, dass spätestens mit dem Pivot to Asia von Barack Obama die Verlagerung der „Kontrollstellen und Machtposition der Globalisten“ gen China stattgefunden hat und China/Russland Teil des Spiels sind – nur unter anderen Vorzeichen.
Ich empfehle in diesem Kontext explizit das Interview von AUF1 mit Tilman Knechtel, der die Gemeinsamkeiten des Großen Neustarts und der von mir auch immer wieder erwähnten Kommunistischen Langzeitstrategie beleuchtet: