Im Jahr 2021 veröffentlichte die UN (um exakt zu sein: United Nations Academic Impact [UNAI])- in Zusammenarbeit mit dem Boston Global Forum – im Rahmen der United Nations Centennial Initiative den Report/das Buch UN100 – Remaking The World Toward An Age Of Global Enlightment (UN100 – Die Welt neu gestalten für ein Zeitalter der globalen Aufklärung). Das 255 Seiten umfassende „Werk“ kann unter anderem auf der Webseite archive.org heruntergeladen bzw. gelesen werden. Aufgrund seiner Größe von über 180 MB stelle ich es – außerhalb meiner sonstigen Gewohnheiten – nicht als Download zu Verfügung.
Die United Nations Centennial Initiative ist dabei eine Initiative, die auf die Feier und Reflektion des 100-jährigen Bestehens der Vereinten Nationen (UN) abzielt, das im Jahr 2045 begangen wird. „Ziel der Initiative“ ist es, eine langfristige Vision für die Zukunft der UN und die globale Zusammenarbeit im 21. Jahrhundert zu entwickeln.
Die Initiative bezieht sich insbesondere auf Themen wie:
Einmal mehr der uns allen genügend bekannte Einheitsbrei in euphemistischen Worthülsen verpackt.
Ein zentrales Konzept der Initiative ist die Förderung eines „Zeitalters der globalen Aufklärung (Age of Global Enlightenment)“ – eben jenes eingangs erwähnten Buch. Dies beinhaltet die Entwicklung eines sozialen Vertrags für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz (KI), die Schaffung eines Rahmens für ein internationales Abkommen über KI und die Etablierung eines Ökosystems für die „AI World Society (AIWS)“. Als „praktisches Beispiel“ für die Umsetzung dieser Ideen wird die Entwicklung einer AIWS City, einer virtuellen digitalen Stadt, die darauf abzielt, eine globale Gemeinschaft von Wissenschaftlern, Innovatoren, Führungskräften und Bürgern zu vereinen, um Gedanken, Kreativität und ethisches Verhalten zu fördern, proklamiert. Kommen nur mir bei diesen Zeilen plötzlich die sogenannten 15-Minuten-Städte in den Sinn?
Aber was genau sind die Kernaussagen von UN100? Und warum sollte uns das alles mehr als aufhorchen lassen?
1. Zukunft der globalen Zusammenarbeit durch Technologie
Das Buch beschreibt, wie Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), Blockchain und das Internet das Potenzial haben, die internationale Zusammenarbeit zu revolutionieren. Diese Technologien könnten Transparenz, Effizienz und Gerechtigkeit in globalen Prozessen fördern. Die verschiedenen Autoren argumentieren, dass solche Werkzeuge eine Brücke zwischen unterschiedlichen politischen, sozialen und kulturellen Systemen schlagen können.
2. AI International Accord (AIIA)
Der im Buch vorgeschlagene „AI International Accord (Internationales KI-Abkommen)“ ist ein zentraler Bestandteil des Buches. Dieser soll als international bindendes (!) Abkommen dienen, um sicherzustellen, dass KI-Technologien verantwortungsvoll und im Interesse der Menschheit eingesetzt werden. Kritisch wird die Notwendigkeit hervorgehoben, destruktive Anwendungen von KI wie autonome Waffensysteme oder manipulative Algorithmen zu verbieten.
3. Sozialvertrag für das KI-Zeitalter
Inspiriert von der politischen Philosophie eines Jean-Jacques Rousseau, schlägt das Buch einen neuen „Social Contract for the AI Age (Gesellschaftsvertrag für das KI-Zeitalter)“ vor. Dieser soll als ethische Grundlage, um die Menschheit und Technologien in Einklang zu bringen, dienen. Der Fokus liegt angeblich darauf, die Rechte der Bürger zu stärken und sicherzustellen, dass technologische Innovationen das Gemeinwohl fördern.
4. AI World Society (AIWS, Welt-KI-Gesellschaft)
AIWS ist für die Autoren des Buches als Plattform gedacht, um den ethischen Einsatz von Technologien voranzutreiben. Sie soll dabei als Netzwerk von Experten, Forschern und politischen Entscheidungsträgern fungieren. Der Mensch bzw. Nutzer oder die Natur bleiben einmal mehr „außen vor“. AIWS möchte – so der Gedanke des Buches – eine Kultur der Verantwortlichkeit etablieren, die über staatliche Grenzen hinweg wirkt.
5. Beteiligung von prominenten Persönlichkeiten
Die Beiträge von Persönlichkeiten wie dem früheren japanischen Premierminister Shinzo Abe, Ban Ki-moon, Ash Carter und anderen sollen die Brisanz bzw. globale Relevanz des Themas aus Sicht ihrer Auftraggeber verdeutlichen. Offenbar will man seitens der Internationalisten/Globalisten/Eliten (IGE) mit dem Einsatz dieser Stimmen den Vorschlägen (mehr) politische und moralische Legitimität verleihen.
6. Verbindung von Philosophie und Technologie
Das Buch verbindet zudem technische Visionen mit philosophischen Prinzipien, indem es auf die Verantwortung des Menschen gegenüber zukünftigen Generationen eingeht. Scheitert aber aus meiner Sicht an der Komplexität und den notwendigen Ableitungen.
Vielen Kritikern dient dieses Buch als eine Art „Grundsteinlegung des Kommenden“, obwohl viele Detailfragen, die selbst eher System unkritische Geister stellen, unbeantwortet bleiben:
1. Visionär, aber möglicherweise utopisch
Der Anspruch des Buches, durch Technologien wie KI eine Ära der „globalen Aufklärung“ einzuleiten, gilt vielen als visionär. Allerdings bleiben viele Details offen, wie der AI International Accord praktisch umgesetzt werden soll, insbesondere in einem geopolitischen Umfeld, das von Misstrauen geprägt ist (z. B. Rivalitäten zwischen den USA und China).
2. Herausforderung der Einbindung aller Staaten
Der Vorschlag eines globalen Abkommens setzt voraus, dass alle Staaten gleichermaßen bereit sind, sich ethischen und rechtlichen Standards zu unterwerfen. Länder mit stark divergierenden Vorstellungen von Souveränität oder autoritären Systemen könnten dies blockieren.
3. Potenzielle Risiken durch Technologie
Obwohl das Buch die angeblichen Vorteile von Technologien wie KI betont, wird das Risiko der Konzentration von Macht bei Technologiekonzernen und der potenziellen Missbrauch durch autoritäre Regime nur sehr oberflächlich behandelt. Auf spezifische Regulierungsansätze wird so gut wie gar nicht eingegangen.
4. Fehlende Perspektive des Globalen Südens
Während prominente Stimmen des Globalen Nordens vertreten sind, bleibt die Perspektive des Globalen Südens unterrepräsentiert. Dies ist in den Augen von Mainstreamkritikern problematisch, da diese Regionen sowohl von den Herausforderungen als auch den Chancen der Technologieentwicklung stark betroffen sind.
5. Philosophischer Anspruch, aber praktische Umsetzung
Der philosophische Ansatz ist ambitioniert und nur oberflächlich behandelt, dabei fehlen konkrete Beispiele oder Pilotprojekte, die zeigen, wie der sogenannte „Social Contract for the AI Age“ tatsächlich wirken könnte.
Legen wir die aufgesetzte, aufgeführte „Mainstreamkritik“ zur Seite, wird aus meiner Sicht klar, dass das Konzept von UN100 – Remaking The World Toward An Age Of Global Enlightment darauf abzielt
Conclusio
UN100 – Remaking The World Toward An Age Of Global Enlightment gilt vielen als „inspirierendes Buch, das die transformative Kraft moderner Technologien beleuchtet“. Hinter einem „visionären Fahrplan für eine bessere Welt“, in der technologische Innovationen mit ethischen und philosophischen Prinzipien verbunden werden sollen, kommt jedoch ein totalitäres Ansatz zum Vorschein, der einmal mehr belegt, dass mit „positiv dargestellten Mechanismen“ wie dem AI International Accord und einer AI World Society, gezielt die Illusion durch die IGE aufgebaut wird, dass die Menschheit in eine Ära der globalen Zusammenarbeit und des Wohlstands dank Technologie und Technokratie „übergehen“ wird.
Die IGE nutzen das Buch als „Aufruf zum Handeln und zur Kooperation“, mit einer eindeutigen Stoßrichtung: Zentralisierung und Digitalisierung in allen Lebensbereichen. Und wie weit sie damit bereits gekommen sind, können wir im Grunde genommen jeden Tag am eigenen Leib erfahren.
Quellen:
UN 100 Remaking the World Toward an Age of Global Enlightenment PDF
Books – Remaking the World – Towards the Age of Global Enlightenment
Webseite – UN100
The United Nations Centennial Initiative