Finanzsystem: IWF warnt vor einer Unterfinanzierung, wenn es zur nächsten Krise kommtLesezeit: 11 Minuten
Dieser Tage findet das jährliche Spring Meeting des Internationalen Währungsfonds in Washington statt. Eines der Hauptthemen ist dabei die Unsicherheit bzgl. der zukünftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU. Vor dem Treffen hatte der Generaldirektor der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Agustin Carstens, zudem vor „ungenügenden Ressourcen (inadequate resources)“ seitens des IWF bei einem großen wirtschaftlichen Einbruch gewarnt:
Das lässt uns mit dem Problem zurück, in Krisenzeiten improvisieren zu müssen. Wenn der Fonds dies nicht tun kann, müssen andere dies tun, andernfalls sind die wirtschaftlichen Kosten enorm.
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(This leaves us with the problem of having to improvise in times of crisis. If the Fund cannot do it others will have to do it otherwise the economic costs will be huge.)
Carsten bezog sich in seiner Anmerkung auf die Verteilung der Beteiligungsquoten der verschiedenen Mitgliedsstaaten am IWF. Wie der IWF auf seiner Website erklärt, sind diese Quoten die Hauptfinanzierungsquelle des Fonds. Jedes Mitglied (aktuell 189) hat eine bestimmte Quote zu erfüllen. Dabei tragen die großen Wirtschaftsnationen die größten Anteile.
Bis zu 25% einer Beteiligung müssen dabei in Form der Sonderziehungsrechte (SZR) oder in “ ausländischen Währungen, die der IWF akzeptiert (foreign currencies acceptable to the IMF)“ eingezahlt werden. Aktuell bestehen die SZR aus den fünf wichtigsten Währungen der Welt: dem US-Dollar, dem Euro, dem Renminbi, dem Yen und dem Pfund. Die verbleibenden 75% müssen die Staaten in ihren eigenen Währungen hinterlegen.
Da die USA die größte Wirtschaftsnation sind, ist ihr Anteil für den IWF von essenzieller Bedeutung. Zum März 2017 betrug ihr Anteil 118 Milliarden US-Dollar. In SZR ausgedrückt sind das 82,99 Milliarden. Der IWF weist den Wert der SZR in US-Dollar aus: ein US-Dollar entspricht dabei 72 Cent SZR.
Laut des IWF haben 181 der Mitglieder ihre Quoten erfüllt, was einer Gesamtsumme von 675 Milliarden US-Dollar (oder 475 Milliarden SZR) entspricht.
Angeblich soll diese Summe ausreichend sein, um globale Stressphasen in der Weltwirtschaft ausgleichen/abfedern zu können. Im Jahre 2010 gab der IWF seine 14. Überprüfung der Quoten (14th General Review of Quotas) bekannt, bei der festgestellt wurde, dass die Gesamtheit der Quoten um 100% von 238,5 auf 477 Milliarden SZR angestiegen war. Dieser Anstieg ging auf die Finanzkrise von 2008 zurück. Vergleicht man die eingezahlte Gesamtsumme mit der Quotengesamtsumme, die der IWF vertraglich geregelt hat, fehlen also nur 2 Milliarden SZR.
Bei der letzten Reform 2010 bzgl. der SZR kam es auch zu einer Anpassung der Quoten. China war dabei der Hauptnutznießer und wurde dabei zum drittgrößten Mitglied des IWF mit einer Quote von 6,4%. Die USA blieben mit 17,4% an Position Nummer 1.
Aber diese Reform trat erst im Januar 2016 in Kraft. Hauptsächlich deshalb, weil der US-Kongress sich gegen eine Änderung der Quoten beim IWF ausgesprochen hatte. Die aktuelle Verteilung der Quoten ermöglicht es nämlich den USA ihre Veto-Macht bei einer Änderung der Regeln des IWF einzusetzen. Ohne eine Zustimmung von 85% kann nämlich keine Änderung an den Regularien vorgenommen werden. Aktuell besitzen die USA noch einen Anteil von 16,5% – eigentlich noch genug um Reformen und Änderungen zu blockieren. Ich schreibe hier bewusst „eigentlich“, denn die Veto-Macht der USA besteht zwischenzeitlich nur noch auf dem Papier und der IWF hat bereits mehrfach wissen lassen, dass er sich von den USA nicht mehr „ausbremsen“ lassen wird.
Der Konsens unter den Bankern besagt, dass die Änderungen der Quoten 2010 nicht weit genug gegangen sind. In einer Rede des bereits erwähnten Agustin Carstens warnte dieser, dass die Hälfte der Kreditfähigkeit aus „Vereinbarungen“ stamme, die in den nächsten Jahren auslaufen würden. Ohne eine Erneuerung dieser Vereinbarungen, mit einer Erhöhung der Quotensummen, „könnte die Feuerkraft des IWF erheblich eingeschränkt werden“ – so Carstens:
Beim Ausbau der Kernressourcen des IWF wurden nur begrenzte Fortschritte erzielt. Andernfalls bleibt das globale Sicherheitsnetz unvollständig.
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(There has been limited progress in scaling up the IMF’s core resources. Without this, the global safety net remains incomplete.)
Am Tag nach der Warnung Carstens verstärkte der erste stellvertretende Geschäftsführer des IWF, David Lipton, die Sorgen bzgl. der Quoten. Er sagte, dass der IWF zu Beginn der Finanzkrise von 2008 unterfinanziert war. Um ein solches erneutes Szenario zu verhindern, forderte Liptin eine „Fortsetzung des Engagements zur Stärkung des Sicherheitsnetzes mit einem starken und ausreichend finanzierten IWF in dessen Zentrum (continued commitment to strengthen the safety net, with a strong and adequately financed IMF at its center)“. Weiter sagte er:
Zu viel Macht bleibt den nationalen Regulierungsbehörden und Aufsichtsbehörden auf Kosten eines integrierten Konzepts auf dem gesamten Kontinent vorbehalten.
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(Too much power remains vested in national regulators and supervisors at the expense of an integrated approach across the continent.)
Die Botschaft war eindeutig: die Einzelstaaten müssen auf internationaler Ebene dem IWF mehr Kontrolle einräumen und ihn in diesem Prozess bestärken. Interessanterweise stellte Liptin eine Verbindung zwischen „unvollständigen Reformanstrengungen (incomplete reform efforts)“ und „zunehmenden geopolitischen Spannungen (rising geopolitical tensions)“ her.
Während die „Spannungen“ weiter gären – insbesondere aufgrund des Brexits – steht das 15th General Quota Review an. Wie beim 14. Review wird dies der IWF als eine „Gelegenheit nutzen, den angemessenen Umfang und die Zusammensetzung der Ressourcen des IWF zu bewerten und den Prozess der Governance-Reformen fortzusetzen“.
Diejenigen, die sich regelmäßig mit dem IWF und seinen Aussagen beschäftigten, werden wissen, dass dieser „Prozess der Reformen“ ein fortlaufender ist. Dabei ähnelt dieser Prozess einer Pyramidenstruktur. Sobald eine bestimmte Reformstufe erreicht ist, wird automatisch eine weitere Reformstufe ausgelöst. Letztlich geht es mit diesen Reformen darum, immer mehr Macht und Kontrolle zu zentralisieren – weg von den Nationalstaaten hin zum IWF und zur BIZ.
Der IWF hat eine Frist zur Finalisierung des 15. Review gesetzt: „nicht später als das Jahrestreffen 2019 (no later than the 2019 Annual Meetings)“. Dieses wird in der dritten Oktoberwoche stattfinden.
Ich gehe davon aus, dass der IWF diese Überprüfung der Quoten dazu nutzen wird, um das Finanzsystem verstärkt in die Richtung der Implementierung einer globalen Währung zu bringen. Die Instabilität und Disfunktionalität, die aktuell im System vorherrscht, sind das perfekte Ablenkungsmanöver,um dies zu erreichen.
Am Ende dieses Prozess wird die Einführung einer zentralen digitalen Währung stehen. Aber bevor dies seitens des IWF umgesetzt werden kann, muss die Verteilung der Währungen im Korb der Sonderziehungsrechte „reformiert“ werden. Der US-Dollar nimmt derzeit einen Anteil von 42%, der Euro von 31%, der Yen und Renminbi von jeweils 11% und das Pfund Sterling von 8% ein. Um ein neues globales Währungsrahmenwerk implementieren zu können, muss die Dominanz des US-Dollars – wie auch sein Status als Weltreservewährung – fallen. Ab dann kann der IWF die Basis für eine schrittweise Assimilation nationaler Währungen mit Hilfe des SZR-Systems legen.
Wie ich in mehreren Artikeln ausgeführt habe, ist es sehr wahrscheinlich, dass dies durch die Verknüpfung nationaler Währungen an die SZR erfolgt, was bedeutet, dass der IWF letztlich den Wert dieser Währungen diktieren könnte, um sie so zu harmonisieren, dass sie einen ähnlichen Wert haben. Mit gleichen Wechselkursen würde eine neue globale Währung der logische nächste Schritt sein – zumindest mach Meinung des IWF.
Eine solche „Entwicklung“ wäre auf Linie dessen, was die IWF-Chefin, Christine Lagarde, 2014 als „globalen ökonomischen Neuanfang“ bezeichnet hat. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos hatte sie damals einen Neuanfang bzgl. der globalen Geldpolitik eingefordert – zusammen mit Reformen im Finanzsektor und bei der Regulatorik desselben.
Dabei ist es jedoch wichtig zu verstehen, dass solche Reformen gerne einhergehen mit geopolitischen Spannungen. Ohne einen bestimmten Grad an Chaos, wird es für das Establishment weit schwieriger seine Kontrolle auszubauen. Ganz nach dem altbekannten Motto Ordo ab Chao, das insbesondere der 2017 verstorbene Mitbegründer der Trilateralen Kommission, Zbigniew Brzezinski, als essenziell betrachtete.
Im Dezember vergangenen Jahres gab es erste Anzeichen dafür, dass eine solche „Neuausrichtung“ nicht überall auf Gegenliebe stößt. David Malpass, US-Staatssekretär im Finanzministerium für internationale Angelegenheiten, lehnte eine Erhöhung der Summen ab:
Wir sind gegen eine Änderung der Quoten, da der IWF über reichlich Ressourcen verfügt, um seinen Auftrag zu erfüllen. Wir werden eine konstruktive Größe für die IWF-Ressourcen anstreben, erkennen jedoch an, dass der IWF nur ein Teil des globalen Finanzsystems ist.
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(We are opposed to changes in quotas, given that the IMF has ample resources to achieve its mission. We will be seeking a constructive size for IMF resources, but recognise that the IMF is just one part of the global financial system.)
Die Hochleistungspresse beurteilte diese US-Position als Ablehnung einer „globalen Ordnung“ und verwies in diesem Kontext auf die Haltung der Trump-Regierung „America First“.
Mark Sobel, ein ehemaliger US-Vertreter in der Geschäftsleitung des IWF warnte, dass
die Abkehr von einer Erhöhung der Fondskontingente auf der ganzen Welt als weiterer Anstoß von Multilateralismus, globalen Institutionen und einer auf Regeln basierenden Ordnung in den USA gesehen wird.
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(turning our backs on a Fund quota increase will be seen across the globe as another U.S. snub of multilateralism, global institutions, and a rules-based order.)
Letztlich handelt es sich hierbei um den Einsatz der klassischen Hegelschen Dialektik, um ein gewolltes Ziel der Internationalisten/Globalisten/Eliten (IGE) zu erreichen. Zwei opponierende Seiten (These und Antithese) stehen zueinander in Konflikt. Hier die unnachgiebige Haltung der USA gegen eine Neuausrichtung der Quoten (These), dort der IWF, der seine Rolle auf der internationalen Bühne stärken will, in dem er das System der SZR mittels einer Reform der Quoten umbaut (Antithese).
Historisch geschehen sind solche Konflikte derart angelegt, dass eine vorbestimme Synthese (das eigentliche Ziel) das Ergebnis ist. Vorbestimmt deshalb, weil die IGE in den vergangenen Jahren bereits ihre Zukunftsvision als Synthese erarbeitet und kommuniziert haben. Wesentliche Veränderungen in einer Gesellschaft sind nicht immer ein organisches Ereignis oder ein Zufall.
Für den IWF wäre das gewünschte Ergebnis (basierend auf den vorliegenden Dokumenten) die Implementierung eines globalen Währungsrahmenwerks in den nächsten Jahren – abgestimmt mit der Agenda 2030 der UN und der „Nachhaltigen Entwicklung“.
Kurz vor dem eingangs erwähnten Spring Meeting des IWF veröffentlichte der ehemalige Untersekretär der UN, Jose Antonio Ocampo, einen Artikel auf Project Syndicate, in dem er den IWF aufforderte, die SZR in eine „echte globale Währung“ zu reformieren. Ocampo schrieb, dass 2019 der 75. Gründungstag des IWF ist und der 50. Geburtstag der SZR und damit:
Sie [die Gründungstage] stellen eine ideale Gelegenheit dar, um den SZR in eine echte Weltwährung umzuwandeln, die das internationale Währungssystem stärken würde. Die politischen Entscheidungsträger sollten [diese Gelegenheit] ergreifen.
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(They represent an ideal opportunity to transform the SDR into a true global currency that would strengthen the international monetary system. Policymakers should seize it.)
Mag der geneigte Leser selbst entscheiden, ob dieser Artikel und sein Zeitpunkt reiner Zufall waren oder nicht.
Am Ende des Artikels sei nochmals auf Christine Lagarde verwiesen. Bevor sie IWF-Chefin wurde, sprach sie in einem Interview 2010 offen darüber, wie eine Krise als Chance genutzt werden kann:
Ich denke, aus der Krise heraus gibt es große Schwierigkeiten und Elend, aber es gibt auch Möglichkeiten, und jetzt ist die Zeit nach der Krise, nachdem wir das System so korrigiert haben, dass es nicht vollständig zusammenbrach…
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(I think that out of crisis, there are major difficulties and misery, but there are also opportunities, and now is the time, actually, post-crisis, after we mended the system so that it did not completely collapse…)
Im selben Jahr veröffentlichte der IWF eine Umfrage mit dem Titel Crisis is Opportunity for Deeper, Faster Integration (Eine Krise ist eine Chance für eine tiefere und schnellere Integration). Und der damalige Chef des IWF, Dominique Strauss-Kahn, erklärte im Zuge des 2008er Finanzkollaps:
Die Krise zeigt, dass die Institutionen bei ruhigem Wetter gut genug arbeiten. Wenn Sie jedoch einen Sturm haben, werden die Schwächen dieser Einrichtung deutlich. Eine bessere Koordinierung und eine stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung ist aus meiner Sicht absolut notwendig.
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(The crisis shows when the weather is quiet, existing institutions work well enough. But when you have a storm, then weaknesses of this institution appear clearly. And better coordination and stronger coordination in economic policy in my view is absolutely needed.)
Letztlich bedeutet dies nichts anderes, als dass Krisen aus Sicht der IGE zahlreiche Möglichkeiten für Reformen bieten. Und damit für die Stärkung der Agenda der IGE. Es ist daher höchst zweifelhaft, dass der IWF und die BIZ die nächste ökonomische Krise ungenutzt vorbei ziehen lassen werden.
Quellen:
Warnings of an Under Resourced IMF Point to Imminent Economic Downturn
IMF’s firepower insufficient to respond to major new crisis: BIS head
IMF Quotas
SDR Valuation
Hidden Amongst the Furore: Synchronised Warnings From the BIS and the IMF
BIS General Manager Outlines Vision for Central Bank Digital Currencies
Monetary Policy ‘Reset’: From Rhetoric to Actuality
Trump Snubs Global Order Again as U.S. Rejects IMF Funding Boost
Christine LaGarde IMF Reset – Interview With Christine LaGarde IMF
Time for a True Global Currency
Q+A with Christine Lagarde, French Finance Minister
IMF Survey: Crisis is Opportunity for Deeper, Faster Integration
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