Propagandaversuch: Ich will EuropaLesezeit: 10 Minuten
Seit kurzem findet man unter Internetadresse www.ich-will-europa.de eine Kampagne – ich würde das ganze eher als Propgandaversuch bezeichnen -, die sich nachfolgenden Leitgedanken gegeben hat:
Europa an sich, mit seinem ursprünglichen Zielen, ist und war eine unterstützenswerte Sache. Jedoch nicht mit den Auswüchsen, Machenschaften und der oftmals kriminellen Energie, die sich über alle nationalen Gesetze, Befindlichkeiten der Bürger und dem Willen der europäischen Völker hinwegsetzt. Schlagworte wie Vertrag von Lissabon, Euro-Rettungsschirme und INDECT sollten hier genügen.
Betrachtet man die Unterstützer dieser Kampagne, die sich selbst als „Die engagierten Europäer“ bezeichnen und damit indirekt implizieren jeder Kritiker ist ein Gegner eines gemeinsamen Europas, findet man die üblichen Verdächtigen, Think-Tanks und Profiteure des bestehenden Systems:
- Allianz Kulturstiftung
- Bertelsmann Stiftung
- BMW Stiftung Herbert Quandt
- Robert Bosch Stiftung
- Schering Stiftung
- Stiftung Genshagen
- Stiftung Mercator
- Stiftung Zukunft Berlin
Insbesondere die beiden Förderer Bertelsmann und Mercator dürften dem geneigten Leser als Think-Tanks bekannt sein, die lieber heute als morgen die sozialen Strukturen, sowie wirtschaftliche und bildungsrelevante Grundstrukturen zugunsten einer komplett kapitalgesteuerten Privatwirtschaft aufgeben würden. Information zur Bertelsmann-Stiftung gibt es unter anderem hier zu finden: Link 1, Link 2.
Mit dem Schirmherrn Joachim Gauck und der Bundeskanzlerin Angela Merkel haben sich natürlich auch die beiden politischen Schwergewichte Deutschlands hinter diese Propagandashow gestellt, deren „Darum Europa“ ich im nachfolgenden etwas genauer betrachten und kommentieren möchte:
Ich will Europa, weil es Frieden garantiert.
Frieden in Europa ist keine Selbstverständlichkeit. Über Jahrhundert haben Kriege Zerstörung und Leid über den Kontinent gebracht und Millionen Menschen getötet. Deshalb entstand die Idee des vereinten Europas. Es sollte verhindern, dass sich die Gräuel des Zweiten Weltkriegs wiederholen. Europa bringt die einstmals verfeindeten Völker zusammen. Konflikte werden nicht mehr mit Waffen, sondern am Verhandlungstisch gelöst. Die einmalige Errungenschaft von Frieden in Sicherheit, Demokratie und Wohlstand müssen wir bewahren.
Die Kampagnenmacher spielen geschickt mit dem Schlagwort Europa, um uns Deutschen eigentlich den Euro schmackhaft zu machen. Denn der eigentliche Grund dieser Kampagne ist sicherlich nicht einen Europa-Verdruss zu kanalisieren, als vielmehr den Euro in den Köpfen der Menschen mit Europa gleichzusetzen. Ganz nach Merkels Worten: Scheitert der Euro, scheitert Europa. Aber viel wichtiger ist für mich – um auf das obige Zitat zurück zu kommen -, dass Europa gerade durch die Eurokrise und dem sturen Festhalten am Euro genau den beschriebenen Weg verlässt. Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen einmal die Mühe machen in Athen, Madrid oder Lissabon die Menschen zu fragen, was sie von Deutschland halten oder einfach mal nur die Titelseiten der Zeitungen in diesen Ländern studieren. Unwillen, Abscheu und Hass machen sich dort gegen Deutschland breit.
Ich will Europa, weil wir nur gemeinsam etwas bewegen.
Wer entscheidet künftig über die großen globalen Fragen – Umwelt, Finanzmärkte oder Sicherheit? Die USA und China alleine? Oder finden auch unsere Positionen Gehör? In Deutschland lebt nur noch rund ein Prozent der Weltbevölkerung. Das ist zu wenig, um bei den wichtigen Themen Einfluss zu nehmen. Nur in einem starken Europa können wir neben den USA und China bestehen und die Lebensbedingungen der nächsten Generationen mitgestalten.
Europa als monolithischer Block soll Ländern wie China und den USA Parolie bieten? Vielleicht neben ökonomisch auch militärisch? Darf man „Die engagierten Europäer“ vielleicht daran erinnern, dass China aufgrund der billigen Arbeitskräfte und als verlängerte Werkbank der westlichen Welt selbst vor massiven politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Problemen steht? Wäre es da nicht angebrachter in ökonomischen Nischenbereichen stark zu sein und sich hier bewusst von chinesischen Billigartikeln abzusetzen? Und benötige ich dafür ein Europa ohne Nationalstaaten? Ich denke eher nicht. Genauso wenig wie jeder Europäer als neue Hegemonialmacht neben den USA auftreten will. Denn dass die USA für einen Großteil der Menschheit – und hier sind nicht ausschließlich Anhänger des Islam gemeint – kein Hort der Demokratie und Menschenrechte mehr sind oder als Vorbild dienen, dürfte auch den Machern dieser Kampagne bekannt sein.
Ich will Europa, weil der Euro trotz aller Probleme ein Erfolgsmodell ist.
Seit seiner Einführung garantiert der Euro stabile Preise, sogar erfolgreicher als zuvor die D-Mark. Auch nach außen, im Verhältnis zu Dollar, Pfund und Yen, hat sich der Euro als wertbeständig erwiesen. Der einheitliche Währungsraum verschafft den Unternehmen einfachen Zugang zu über 500 Millionen Verbrauchern. Dadurch entstehen Wachstum und Arbeitsplätze. Die aktuelle Krise kostet Deutschland sicherlich viel Geld, trotzdem ist die wirtschaftliche Bilanz für Deutschland positiv.
Von wegen der Euro als Erfolgsmodell. Anscheinend halten es die Initiatoren wie weiland Propagandaminister Goebbels: „Wenn du einmal angefangen hast zu lügen, dann bleibe auch dabei!“ Stabile Preise im Vergleich zum Dollar, Yen und Pfund? Wie wär es einmal mit einem Vergleich zu anderen Währungen wie Schweizer Franken (vor der Zwangsbindung an den Euro), Norwegische Krone oder Australischen Dollar? Da sieht die Sache aber mal ganz anders aus. Und die Aussage, dass uns die aktuelle Krise viel Geld kostet bei positiver Bilanz für Deutschland, ist schon oftmals von Ökonomen wie Schachtschneider widerlegt worden – ganz zu schweigen von dem zu erwartenden Geldvernichtungsmonster ESM und dem in der Öffentlichkeit selten diskutiertem Target 2-Saldo der Bundesbank.
Ich will Europa, weil Umwelt- und Klimaprobleme keine Grenzen kennen.
Globale Herausforderungen wie der Klimawandel erfordern ein gemeinsames Vorgehen. Die Mitgliedstaaten der EU haben sich zusammen im Rahmen der Strategie 2020 ehrgeizige Ziele in der Klima- und Energiepolitik gesetzt, der Staatenverbund gilt damit international als Vorreiter und Vorbild. Diese Position nutzt Europa in seinen Bemühungen für weltweite Maßnahmen.
Benötige ich um klare, eindeutig definierte Gesetzesvorlagen, Bedingungen und Maßgaben bei Umweltfragen zu schaffen eine EUdSSR? Würden sich die Einzelstaaten an diese Gesetzesvorlagen halten, wenn diese in ökonomische Schwierigkeiten geraden sind? Würden sich global agierende Unternehmen wie Siemens, VW oder ENI an diese Vorgaben halten, wenn sie einfach bestimmte umweltverschmutzende Produktionslinien ins außereuropäische Ausland verlagern können? Würden Länder wie England oder Polen auch einen vergleichbaren „Verpackungswahn“ wie Deutschland bei ihren Häusern und Wohnungen mitmachen?
Ich will Europa, weil es – fast – grenzenlos ist.
Die Europäische Union ermöglicht seinen über 500 Millionen Bürgern ein unkompliziertes Reisen zwischen den Mitgliedstaaten. Zumeist ohne Kontrollen und Wartezeiten. Das ist in keinem anderen Zusammenschluss von Staaten weltweit möglich.
Und warum diskutieren dann bestimmte Länder wieder das Schengen-Abkommen oder setzen es wie Dänemark auch zeitweise außer Kraft? Und eine zweite Frage sei an die Macher der Kampagne noch gestattet: Wie oft denken sie reist ein europäischer Durchschnittsbürger durch Europa, der nicht aufgrund seines Berufes dies tun muss? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Einreise in ein EU-Land so nervenaufreibend und zeitintensiv gewesen ist, dass ich Tage an Vorbereitung dafür investieren musste.
Ich will Europa, weil es den Verbrauchern gut tut.
Ob günstigere Telefongespräche, Flugreisen oder Medikamente, strenge Lebensmittelkontrollen oder einheitliche Rechte bei Produktmängeln – in Europa werden die Rechte und der Schutz der Verbraucher grenzüberschreitend gestärkt und verbessert.
Günstigere Telefongespräche gab es durch die Privatisierung und dem Konkurrenzkampf neuer Anbieter in Deutschland – nicht jedoch durch Europa. Medikamente kosten in anderen EU-Staaten oftmals einen Bruchteil dessen, was in Deutschland verlangt wird. Und eine Stärkung der Rechte der Verbraucher, sowie eine Verbesserung des Verbraucherschutzes sehe ich auch nicht. Kleine Gedankenstütze für die Kampagner: Gentechnikfreie Landwirtschaft und Toleranzwerte bei gentechnikfreien Futtermitteln. Wer will die jetzt genau wieder haben? Die EU-Kommission oder der mündige Verbraucher?
Ich will Europa, weil es Lebens- und Berufsperspektiven eröffnet.
Die Ausbildung in Hamburg, die erste Anstellung in Stockholm und den Ruhestand an der Riviera genießen – Europäer können in jedem Mitgliedstaat ihrer Wahl leben, lernen und arbeiten.
Hmm, zuerst lern ich schwedisch, dann italienisch. Und zwischendrin noch ein paar andere Sprachen. Hier wird wieder einmal versucht einen Quervergleich mit den USA herzustellen. Was dabei einmal mehr geflissentlich übersehen wird: Wir haben keinen einheitlichen Sprachraum, keine einheitliche Mentalität bei Themen wie Arbeit, Freizeit, gesellschaftlichen Wurzeln usw. Man wird es nie schaffen, dass ein Spanier eine ähnliche Einstellung zu bestimmten Dingen entwickelt wie ein Nordeuropäer. Und ein Deutscher wird niemals mit der gleichen Gelassenheit Siesta machen wie ein Grieche. Und das ist gut so – denn jedes Volk muss seine Identität behalten, die uns hier aber „abtrainiert“ werden soll.
Ich will Europa, weil es Schutz bietet ohne mich einzuschränken.
Über nationale Grenzen hinweg schützen der Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg und der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg die Rechte und Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger. Das Recht auf freie Meinungsäußerung gehört genauso dazu wie das Recht auf Religionsfreiheit und die Gleichstellung von Mann und Frau.
Freie Meinungsäußerungen, Demonstrationsrecht? Dann bitte einmal ganz schnell die Gesetze von Spanien oder Italien studieren, die in den letzten Monaten dazu verabschiedet wurden. Oder sich einmal mit Themen wie ACTA (auch wenn es derzeit auf Eis liegt) oder INDECT beschäftigen. Von Eurogendfor ganz zu schweigen…
Ich will Europa, weil es den Horizont erweitert.
Die Europäische Union unterstützt Studierende, Schülerinnen und Schüler dabei, in Nachbarländern zu leben und zu lernen. Auch Berufstätige, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden bestärkt und gefördert, jenseits der eigenen Ländergrenzen zu arbeiten. Internationale Erfahrungen sind nicht nur wichtig für die schulische und berufliche Entwicklung, sondern ermöglichen Einblicke in andere Kulturen und Sitten und erweitern so die eigene Sichtweise.
Passt irgendwie nicht zu den zuletzt veröffentlichen Zahlen rund um den Bologna-Prozess. Hier wurden diametral anders lautende Aussagen getätigt. Aber grundsätzlich ist dieser Punkt durchaus ein positiver Aspekt.
Ich will Europa, weil sozial hier Standard ist.
Solidarität ist einer der zentralen Grundwerte Europas. Die Europäische Union setzt sich sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch die Mitgliedstaaten ein. So werden strukturschwache Regionen gezielt unterstützt und gefördert. Auch Deutschland hat davon nach der Wiedervereinigung profitiert. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gewährleistet Europa einen umfangreichen Gesundheitsschutz, es fördert die betriebliche Mitbestimmung sowie die Integration von Menschen mit Behinderungen und vieles mehr.
Solidarität ist aber nicht gleichbedeutend mit „Zahlmeister Deutschland“. Aber genau diese Rolle wird Deutschland zufallen, wenn die derzeit stattfindende Entwicklung sich verfestigt.
Ich will Europa, weil wir viel voneinander lernen können.
„In Vielfalt geeint“, so lautet das Motto Europas. Es steht für eine Union, die – basierend auf gemeinsamen Grundwerten – die bestehenden Unterschiede als Bereicherung und Möglichkeit zur Weiterentwicklung versteht. Auch wenn Europa immer mehr zusammenrückt, die unterschiedlichen Kulturen, Sitten, Traditionen und Sprachen der Mitgliedstaaten werden respektiert und gefördert.
Wie soll eine eigene Identität bewahrt werden, wenn gleichzeitig alles in einen Einheitsbrei untergeht? Ein Einheitsbrei, der gezielt herbeigeführt wird. Wenn regionale Unterschiede und Besonderheiten von Brüssel nicht mehr respektiert werden?
Anscheinend bereiten die Eliten mit solchen Plattformen alles für einen Bürgerentscheid bzgl. einer neuen deutschen Verfassung vor. Die Deutschen sollen Pro-Europa beeinflusst werden und damit weichgeklopft werden, Entscheidungsbefugnisse nach Brüssel abzugeben. Es kann kein Zufall sein, dass die größten Think-Tanks diese Kampagne starten – zu einem Zeitpunkt an dem die BVerfG-Entscheidung zum ESM ansteht, viele Politiker einen Volksentscheid für eine neue Verfassung einfordern und die Systempresse den Euro und die Vereinigten Staaten von Europa lautstark propagieren.
Ein Artikel bildet zwangsweise die Meinung eines Einzelnen ab. In Zeiten der Propaganda und Gegenpropaganda ist es daher umso wichtiger sich mit allen Informationen kritisch auseinander zu setzen. Dies gilt auch für die hier aufbereiteten Artikel, die nach besten Wissen und Gewissen verfasst sind. Um die Nachvollziehbarkeit der Informationen zu gewährleisten, werden alle Quellen, die in den Artikeln verwendet werden, am Ende aufgeführt. Es ist jeder eingeladen diese zu besuchen und sich ein eigenes Bild mit anderen Schlussfolgerungen zu machen.