Finanzsystem: Die „Vorarbeiten“ für eine bargeldlose Gesellschaft – Real Time Gross SettlementLesezeit: 9 Minuten
Die gezielte Abschaffung des Bargeldes hat im Kontext der P(l)andemie stark an Fahrt zugenommen. Digitale Zentralbankwährungen (CBDC, Central Bank Digital Currency) werden inzwischen sogar in der Hochleistungspresse thematisiert. FedCoin und Co. sind als Begrifflichkeiten im Mainstream angekommen. Dass eine solche Entwicklung aber einen Vorlauf benötigt, in der z.B. Abstimmungen und Subsysteme entwickelt werden, ist aus meiner Sicht selbsterklärend. Eine dieser „Vorentwicklungen aka Subsysteme“ ist das RTGS: Real Time Gross Settlement (Bruttoabrechnung in Echtzeit)
Während einer Pressekonferenz nach der ersten Zinssenkung der Federal Reserve seit Dezember 2008 ließ der Vorsitzende Jerome Powell Mitte 2019 verlauten, dass die Zentralbank die Entwicklung eines neuen, schnelleren Zahlungssystems „sorgfältig prüft (looking carefully)“. So gut wie niemand nahm die damalige Aussage Powells wahr. Außer einer Handvoll Finanzinstitute hörte ihm niemand zu. Alles, was Analysten und Beobachter zu jener Zeit wirklich interessierte, war die Einschätzung der Fed bzgl. der Zinssätze.
Das war bedauerlich, denn so banal und komplex sie auf den ersten Blick erscheinen mögen, die Zahlungssysteme sind von weit größerer Bedeutung als die Frage, ob eine Zentralbank die Zinsen senkt oder erhöht. Jeder, der die zahllosen Reden und Veröffentlichungen der Zentralbanken verfolgt, weiß, dass die Internationalisten/Globalisten/Eliten (IGE) schrittweise an der Einführung eines bargeldlosen Geldsystems unter ihrer Kontrolle arbeiten. Die Federal Reserve ist ein Strang dieser Strategie, wie ich in zig Artikeln heraus gearbeitet haben.
Weniger als eine Woche nach der damaligen Zinssenkung gab die Fed bekannt (genau am 5. August 2019), dass sie einen neuen „Rund-um-die-Uhr-Echtzeit-Zahlungs- und Abwicklungsdienst (round-the-clock real-time payment and settlement service)“ plant. Das System mit dem Namen „FedNow“ wäre ein RTGS-gesteuerter Dienst, der schnellere Zahlungen ermöglichen soll.
RTGS steht für „Real Time Gross Settlement“ und ist das gleiche Modell, mit dem die Bank of England und die Europäische Zentralbank ihre Zahlungssysteme betreiben. Die BoE kündigte bereits im Mai 2017 einen Entwurf für die Einführung eines „erneuerten“ RTGS-Dienstes an, während die EZB Ende 2018 ein neues System mit dem Namen TIPS (TARGET Instant Payment Settlement) einführte. Etwa zur gleichen Zeit, als TIPS eingeführt wurde, veröffentlichte die Fed eine „Bitte um Stellungnahme (request for comment)“ zur Reform ihres eigenen Systems. Insgesamt ist dies ein weiteres Beispiel dafür, dass die Zentralbanken in Koordination arbeiten.
In einer Pressemitteilung zur Ankündigung von „FedNow“ begründete die Fed das Vorhaben damit, dass die „rasante Entwicklung der Technologie (rapid evolution of technology)“ ihr eine „entscheidende Chance (pivotal opportunity)“ zur Modernisierung des US-Zahlungssystems biete. Wie lange genau die Fed schon über die Einführung eines neuen Zahlungssystems nachdenkt, ist unklar. Aber wenn man dem Wall Street Journal Glauben schenken darf, wird seit mindestens 2013 ein schnelleres System erforscht.
Die Pressemitteilung wies auch darauf hin, dass über 10.000 Finanzinstitute in das aktuelle Fed-Zahlungssystem, bekannt als „Fedwire“, eingebunden sind, und argumentierte, dass eine neue Echtzeit-Infrastruktur, die durch die Zentralbank entwickelt wird, am besten geeignet wäre, eine vollständige landesweite Abdeckung zu bieten.
In der nächsten Phase von „FedNow“ bat die Fed um Kommentare dazu, „wie der neue Service gestaltet werden könnte (requesting comment on how the new service might be designed)“. Als Termin für die Verfügbarkeit des Dienstes wird entweder 2023 oder 2024 genannt. Das erneuerte RTGS-System der Bank of England soll 2025 einsatzbereit sein. Ich gehe jedoch davon aus, dass wir viel früher entsprechende Systeme sehen werden.
Am Tag der Ankündigung von „FedNow“ gab Lael Brainard, Mitglied des Gouverneursrats der Fed, in einer Rede bei der Federal Reserve Bank of Kansas City weitere Informationen über das System bekannt. Wie zu erwarten war, pries Brainard die Vorteile an. Das große „Verkaufsargument“ war der Zugang an 365 Tagen im Jahr, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Die Gelder stünden sofort nach der Überweisung zur Verfügung. Es wäre ein System, das auf Bequemlichkeit aufgebaut und für die Geschwindigkeit des 21. Jahrhunderts geeignet sei.
Interessanter als diese oberflächlichen Vorteile ist jedoch die Motivation hinter dem, was die Fed mit „FedNow“ erreichen will. Brainard war in dieser Hinsicht eindeutig.
In ihrer Rede sind vier wichtige Informationen zu finden:
- Fintech-Unternehmen unterstützen offen das neue System der Fed. Das sind Unternehmen, die Teil einer Branche sind, die Pionierarbeit bei der Entwicklung der Distributed-Ledger-Technologie geleistet haben.
- Die geplante Implementierung, egal ob 2023 oder 2024, ist kein festes Ziel. Wichtiger für die Fed ist das Ziel, einen „landesweiten Zugang für alle (nationwide access for all)“ zu erreichen, was bedeutet, dass ihr übergeordnetes Ziel darin besteht, dass „FedNow“ und die Zahlungsdienste des privaten Sektors zusammenarbeiten (oder, wie Brainard es ausdrückte, „interoperieren, indem Zahlungen zwischen den Diensten direkt ausgetauscht werden [interoperate by exchanging payments among services directly]“).
- Brainard sagt desweiteren, dass kein einziger privatwirtschaftlicher Anbieter eines US-Zahlungssystems jemals in der Lage gewesen sei, allein eine landesweite Reichweite zu schaffen. Eine landesweite Abdeckung müsste die vielen tausend kleinen und mittelgroßen Banken umfassen. Das ist der Grund, warum die Fed jetzt entschlossen ist, die Technologie des privaten Sektors zu nutzen und in ihr eigenes System zu integrieren. Ich würde behaupten, dass es das Ziel der Fed ist, die volle Kontrolle über die US-Zahlungsinfrastruktur zu erlangen, wobei alle digitalen Transaktionen in ihre Zuständigkeit fallen. „FedNow“ wäre der Mechanismus, um dies zu erreichen.
- Wie Brainard dargelegt hat, ist der Weg, den die Fed einschlägt, kein Weg der „schrittweisen (incremental)“ Veränderung. Vielmehr handelt es sich um einen „transformativen (transformative)“ Wandel. Ich würde das so verstehen, dass die Infrastruktur, die den aktuellen Zahlungssystemen zugrunde liegt, überarbeitet werden muss, um die Implementierung der von Fintechs entwickelten Technologie zu ermöglichen.
Eine begleitende Liste von FAQ’s untermauerte das Verständnis, dass Fintech eine zentrale Rolle in der Konstruktion von „FedNow“ spielt. Hier führte die Fed aus, dass sich der Markt für schnellere Zahlungen in den USA noch in einem „frühen Stadium (early stages)“ befindet. Banken und Fintech-Firmen können zwar eine Reihe von Dienstleistungen anbieten, deren Funktionalität ist jedoch begrenzt, was den Grad der Abdeckung und Zuverlässigkeit einschränkt. Sie beklagten das „Fehlen einer universellen Infrastruktur, um schnellere Zahlungen durchzuführen (lack of a universal infrastructure to conduct faster payments)“, was bedeutet, dass derzeit Nutzer, die bei einem Dienst wie Paypal angemeldet sind, ausnahmslos keine Zahlungen von einem Nutzer senden oder empfangen können, der bei einem anderen Dienst angemeldet ist. Infolgedessen bleibt der Markt „fragmentiert (fragmented)“.
Mit dem Federal Reserve-System, das zwölf regionale Banken umfasst, und den Beziehungen, die die Fed zu mehr als 10.000 Bankinstituten unterhält, ist man davon überzeugt, „gut positioniert zu sein, um die Herausforderung der Ausweitung des landesweiten Zugangs zu meistern (well positioned to overcome the challenge of extending nationwide access)“.
In ihrer gesamten Kommunikation wird das Ziel des landesweiten Zugangs betont. So sehr, dass der Fed-Vorstand anscheinend beabsichtigt, „Interoperabilität und andere Wege zu erkunden, um das ultimative Ziel einer landesweiten Reichweite zu erreichen (explore interoperability and other paths to achieving the ultimate goal of nationwide reach)“.
„FedNow“ würde die notwendige universelle Infrastruktur bereitstellen, die die Fed anstrebt, und es Banken jeglicher Art ermöglichen, Echtzeitzahlungen anzubieten.
Zweifelsohne ist dies eine Chance für die Fed und auch für Zentralbanken auf der ganzen Welt, die Hegemonie über die nächste Generation von globalen digitalen Zahlungssystemen zu erlangen. Aber sie, zusammen mit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und dem Internationalen Währungsfonds, die ihnen vorstehen, können dies nicht allein tun. Hier kommt die Privatwirtschaft ins Spiel, denn hier liegen das Know-How und die technologische Innovation.
In den FAQ’s heißt es auch, dass der „FedNow“-Service „neben den RTGS-Diensten des privaten Sektors für schnellere Zahlungen betrieben werden (operate alongside private sector RTGS services for faster payments)“ würde. Vor der Ankündigung des neuen Systems war der Vorstand der Federal Reserve zu dem Schluss gekommen, dass von den RTGS-Diensten des privaten Sektors „nicht erwartet werden kann, dass sie allein eine Infrastruktur mit angemessener Effektivität, Umfang und Gerechtigkeit bereitstellen (cannot be expected to provide an infrastructure with reasonable effectiveness, scope and equity alone)“. Ein Umweg, um zu sagen, dass die Fed zwar nicht die Technologie besitzt, aber die Reichweite, um Innovationen des privaten Sektors in jeden Winkel der USA zu bringen. Das Schöne für die Fed ist, dass sie die volle regulatorische Autorität über „FedNow“ hätte. In Verbindung mit Fintech wäre ihre Kontrolle über die Zahlungsinfrastruktur unanfechtbar.
Wenn es den Zentralbanken gelingt, Fintechs erfolgreich für ihre Interessen zu nutzen – was aus meiner Sicht de facto inzwischen so ist -, gibt ihnen das die Möglichkeit, mit der schrittweisen Einführung von durch die Zentralbank ausgegebenen digitalen Währungen zu beginnen.
In Bezug auf „FedNow“ ist genauso interessant wie das, was von der Fed besprochen wurde, was ungesagt blieb. In der gesamten begleitenden Dokumentation wurde nicht erwähnt, dass Pläne zur Einbindung der Distributed-Ledger-Technologie bestehen. Stattdessen wird es einen „Dialog zwischen der Fed und der Industrie geben, um das endgültige Design des Dienstes festzulegen (engagement between the Fed and the industry to inform the final service design)“. Dies ist ein Prozess, der ab September 2019 (!) in Gang kam.
Es ist davon auszugehen, dass, sobald das endgültige Design von „FedNow“ bestätigt ist, es die Fähigkeit haben wird, mit Systemen zu interagieren, die verteilte Ledger verwenden. Dies würde auf die Bank of England folgen, die 2018 ankündigte, dass ihr neuer RTGS-Service es solchen Systemen ermöglichen würde, die Abrechnung in Zentralbankgeld durchzuführen.
Sobald dies erreicht ist, besteht der nächste logische Schritt für Zentralbanken darin, den Prozess der Digitalisierung aller finanziellen Vermögenswerte durch die Ausgabe von digitaler Zentralbankwährung abzuschließen. Und wie der Generaldirektor der BIZ, Agustin Carstens, bereits im März 2019 warnte, würde dies bedeuten, dass die Menschen keine Möglichkeit mehr hätten, mit Bargeld zu bezahlen. Alle Einkäufe würden elektronisch erfolgen.
Ich gehe davon aus, dass wir alsbald diesen nächsten Schritt auch medial aufbereitet präsentiert bekommen werden.
Quellen:
Federal Reserve announces plan to develop a new round-the-clock real-time payment and settlement service to support faster payments
A blueprint for a new RTGS service for the United Kingdom
TIPS and the future of innovative retail payment solutions in Europe
Delivering Fast Payments for All
Frequently Asked Questions
Frequently Asked Questions – Instant Payments in General
BIS – The future of money and payments
Ein Artikel bildet zwangsweise die Meinung eines Einzelnen ab. In Zeiten der Propaganda und Gegenpropaganda ist es daher umso wichtiger sich mit allen Informationen kritisch auseinander zu setzen. Dies gilt auch für die hier aufbereiteten Artikel, die nach besten Wissen und Gewissen verfasst sind. Um die Nachvollziehbarkeit der Informationen zu gewährleisten, werden alle Quellen, die in den Artikeln verwendet werden, am Ende aufgeführt. Es ist jeder eingeladen diese zu besuchen und sich ein eigenes Bild mit anderen Schlussfolgerungen zu machen.
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